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"Ein sehr, sehr guter Rat"

Ein Streit zwischen Fritz Todt und Piero Puricelli um die Urheberschaft an den Autobahnen führte fast zu einem Eklat zwischen Hitler und Mussolini

  • Nationalsozialismus (1933-1945)

Hintergrundinformationen

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"Ein sehr, sehr guter Rat" Fritz Todt (1891-1942), der "Generalinspektor für das Deutsche Straßenwesen", nationalsozialistischer Karriere-Senkrechtstarter und glühender Verehrer Hitlers, drang schon bald und immer wieder auf die propagandistische Verwertung der deutschen Autobahnen als "Straßen des Führers". Eine historische Lüge, wie man weiß.

Dass er dabei auch nicht vor einer Konfrontation mit Senator Piero Puricelli zurückscheute, dem einflussreichen italienischen "Autobahnpromotor" und Bauunternehmer, gleichsam fanatisch-kadavergehorsamer Untertan seines "Duce", und es beide bis an den Rand einer Konfrontation zwischen Hitler und Mussolini trieben, soll nachfolgend anhand eines Aktenfundes im Bestand R 4601 Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen beschrieben werden (Vgl. BArch, R 4601/1107, Bl. 184-191).

Todt hatte Anfang Juli 1937 von Willy Hof, einem der frühen Verfechter und ausgezeichneten Kenner der Autobahnidee in Deutschland, ein Manuskript von Kurt Kaftan mit dem Titel "Autostraßen im Europa" erhalten. Dieses Manuskript, auf Kaftans Schrift "Europa braucht Autobahnen" basierend und ins Italienische übersetzt, hatte Hof auch an Puricelli in Mailand gesandt.

Sowohl Todt als auch Puricelli, sind empört über Kaftans Schrift, beiden gingen augenscheinlich die Positionen in der Schrift Kaftans zu weit. Der Generalinspektor und der Senator reklamieren in dem nun folgenden Schriftverkehr, ihren und den Anspruch ihrer "Führer" auf die geistige Urheberschaft an den Autobahnen.

In verschiedenen seiner Schriften hat Kaftan immer wieder die italienische Vorreiterrolle und die der HAFRABA in Deutschland betont, was Todt natürlich ein Dorn im Auge war. Der 1926 gegründete Verein "HAFRABA", dessen Name sich aus der geplanten Streckenführung für eine Autobahn von Hamburg (ab 1928 Hansestädte) über Frankfurt nach Basel ableitete, stellte sich zum Ziel "im Rahmen einer Vorbereitungsgesellschaft alle Arbeiten zu leisten, welche in technischer, wirtschaftlicher, finanzieller, verkehrspolitischer und propagandistischer Hinsicht zur Prüfung der Durchführbarkeit und Vorbereitung der Ausführung der Autostraße Hansestädte-Frankfurt-Basel geeignet und erforderlich sind." Der Verein bestand bis zum Jahre 1933 und ging dann über in die "Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e. V." (GEZUVOR). Die schon weit fortgeschrittenen Planungen und Studien der HAFRABA für ein Autobahnnetz in Deutschland wurden kurzerhand übernommen. Schon zu dieser Zeit maßregelte Todt, verbunden mit einer offenen Drohung, den Schriftsteller Kaftan: "Die Reichsautobahnen, wie wir sie jetzt bauen, haben nicht als von der 'HAFRABA' vorbereitet zu gelten, sondern einzig und allein als 'Die Straßen Adolf Hitlers'" (Vgl.BArch, R 4602/729, Bl. 79, Aufzeichnungen von Theodor Krebs).

Andererseits galt Kaftan auch als Kritiker von Puricellis Planungen und bezeichnete dessen im Jahre 1935 veröffentlichte Fassung eines internationalen Autobahnnetzes auf Grund des nur peripher berücksichtigten Nordeuropa als unausgegoren. Indes wird Kaftans aus heutiger Sicht von erstaunlicher Weitsichtigkeit geprägter Artikel zu einem europäischen Autobahnnetz von Todt und Puricelli nicht einmal ansatzweise einer sachlichen Bewertung unterzogen. Auch Hof bezeichnet ihn als "lausige Schrift". Am 15. Oktober 1937 schreibt Todt an Willy Hof, dass er sich nicht vorstellen kann, "dass Herr Puricelli die Arbeit tatsächlich von sich aus veröffentlichen lassen will." Und dann: "Unmöglich bleibt aber auf alle Fälle die Darstellung, als ob die deutschen Autobahnen die Verwirklichung eines Puricellischen Projektes gewesen wären. Der Führer hat bereits 1923 in Landsberg seine grundlegenden Gedanken über den Bau deutscher Autobahnen dargelegt [..]."

Auf welchem Wege nun dieser Brief in die Hände Puricellis gelangt ist, wird nicht deutlich, fest steht aber, er ist es. Denn Puricelli schreibt an Hof am 3. Dezember: "Sehr geehrter Herr Hof ! Ich habe den an Sie gerichteten Brief des Herrn Generalinspektor Todt vom 15. Oktober 1937 genau gelesen. "Vier Seiten lang lässt der Italiener sich nun daran aus, die Dinge aus seiner Sicht klar zustellen. Mit der Unterstützung Mussolinis habe ich die erste Autostraße erdacht, studiert und ausgeführt - und zwar im Jahre 1922 [..]."

Puricelli erläutert seine Beteiligung an der 1926 gegründeten HAFRABA ebenso wie seine persönlichen Gespräche mit Hitler 1933, seine Vorreiterrolle bei den ersten Internationalen Straßenkongressen, sein Zusammentreffen mit Technikern und Direktoren von Reichsbahn und Autobahn und stellt fest: "Das europäische Straßennetz ist allein von mir nach den Wünschen der Vertreter der einzelnen Staaten entworfen  worden [..]. Ich kann aber nicht erlauben, dass mir die Idee, mein geistiges Eigentum, genommen oder abgestritten wird..[..]. Dies ist alles geschehen, bevor Herr Todt kam [..].".

Kaftan selbst wurde daraufhin offenbar von Todt und Puricelli unter Druck gesetzt, die aus ihrer Sicht "großen" Fehler in seinem Manuskript zu beseitigen. Anderenfalls wollte Puricelli mit einer "Publikation den wahren Hergang" schildern. "Ich nehme an, dass Herrn Dr. Todt ich selbst einen Gefallen tun werde, wenn ich damit zur Kenntnis bringe, was in der Autostraßenplanung und im Autobahnenbau alles geleistet wurde, bevor er die Ehre und das Glück hatte, vom Führer an die erste Stelle gesetzt zu werden."

Die offen ausgesprochene Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht. Willy Hof gelingt es, Puricelli von seinem Vorhaben abzubringen. Nur mit Unterstützung "gemeinsamer Freunde" sei es ihm gelungen, "ihn (Puricelli, d.A.) davon abzuhalten, s. E. dem Duce die Angelegenheit zu unterbreiten." "Ich kenne nun die Autobahnvorgänge seit 1921 ganz genau und insbesondere in Italien. Ich kenne auch die Mentalität des Duce [..]."schreibt er an Todt am 29. Dezember 1937. Hof beschwört Todt, auf Puricelli zuzugehen. "Wenn ich Ihnen einen sehr, sehr guten Rat geben darf, versuchen Sie direkt mit Herrn Puricelli klar zu kommen. Geht er zum Duce, und das tut er, wenn die lausige Kaftansche Schrift nicht geändert oder zurückgenommen wird, dann garantiere ich Ihnen, gibt es eine direkte Beschwerde an den Führer" und macht an anderer Stelle noch einmal klar, "[..]wie eng Herr Puricelli in Rom mit seinem Duce verbunden ist."

Nun, es kam nicht dazu. Todt und Puricelli näherten sich schon bald wieder einander an. Bereits am 20. Januar 1938 lud Todt den italienischen Senator nach Berlin zu den Feierlichkeiten aus Anlass des 5. Jahrestages der Machtergreifung Hitlers ein. Puricelli schrieb ihm allerdings, vielleicht etwas pikiert, zurück, dass es ihm wegen seiner Verpflichtungen nicht möglich sei, der Feier beizuwohnen. Er hoffe aber im Laufe der nächsten Monate nach Berlin kommen zu können: "Mit bestem Gruß Ihr Puricelli."

Im Übrigen kannte man sich schon sehr lange. Piero Puricelli (1883-1951) gründete schon 1922 mit staatlicher Unterstützung eine Autobahngesellschaft, um ein ganzes Netz von Nur-Kraftwagen-Straßen ("Autostrade") zu realisieren. Er sammelte seine ersten Erfahrungen im Betonstraßenbau 1921 in den USA. Bereits im Jahre 1918 hatte er dem italienischen Automobilclub TCI ein Forschungsinstitut für Straßenbau finanziert, dessen Finanzierung später von privaten Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen getragen wurde. Einen Plan für eine Autobahn von Mailand zu den norditalienischen Seen hatte er bereits im Jahre 1922 dem TCI vorgelegt. Kurz nach der Eroberung der Macht durch Mussolini mit seinem Marsch auf Rom am 28.10.1922 besprach Puricelli mit Mussolini den Plan, und er erhielt im Dezember die Zustimmung der Regierung, die am 17.12.1922 als eine Rechtsverordnung umgesetzt wird. Die Bauarbeiten starteten im Juni 1923. In den 20er Jahren hatte Puricelli eine Autobahn Berlin-München-Rom vorgeschlagen. 1923 lernte er Willy Hof (1880-1958) kennen, 1926 Robert Otzen (1872-1934), zusammen saßen sie im Vorstand des 1926 gegründeten Vereins HAFRABA; Otzen als Vorsitzender, Puricelli als korrespondierendes Mitglied. Willy Hof war zunächst HAFRABA-Geschäftsführer, nach deren Umwandlung zur "Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V." (GEZUVOR) bis 1935 ihr Vorsitzender und schied nicht ohne Groll aus der GEZUVOR aus (Vgl. BArch, R 43 ll/1030 fol. 54 f. und R 43 ll/1029 fol. 39. Das könnte die zwielichtige Lancierung des Todtschen Briefes an Puricelli in der hier beschriebenen Sache zumindest zum Teil erklären, d.A.)

Am 6. April 1933 traf Hof erstmals mit Hitler zusammen und stellte ihm die von der HAFRABA erarbeiteten Pläne vor. Kaftan bezeichnete Hof einmal (in: Die Autobahn 7/1933) als "den Frontkämpfer". In Ober-Ramstadt, wo Hof 1956 starb, wird er als der "Vater der Autobahnen" bezeichnet. Willy Hof hatte noch bis 1936 einen Direktorenposten in der Gesellschaft Reichsautobahnen, zur Zeit der geschilderten Ereignisse keinen offiziellen Posten bei den Reichsautobahnen mehr inne. Die Rolle Todts, des unter Hitler aufgestiegenen Multifunktionärs, ist hinreichend bekannt. Der immer etwas unbequeme Kurt Gustav Kaftan war ab 1928 Pressereferent der HAFRABA und Hauptschriftleiter der ab Oktober 1928 erschienenen Zeitschrift "HAFRABA", später "Die Autobahn". Kaftan schrieb 1955 seine Memoiren in einem Buch nieder. Er nannte es: "Der Kampf um die Autobahnen". Es ist heute in allen Buchhandlungen und Antiquariaten vergriffen.

Karl-Heinz Friedrich