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„100 Jahre Frauenwahlrecht“ - Vortrag von Professorin Sabine Liebig in der Bundesarchiv-Erinnerungsstätte

Anlässlich des Internationalen Frauentages hatte die Bundesarchiv-Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte zum Vortrag „100 Jahre Frauenwahlrecht“ von Prof. Dr. Sabine Liebig, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, eingeladen. Am Beispiel berühmter Frauenrechtlerinnen zeichnete sie den bis heute nicht abgeschlossenen Kampf für Gleichberechtigung und Chancengleicheit nach:

Nach ersten Impulsen während der Französischen Revolution, die allerdings bei den meisten männlichen Revolutionären auf wenig Zuspruch stießen, gewann der weltweite Kampf der Frauen für eine Stärkung ihrer Rechte, für den Zugang zu Bildung, Berufen und Wahlen im 19. Jahrhundert an Schlagkraft. Die (meist männlichen) Argumente gegen das Frauenwahlrecht waren immer dieselben – die angeblich geringere Intelligenz und größere Irrationalität der Frauen sowie der drohende Verlust ihrer „natürlichen“ Weiblichkeit.

In Deutschland setzte sich Hedwig Dohms bissige Streitschrift „Was die Pastoren über Frauen denken“ 1872 mit derartigen Vorurteilen auseinander. Die Autorin stellte treffsicher fest: „Die Überlegenheit der Frau nimmt der Mann fast immer als persönliche Beleidigung auf“ und kam zu dem Schluss „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie thun.“ Die Sozialdemokratin Lily Braun spottete 1894 „...Ich kann freilich nicht einsehen, dass eine Frau, die ihren Zettel in die Wahlurne wirft, die ‚Weiblichkeit‘ mehr gefährdet als eine andere, die Steine karrt.“ Tatsächlich nahm in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg nur die SPD das Frauenwahlrecht in ihr Programm auf. Dagegen standen Organisationen wie der 1912 gegründete „Deutsche Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation“ unter dem Motto „Dem Mann der Staat, der Frau die Familie“.

Allerdings war die Frauenbewegung zwar international vernetzt, doch keineswegs geschlossen. Neben „Gemäßigten“, die meinten, sich das Frauenwahlrecht „verdienen“ zu müssen, gab es „Radikale“, die es als Menschenrecht einforderten. In England kam es zu handfesten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die proletarischen Frauen, zu deren Sprecherinnen Clara Zetkin gehörte, waren häufig nicht auf einer Linie mit bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, von denen einige das Klassenwahlrecht befürworteten.

Während international Neuseeland (1893) und in Europa Finnland (1906) bei der Einführung des Frauenwahlrechts vorangingen, brauchte es in Deutschland laut Frau Liebig den Zusammenbruch des Kaiserreiches und die Forderung der alliierten Siegermächte nach einer Demokratisierung, damit am 19. Januar 1919 endlich auch im Deutschen Reich Frauen wählen und gewählt werden konnten. Endgültig festgeschrieben wurde das Frauenwahlrecht in Artikel 22 der Weimarer Verfassung, auch wenn die Formulierung „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte…“ Raum für Einschränkungen ließ.

In Baden hatten die Frauen schon zwei Wochen zuvor gewählt. Hier setzte die Abgeordnete Marianne Weber durch, dass alle Staatsbürger „ohne Unterschied des Geschlechts“, also ohne Möglichkeit einer späteren Einschränkung wahlberechtigt waren.

Auf Antrag der DDP-Abgeordneten Marie Baum definierte die Weimarer Verfassung die Ehe als auf der Gleichheit der Geschlechter basierend. Auch das „Beamtinnenzölibat“ wurde 1919 beseitigt, demzufolge diese im Falle ihrer Heirat aus dem Berufsleben ausscheiden mussten und meist auch die Pensionsansprüche verloren. Frau Liebig betonte allerdings, dass der juristischen Gleichberechtigung der Frauen die Tatsache gegenüberstand, dass Politik, Wirtschaft und Verwaltung weiterhin von Männern dominiert wurden. Das Wirkungsfeld der politisch aktiven Frauen sei meist auf soziale Aufgaben beschränkt geblieben, die den angeblich „typisch weiblichen Fähigkeiten“ entsprachen. Die Zahl der in den politischen Gremien aktiven Frauen sank in den folgenden Jahren kontinuierlich. Den Anteil, den weibliche Abgeordnete 1919 im Reichstag stellten, erreichte der Deutsche Bundestag erst in den 1970er Jahren.

Die meisten Länder Europas führten erst nach dem Zweiten Weltkrieg das Frauenwahlrecht ein. Wie in Deutschland sei dies mit einer Demokratisierung für die gesamte Bevölkerung einhergegangen, konstatierte Frau Liebig, was noch einmal die Bedeutung des Kampfes für das Frauenwahlrecht unterstreiche. Angesichts antifeministischer Parolen von „Gendergedöhns“ oder „Gendermainstreaming ist intellektueller Wohlstandsmüll“ sei es deshalb umso wichtiger, sich gegen diejenigen zu wehren, die die Uhr zurückdrehen und die erreichten demokratischen Errungenschaften zerstören wollten.