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2. Allgemeine Lage.
Der Reichskanzler führte aus, daß die politische Situation ungeklärt sei und daß er eine baldige Entscheidung wünsche8. Deshalb habe er vor dem Ältestenausschuß des Reichstags erklären lassen, daß er bis zum 22. November eine Entscheidung erwarte9.
Wenn die Sozialdemokraten ein Mißtrauensvotum einbrächten, wolle er die Vertrauensfrage stellen10. Über ein deutschnationales oder ein kommunistisches Mißtrauensvotum wolle er hinweggehen11.
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Der am 22.11.23 eingebrachte Mißtrauensantrag der SPD gründete sich auf die unterschiedliche Behandlung Sachsen/Thüringens und Bayerns durch die RReg. (RT-Drucks. Nr. 6349, Bd. 380). Am 23.11.23 brachten Scholz, Marx, Erkelenz u. Genossen die Vertrauenserklärung für das Kabinett ein (RT-Bd. 380, Drucks. Nr. 6352).
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Im deutschnationalen Antrag v. 22.11.23 sollte der RT der RReg. das Vertrauen entziehen; im komm. Antrag ebenfalls vom 22.11.23 wurde der RReg. das Mißtrauen ausgesprochen (RT-Drucks. 6344, 6346, Bd. 380).
[1163] Der Reichswehrminister stellte die widerspruchslose Zustimmung des Kabinetts zu dieser Auffassung des Reichskanzlers fest.
Nachdem der Reichskanzler sodann noch kurze Mitteilungen über die von ihm heute im Reichstag zu haltende Rede gemacht hatte12, wurde die Sitzung geschlossen.
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S. die Rede Stresemanns v. 22.11.23 in RT-Bd. 361, S. 12180 ff. Rückblickend schrieb Erich Koch-Weser am 16.5.24: „Stresemanns Sturz erfolgte in offener Feldschlacht. Er benahm sich würdiger im Sterben als im Leben. Glänzende Schlußrede und Markierung äußerster Festigkeit“ (BA: NL Koch-Weser 30, Bl. 19). Vgl. Anhang Nr. 1 mit Anm. 122.