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Streiklage.
Minister Severing berichtet über den Stand des Streiks der Elektrizitätsarbeiter, der Straßenbahner und Gemeindearbeiter1. Er schlägt vor, bei negativer Entscheidung in den morgen bevorstehenden Verhandlungen2 morgen nachmittag die Technische Nothilfe einzusetzen3, da auf die Dauer die bisherige Notversorgung für Berlin nicht ausreiche und der Führer des Streiks (Sylt) Sabotagedrohungen ausgesprochen habe.
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Es handelte sich hier um den Berliner Elektrizitätsarbeiterstreik vom November 1920. Zum Beginn des Streiks und zum bisherigen Streikverlauf s. Schultheß 1920, I, S. 291/92.
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Am 10. 11. sollten Verhandlungen mit den streikenden Elektrizitätsarbeitern stattfinden (Vorwärts Nr. 554 v. 10.11.1920).
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Die „Technische Nothilfe“ war eine im Jahre 1919 gegründete freiwillige Organisation, die dem Staat als Hilfseinrichtung zur Beseitigung von öffentlichen Notständen in lebenswichtigen Betrieben diente.
Es wurde beschlossen, über diesen Vorschlag und seine Durchführung eine Unterkommission einzusetzen. Gegen Sylt soll ein Strafverfahren eingeleitet werden. Die Presse soll über die Verordnung des Reichspräsidenten4, deren Veröffentlichung morgen bevorsteht, heute nachmittag in großem Stil unterrichtet werden.
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Zu dieser VO des RPräs. vom 10.11.1920 s. RGBl. 1920, S. 1865 f. In dieser VO, die vom RPräs. auf Grund des Art. 48 der RV erlassen wurde, wurde festgelegt, daß ein Streik in den lebenswichtigen Betrieben für Gas, Wasser und Elektrizität nur dann zulässig sein sollte, wenn der zuständige Schlichtungsausschuß einen Schiedsspruch gefällt habe und seit der Verkündung des Schiedsspruches mindestens drei Tage vergangen seien. Verstöße der Beschäftigten gegen diese Bestimmungen wurden mit harten Strafen belegt (§ 1).
Im Falle des Streiks war der RIM berechtigt, die Notstandsversorgung zu sichern (§ 2).
Die VO trat mit dem Tage ihres Erscheinens in Kraft (§ 4).