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Kaiserreich und Weimarer Republik

Ausländische Arbeitskräfte unter dem Nationalsozialismus

Nach Kriegsende: Displaced Persons und Repatriierte

Freiwillige Zwangsarbeit? Die Expansion nach Westen

Nach der schnellen Eroberung der Niederlande, Belgiens und Frankreichs im Frühjahr und Sommer 1940 wurden hauptsächlich aus Belgien (ca. 65.000) und Frankreich (ca. 1,3 Mio) Kriegsgefangene der deutschen Rüstungsindustrie und Landwirtschaft zur Verfügung gestellt.

Belgien und Niederlande

Während der Reichskommissar für die Niederlande hinsichtlich der Zivilisten ab Februar 1941 sich bis Herbst 1944 immer mehr verschärfende Zwangsmaßnahmen zum Arbeitseinsatz traf, setzten die Besatzer in Belgien und Frankreich vorwiegend auf freiwillige Meldungen von Arbeitswilligen. Mit den belgischen Behörden wurde im Juni 1940 sogar eine Übereinkunft getroffen, daß Belgier nicht zum Arbeitseinsatz in Deutschland gezwungen und Freiwillige nicht in der Rüstungsindustrie eingesetzt würden, an die sich die deutsche Verwaltung allerdings nur bis 1942 hielt. Auf diese Weise gelangten bis zum Frühjahr 1941 ca. 189.000 Belgier als freiwillig verpflichtete Arbeitskräfte nach Deutschland.

Ein Jahr später wurde die Arbeitspflicht eingeführt. Nun konnten jeder Mann zwischen 18 und 50 Jahren und jede unverheiratete Frau zwischen 21 (später 18) und 35 Jahren zur Arbeit im Reich zwangsverpflichtet werden. Zuletzt wurden ganze Geburtsjahrgänge dienstverpflichtet. Die Zahl der im Deutschen Reich arbeitenden Belgier betrug im Gesamtzeitraum des Zweiten Weltkriegs ca. 375.000, die der Niederländer etwa 475.000 Personen.

Frankreich

 
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Anwerbebüro für französische Arbeitskräfte in Paris, Februar 1943

Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-2002-0225-500

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Im besetzten Frankreich wurden sehr schnell zahlreiche Männer gewaltsam zur Organisation Todt verpflichtet und in Nordfrankreich eingesetzt. Vorwiegend setzte die deutsche Besatzungsmacht aber zunächst auf freiwillige Meldungen.

Im Frühjahr 1942 waren ca. 845.000 Franzosen innerhalb Frankreichs für die Organisation Todt, die Wehrmacht und die Rüstungsindustrie tätig. Zu diesem Zeitpunkt änderte sich auch gegenüber Frankreich die deutsche Arbeitspolitik grundlegend. Im September 1942 wurde auch hier die allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen eingeführt. Um die vom Reich geforderten Arbeitskräfte zu erhalten, wurde der Service du travail obligatoire (STO) eingerichtet, der mittels Jahrgangskonskriptionen, also durchaus nicht auf der Grundlage von Freiwilligkeit, die benötigten Arbeiter nach Deutschland vermittelte. Allein im Rahmen vereinbarter tatsächlicher und scheinbarer Austausche von Kriegsgefangenen gegen zivile Arbeitskräfte kamen auf diese Weise bis 1943 mindestens 390.000 französische Zivilarbeiter, darunter zahlreiche Facharbeiter, ins Reich. Die Zahl der Kriegsgefangenen hingegen verringerte sich durch Freilassungen und Heimführungen eher geringfügig, mehr aber durch Überführungen in den Zivilstatus und durch Sterbefälle. Die Zahl der französichen Zivilarbeiter betrug während des Krieges insgesamt etwas über 1 Mio Menschen.

"Ich mache Sie, meine Arbeitseinsatzmänner, mit größtem Ernst darauf aufmerksam: Der Führer erwartet von uns und ich erwarte von Ihnen, daß die Transporte rollen. Von jetzt ab wird Ihre Arbeit nur noch gemessen und Ihre Bewährung nur noch gesehen an der Zahl der Tausenden Arbeiter, die täglich neu ins Reich kommen, denn das Reich hat sie notwendig." (Fritz Sauckel, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, in einer Rede vor Referenten und Arbeitseinsatz-Stableitern in Paris am 18.3.1944)

Dennoch unterschied sich der Status der westeuropäischen Arbeiter in Deutschland von dem der Ostarbeiter, Polen und Tschechen ganz erheblich. Sie hatten im allgemeinen bessere Unterkünfte, bessere Verpflegung, bessere Bezahlung und wesentlich weniger strenge Auflagen hinsichtlich des Umgangs mit Deutschen. Die Ursachen für die Besserstellung von Niederländern, Belgiern und Franzosen sind sowohl in der nationalsozialistischen Rasseideologie zu suchen, in der die Angehörigen dieser Völker einen höheren Rang einnehmen, mehr aber noch in Jahrhunderte alten, traditionell verankerten Vorstellungsmustern und Empathien gegenüber diesen Nationen in der breiten deutschen Bevölkerung. Diese gingen aber nicht so weit, daß sie Diskriminierungen und eine besondere Strafordnung ausgeschlossen hätten. Bei zunehmender Kriegsdauer wurde der Zwangscharakter auch dieser Arbeitsverhältnisse immer deutlicher.

Verbündete und befreundete Staaten

In einer vergleichsweise besseren Situation standen auch die Angehörigen der so genannten "befreundeten" Staaten, also der Slowakei, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens, Albaniens und Italiens bis zu seiner Kapitulation im Sommer 1943 und für die im Reich arbeitenden Kroaten. Sie hatten als in den meisten Fällen freiwillig gekommene Arbeiter die Möglichkeit, Deutschland nach Ablauf eines Vertragszeitraums zu verlassen. Unter Hinweis auf diese Option war es ihnen möglich, einen gewissen Einfluß auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu nehmen, so daß man bei ihrem Einsatz von Zwangsarbeit nur bedingt reden kann.