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Briefmarkenausgabe zur Eröffnung der Nationalversammlung 1919

Galerie zur Briefmarkenausgabe der deutschen Reichspost anlässlich der Eröffnung der Weimarer Nationalversammlung am 1. Juli 1919

  • Weimarer Republik (1918-1933)

Hintergrundinformationen

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Bedrohung durch Fallschirm oder Maurerkelle
Zur Briefmarkenausgabe der deutschen Reichspost anlässlich der Eröffnung der Weimarer Nationalversammlung am 1. Juli 1919

Anlässlich der Eröffnung der Weimarer Nationalversammlung am 1. Juli 1919 ruft das Reichspostministerium am Anfang des Jahres 1919 in einem Preisausschreiben „alle Künstler deutscher Zunge“i dazu auf, Vorschläge für einen Satz Sonderbriefmarken einzureichen. Beabsichtigt ist, drei Briefmarken mit den Werten 10, 15 und 25 Pfennig herauszugeben. Bedingung: Die Marken müssen die Inschrift „Deutsche Nationalversammlung 1919“ tragen und sollen 22 mal 28 mm groß sein. Es folgt eine ganze Reihe weiterer Vorgaben, wie etwa, dass die „Entwürfe mit klarem Strich“ii und zur Massenherstellung im Buchdruckverfahren geeignet sein müssen. Zudem ist Eile geboten, schon um den 15. März ist eine Entscheidung der Preisgerichtes vorgesehen. Ausgelobt für die besten Vorschläge werden insgesamt 25.000 Reichsmark.

Wettbewerbe für die Gestaltung von Briefmarken wurden in der Öffentlichkeit mit viel Interesse wahrgenommen. Bekannte Künstler, wie z.B. Thomas Theodor Heine, der „Erfinder“ der roten „Simplicissimus“-Bulldoggeiii oder der Berliner Architekt Hermann Muthesius beteiligten sich daran; Theodor Heuss wirkte zeitweise in einem Preisgericht mit.iv Der bekannte Büromittelhersteller Friedrich Soennecken, Preußischer Kommerzienrat, machte sich sogar Gedanken darum, wieviel Zeit dem Volk verloren ginge, wenn es nicht wüsste, wie herum man eine Briefmarke auf einen Brief klebt und sandte im Oktober 1918 einen ernst gemeinten Markenentwurf an das Reichspostamt. v

Im hier vorliegenden Preisausschreibungsverfahren gibt es in dessen Verlauf eine Menge Ärger mit Württemberg und Bayern, denen die Zeitspanne bis zur Vorlage der Entwürfe in Berlin zu kurz erscheint, viele Mitbewerber fühlen sich wegen des Zeitproblems übervorteilt. Anderen ist die Besetzung des Preisgerichtes nicht ausgewogen genug. Die „Internationale Vereinigung der Expressionisten, Kubisten und Futuristen“ z.B. protestiert gegen die Verweigerung des Ministeriums, eines ihrer Mitglieder in das Preisgericht zu nehmen.vi

Am Ende liegen der 14-köpfigen Jury, der solch namhafte Mitglieder wie Max Friedländer, Walter Gropius, Max Pechstein, Otto Nuschke, angehören, 4.682 Entwürfevii vor. Am 24. März fällt das Preisgericht seinen Spruch: Gewinner sind die Markengestalter Ernst Böhm aus (Berlin-) Charlottenburg, Georg A. Matheyviii aus Berlin und der Stuttgarter Hugo Frank. Mit Schreiben vom 10. April übersendet Reichspostminister Giesberts dem Präsidenten des Reichsministeriums, Phillipp Scheidemann und den anderen Reichsministern „die photographischen Wiedergaben der preisgekrönten Entwürfe“ix.

Am 25. Mai fragt der Herausgeber des Michel-Briefmarken-Kataloges, Hugo Michel, beim Reichspostministerium an, wann mit der Herausgabe der Marken zu rechnen sei.x

Am 1. Juli 1919 kommen die Marken an die Postschalter. Zunächst werden die Werte zu 10, 15 und 25 Pfennig aufgelegt, später, ab Februar 1920, kommt noch ein 30-Pfennig Wert nach dem 25-Pfennig-Muster hinzu.xi Gedruckt wurde im Steindruck/Buchdruck, die Zähnung beträgt K 13:13 ¾ xii, umschrieben wird das Markenbild im Michel-Katalog mit „Sinnbildliche Darstellungen“. Es gibt zudem eine „Offizielle Postkarte“ und einen Sonderstempel.

Die Resonanz in der Öffentlichkeit ist ernüchternd. Gerügt wird zuvorderst, dass sich die Reichsregierung über die Herausgabe nicht mit dem Parlament abgestimmt hatte. In der Anfrage Nr. 187 der Nationalversammlung vom 4. Juli 1919xiii geben die Abgeordneten Rießer und Weidtmann ein niederschmetterndes Urteil über die Marken ab und spotten über deren „überaus geschmacklose Ausführung“: „Die weiß-rote 10 Pf-Marke zeigt einen roten Baum, der bei gutem Willen des Beschauers die Absicht erkennen läßt, einen roten Eichbaum, also eine seltene Naturerscheinung, vorzustellen; die braun-blaue 15 Pf-Marke bietet die ebenso merkwürdige Erscheinung blauer Ähren oder irgendwelcher blauer Zweige, während die grün-weiß-rote 25 Pf-Marke in rotem Grund an Stelle der Germaniaxiv das Bild eines niederknieenden nackten Jünglings aufweist, der ein entweder Backsteine oder Brot enthaltendes Brett auf dem Haupte trägt, während sein linker Fuß von einem niederstürzenden Fallschirm oder einer Maurerkelle bedroht wird.“xv

 „Wir fragen an“, heißt es:
„...
1. ob vor Fertigstellung dieser Marken, die wohl nur das Inland erfreuen sollen, ein Wettbewerb unter Künstlern ausgeschrieben worden ist;
2. wielange diese Marken im inländischen Umlauf bleiben sollen;
3. ob beabsichtigt ist, auch für die übrigen Postwertzeichen neue Marken ähnlicher Art herauszugeben.“xvi

In der 54. Sitzung der Versammlung, am 11. Juli 1919, versucht der Geheime Baurat und Kommissar der Reichsregierung, Lerche, stellvertretend für das Postministerium die Fragen der Antragsteller zu beantworten. In seiner mehrfach von Zurufen und Heiterkeit unterbrochenen Rede stellt er klar, dass es einen Wettbewerb gegeben hat und benennt die Zusammensetzung des Preisgerichtes. Des weiteren erklärt er, dass die Marken „so lange ... in Betrieb zu halten [sind], bis neue Marken als Ersatz für die Germaniareihe verausgabt werden...(Zuruf: Markenersatz! Heiterkeit)..“xvii Schlussendlich sollen laut Lerche eben jene neuen Marken „auf Grund eines neuen Ausschreibens geschaffen werden...(Zurufe: Aber schnell !..)“xviii

Die neuen Briefmarken werden nur im deutschen Inland genutzt und sind bis 31. Oktober 1922 gültig. Einen besonderen philatelistischen Wert haben sie - gemessen an ihrer kurzzeitigen parlamentarischen Bedeutung - nie erringen können. Nicht nur unter Sammlern bewegt sich ihr monetärer Wert im einstelligen Euro-Bereich. In äußerst turbulenter Zeit entstanden, sind sie dennoch ein kleines Stück deutscher Geschichte.

Karl-Heinz Friedrich
11.03.2011

i BArch, R 4701/7877, Bl. 107

ii BArch, R 4701/7878, Bl. 6

iii BArch, R 4701/7879, Bl. 64

iv BArch, R 4701/7879, Bl. 293

v BArch, R 4701/7877, Bl. 24 u. 25

vi BArch, R 4701/7877, Bl. 264, 265

vii BArch, R 4701/7877, Bl. 239

viii In den beigezogenen archivalischen Quellen ist die Schreibweise Mathey, im Michel-Katalog Matthey, richtig ist: Mathéy, d.A.

ix BArch, R 4701/7878, Bl. 30 ff.

x der „Michel“ ist das deutsche Standardwerk für die Katalogisierung und Bewertung von Briefmarken und anderen postalischen Belegen, d.A.

xi die hier genannten Briefmarken tragen die Michel-Katalog-Nummern 107 bis 110.

xii Anzahl der „Zähne“ an den Seiten einer Briefmarke, i.d.R. nur entschlüsselbar mit einem sog. „Zähnungsschlüssel“, d.A.

xiii Nationalversammlung, Protokoll der 54. Sitzung, Freitag, den 11. Juli 1919, hier in: R 4701/7878, Bl.372 ff.

xiv die damals üblichen Freimarken trugen seit zwanzig Jahren ein Bildnis des Germania mit Kaiserkrone

nach einem Bild der Schauspielerin Anna Führing (1866-1929), d.A.

xv wie Fußnote 6

xvi ebd.

xvii ebd.

xviii ebd.