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Ende des Projekts „Aufarbeitung der Überlieferung der Treuhandanstalt/BvS“ (2016-2024)

09.02.2024

Erschließung

Übernahme, Bewertung, Erschließung. Schriftgut der Treuhandanstalt (links) und Schriftgut von DDR-Außenhandelsbetrieben (rechts)

Mit der zum 1. Juli 1990 vollzogenen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion musste sich die Planwirtschaft der DDR auf die Markt- und Wettbewerbsbedingungen der Bundesrepublik umstellen. Spätestens zu diesem Stichtag wurden die Betriebe der DDR von Rechts wegen in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Damit begann der Transformationsprozess der DDR-Wirtschaft, bei dem die Treuhandanstalt eine große Rolle spielte, da sie die ehemals volkseigenen Betriebe zu privatisieren oder abzuwickeln hatte. Noch heute sorgt die Tätigkeit dieser Behörde für hitzige Debatten.

Um den Zugang zu den Unterlagen zu beschleunigen, startete im April 2016 das Projekt „Aufarbeitung der Überlieferung der Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“ (BVS). Das Projekt war für acht Archivarinnen und Archivare auf acht Jahre angelegt und endet damit im März 2024.

Aufgrund der Überlieferungszuständigkeit im Bundesarchiv wurde das Projekt auf zwei Teilprojekte aufgeteilt. Während das Verwaltungsschriftgut der Treuhandanstalt/BvS in die Zuständigkeit der Abteilung Bundesrepublik (B) fällt, ist das Referat BE 5 (Bereitstellung DDR) zuständig für das Schriftgut von zentralgeleiteten DDR-Betrieben und Einrichtungen bzw. von den durch die Treuhandanstalt liquidierten Unternehmen.

Überlieferung der Bundesrepublik

Die Treuhandanstalt bzw. BvS hat während ihrer Tätigkeit etwa 45 km Schriftgut bzw. 540.000 Akten produziert, von denen das Bundesarchiv ungefähr 170.000 Akten als Archivgut in den Bestand B 412 übernommen hat. Bisher sind etwa 75.000 Akten archivisch bearbeitet und stehen damit für die Recherche und Nutzung zur Verfügung.

Der Fokus der Überlieferung des Bestands B 412 liegt auf den Akten zu den einzelnen Unternehmen, die von der Treuhandanstalt verwaltet wurden. In der sogenannten Beteiligungsdokumentation wurden zu jedem Unternehmen grundlegende Verträge, Bescheide und weitere gesellschaftlich-rechtlich relevante Dokumente abgelegt. Diese 39.000 Signaturen sind bereits vollständig in der Rechercheanwendung invenio zugänglich. Darüber hinaus wurden weitere 100.000 Unternehmensakten übernommen, in denen zusätzliche Unterlagen wie Bilanzen, Vertragsentwürfe oder Sanierungspläne zu den Unternehmen zusammengeführt wurden. Diese Aktengruppe ist momentan zu 20 Prozent erschlossen und wird fortlaufend weiterbearbeitet.

Es wurden außerdem bereits die Akten der Leitungsebenen der Treuhandanstalt/BvS sowie einzelner Vorstandsbereiche, Direktorate, Niederlassungen und verschiedener Gremien bearbeitet und zugänglich gemacht. Diese Akten geben einen grundlegenden Einblick in die Organisation und Tätigkeit der Treuhandanstalt.

Als weitere wichtige Informationsquelle dienen die Akten der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV), Bestand B 441. Der UKPV oblag von Juni 1990 bis Dezember 2006 die Prüfung der Parteiverbundenheit von Organisationen in den neuen Bundesländern und die Klärung ihrer Vermögensverhältnisse. Die Behörde nahm ihre Aufgaben in enger Abstimmung mit der Treuhandanstalt wahr. Die 200 laufenden Meter Akten bilden ihre Tätigkeiten, ihre interne Struktur und die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ab und stellen damit eine wichtige Ergänzung zur Überlieferung der Treuhandanstalt/BvS und zur wirtschaftlichen Transformation in den neuen Bundesländern dar. Dieser Bestand wurde vollständig im Rahmen des Projekts erschlossen und in invenio recherchierbar.

Überlieferung der DDR

Die Akten der ehemaligen Betriebe der DDR befanden sich im Besitz der Unternehmen, bei denen sie im Falle der Privatisierung grundsätzlich auch verblieben sind. Die Projektgruppe bewertete und erschloss Akten von Betrieben aus dem Bereich Außenhandel, die nach Abschluss der Liquidation durch die Treuhandanstalt/BvS bei einem Archivdienstleister eingelagert wurden, sowie Akten des Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo), Bestand DL 226, die im Rahmen von Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren von Staatsanwaltschaften sichergestellt wurden.

Der Bereich KoKo - formal Teil des Ministeriums für Außenhandel - war mit seinen Betrieben außerhalb der Planwirtschaft tätig, um sein Ziel der Devisenerwirtschaftung für die Volkswirtschaft und für die Partei zu erreichen. Entsprechend breit aufgestellt waren die Firmen und Betriebe, die dem Bereich KoKo unterstellt waren oder mit ihm kooperiert haben.

Aufgrund des zu erwartenden Interesses der Provenienzforschung an Unterlagen zu Kulturgutentziehungen in der SBZ/DDR startete die Projektgruppe mit der Bearbeitung der Akten der Kunst und Antiquitäten GmbH (KuA), Bestand DL 210. Bei der Bearbeitung wurden Anregungen des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste aufgenommen und eine Tiefenerschließung mit Blick auf Bedürfnisse der Provenienzforschung vorgenommen. Ergänzend dazu bearbeitete die Projektgruppe auch die Unterlagen des Staatlichen Kunsthandels der DDR (Bestand DR 144) und die der Tresorverwaltung des Ministeriums der Finanzen (Bestand DN 1).

Insgesamt wurden während der Projektlaufzeit im Referat BE 5 41 Bestände bewertet, davon sind bereits 32 Bestände mit einem Umfang von 572 laufenden Meter über die Rechercheanwendung invenio des Bundesarchivs recherchierbar. Die Betriebe des Bereichs KoKo wurden unter der Bestandssignatur DL 210 zusammengefasst, die Außenhandelsbetriebe finden sich unter den Signaturen DL 227 bis DL 243.

Während der Bearbeitung entstand neben den Findbüchern ein umfangreiches Lexikon der Organe und Institutionen, die im weitesten Sinne dem Bereich DDR-Außenhandel zugerechnet werden können. Dieses interne Hilfsmittel kann bei Interesse im Referat BE 5 eingesehen werden. Das Lexikon umfasst etwa 800 bis 900 Bezeichnungen. Dazu gehören neben GmbHs und VEB in der DDR auch 300 'Gemischte Gesellschaften' und Anstalten im kapitalistischen Ausland, die von Außenhandelsbetrieben, Kombinaten und Betrieben der DDR ganz oder teilweise mit Kapital ausgestattet wurden sowie Einrichtungen zu Verkehr, Ausbildung und Handel.

Herausforderungen der Projektarbeit

Sowohl bei der Übernahme als auch bei der Bewertung und Erschließung stand das Projekt vor zahlreichen Herausforderungen. Die Aktenstruktur und Vorabinformationen unterschieden sich in den einzelnen Beständen stark.

Die Akten der UKPV wurden strikt nach einem Aktenplan geführt. Die Unterlagen, die bereits 2007 ins Bundesarchiv abgegeben worden sind, wurden im Zuge der Erschließung bewertet. Bei der Treuhandanstalt/BvS war die Aktenführung unstrukturiert, dazu kamen die zahlreichen Umorganisationen innerhalb der Behörde und die häufigen Personalwechsel, was zu vielen Redundanzen innerhalb des Schriftguts führte und die Bewertung und Erschließung erschwerte. Durch Analyse von Listen der angebotenen Akten sowie zahlreiche Stichproben wurde 170.000 potentiell archivwürdige Akten identifiziert, die das Bundesarchiv übernommen hat. Einzelne Akten werden weiterhin im Rahmen der Erschließung kassiert.

Zu den Außenhandelsbetrieben wurden zwar ebenfalls Abgabeverzeichnisse angeboten, diese waren aber wenig aussagekräftig. Weil eine Vor-Ort-Bewertung beim Archivdienstleister nicht möglich war, wurden die Unterlagen 2022 und 2023 etappenweise ins Bundesarchiv geliefert und im ersten Schritt vorbewertet. Der Inhalt von 5.800 Umzugskartons, der oftmals stark verunordnet war, musste hierzu gesichtet und umgepackt werden. Im Zuge dieser ersten Vorbewertung wurden durchschnittlich 90 Prozent der Unterlagen kassiert. Hierbei handelte es sich überwiegend um Buchhaltungsschriftgut und Lieferpapiere, die keinen historischen Wert hatten. Im Zuge der anschließenden Erschließung wurden die Unterlagen nochmal feinbewertet. Der mangelnde Ordnungszustand und unzureichende oder nicht vorhandene Aktentitel machten eine zeitintensive Neuerschließung der übernommenen Unterlagen erforderlich.

Benutzungsschwerpunkte

Die von der Projektgruppe bearbeiteten Bestände bilden den Transformationsprozess der ostdeutschen Wirtschaft nach 1990 ab und ergänzen die Unternehmensgeschichte einzelner ehemaliger Betriebe und Einrichtungen der DDR. Die Geschichte des DDR-Außenhandels wird dabei exemplarisch von seinen Anfängen in den 1950er Jahren dokumentiert. Die Bestände des DDR-Außenhandels geben darüber hinaus einen Einblick in die Praxis des Außenhandels mit dem sozialistischen und nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet sowie den innerdeutschen Handel.

Obwohl die Bewertung und Erschließung des übernommenen Schriftguts noch nicht abgeschlossen sind, werden bereits viele Akten rege genutzt. So bildeten insbesondere die Akten des Bestands B 412 eine wesentliche Grundlage für das großangelegte Forschungsprojekt „Zur Geschichte der Treuhandanstalt 1989/90 bis 1994“ des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), das die Treuhandanstalt aus verschiedenen Perspektiven beleuchtete und neue Erkenntnisse förderte. Mit der intensiven Erschließung der Akten der Kunst und Antiquitäten GmbH bekam die Forschung zu Kulturgutentziehungen in der DDR deutlichen Aufwind, vor allem aber ermöglicht sie die Recherche zu der Herkunft und Geschichte von einzelnen Kunstobjekten.

Alle genannten Bestände werden nicht nur von der wissenschaftlichen Forschung genutzt, sondern die Akten werden auch für journalistische und private Recherchen ausgewertet.