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Die Kabinettsbildung
Als der parteilose Finanzminister Luther am 9. Januar 1925 den inoffiziellen Sondierungsauftrag des Reichspräsidenten zur Bildung einer neuen Reichsregierung übernahm, sah er sich vor eine Aufgabe gestellt, deren Bewältigung in der seit Monaten schwelenden Kabinettskrise äußerst dringend und schwierig erscheinen mußte. Vor allem für das Kernproblem der Krise, für die von der DVP beharrlich geforderte Einbeziehung der Deutschnationalen in das Regierungsbündnis, hatte sich nach überaus langwierigen Koalitionsverhandlungen noch immer keine gangbare Lösung abgezeichnet. Schon im Oktober 1924 waren von Reichskanzler Marx Versuche einer derartigen Basiserweiterung unternommen worden, wobei zunächst die Bildung eines Kabinetts der sogenannten „Volksgemeinschaft“ (SPD bis DNVP), dann die Ergänzung der bestehenden Minderheitsregierung (Zentrum, DVP, DDP), durch deutschnationale Minister zur Debatte gestanden hatte. Seine Bemühungen waren jedoch, soweit sie das Projekt der „Volksgemeinschaft“ betrafen, an den ideologischen und programmatischen Gegensätzen zwischen SPD und DNVP gescheitert und bei den Verhandlungen über die Rechtserweiterung ebenfalls völlig ergebnislos geblieben, weil es nicht gelungen war, die vom Zentrum dringend gewünschte Koalitionsbeteiligung der Demokraten zu erreichen. Diese hatten die Zusammenarbeit mit den Deutschnationalen entschieden abgelehnt und waren außerdem nicht bereit gewesen, einer Rechtsregierung wohlwollende Neutralität in Aussicht zu stellen. So war das Parlament am 20. Oktober wegen Handlungsunfähigkeit der Reichsregierung aufgelöst worden. Das Ergebnis seiner Neuwahl vom 7. Dezember eröffnete jedoch keineswegs günstigere Chancen der Regierungsbildung. Zwar hätten nach der Mandatsverteilung1 wie zuvor ausreichende Mehrheiten sowohl der Großen Koalition als auch einer um die DNVP erweiterten Bürgerkoalition zur Verfügung gestanden, aber die weiterhin starre Frontenbildung einiger Fraktionen blockierte diese Möglichkeiten völlig. Von entscheidender Bedeutung war wiederum die Haltung der DVP, die sich gegen die Große Koalition[XX] und erneut sehr nachdrücklich für die Beteiligung der Deutschnationalen aussprach. Ihr Vorsitzender Gustav Stresemann erklärte am 25. Dezember im „Hamburger Fremdenblatt“: „Wir brauchen außen- und innenpolitisch die Erziehung des deutschen Volkes zur Erkenntnis unserer realen Lage. Ich sehe kein besseres Mittel dieser Erziehung, als wenn man loyal die Deutschnationalen einlüde, ihren Anteil an der Verantwortung zu übernehmen. Sie bergen unzweifelhaft auch Kräfte in sich, die für die Regierung des Staates eine Bereicherung sein würden.“2 Demgegenüber plädierten die Sozialdemokraten für die Weimarer Koalition, während das Zentrum, das wenige Tage nach der Reichstagswahl beschlossen hatte, an keiner ausgesprochenen Rechtsregierung teilzunehmen, seit Anfang Januar 1925 einer überparteilichen Kabinettsbildung zuzuneigen begann – ein Gedanke, den Marx, ehe er seinen Auftrag zur Regierungsbildung am 9. Januar endgültig zurückgab, in Unterhandlungen unter anderem mit deutschnationalen Politikern zu verwirklichen suchte. Die Demokraten schließlich befürworteten ein „Minderheitskabinett“ und äußerten starken Bedenken gegen die überparteiliche Lösung. Ihr Fraktionsführer Koch-Weser wollte schon am 3. Januar einen rettenden Ausweg aus dem Koalitionsdilemma nur noch darin sehen, daß der Reichspräsident „zunächst einen Sozialdemokraten und dann nötigenfalls einen Deutschnationalen mit der Kabinettsbildung betraue“. Von Stegerwald wurde ihm aber mit Nachdruck bedeutet: „Man müsse Männer fragen und nicht Parteien.“3
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Nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 7.12.24 entfielen von insgesamt 493 Mandaten (bisher 472) auf: SPD 131 (bisher 100), DNVP und Landbund 111 (105), Zentrum 69 (65), DVP 51 (45), KPD 45 (62), DDP 32 (28), Wirtschaftliche Vereinigung (WV) 21 (15), BVP 19 (16), Nationalsozialisten 14 (32). Vgl. Statistisches Jahrbuch 1924/25, S. 388 f.; Schultheß 1924, S. 108.
- 2
Zitiert nach Stresemann, Vermächtnis I, S. 606.
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S. diese Edition: Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 383 u. 384.
Luthers Möglichkeiten, ein fraktionsgebundenes Parteienkabinett der herkömmlichen Art zustande zu bringen, waren damit sehr begrenzt. Gleichwohl fühlte er zunächst einmal in dieser Richtung vor4, mußte aber schon am 10. Januar feststellen, daß die Demokraten einer gesamtbürgerlichen Koalition weiterhin mit äußerster Reserve gegenüberstanden5. Ausschlaggebend für das Scheitern seiner ersten Sondierung war jedoch die Haltung des Zentrums, das ihn bei den Unterhandlungen des folgenden Tages um Auskunft unter anderem darüber ersuchte, ob die neue Regierung die außenpolitische Linie der vorangegangenen einhalten und ob sie sich einschließlich ihrer deutschnationalen Mitglieder feierlich zur Reichsverfassung bekennen würde. Da Luther diesem Verlangen nicht zufriedenstellend entsprechen konnte, lehnte es die Zentrumsfraktion entschieden ab, sich an dem vorgesehenen Kabinett zu beteiligen6.
- 4
Die Akten der Reichskanzlei enthalten außer zahlreichen Zeitungsausschnitten (R 43 I/1306) keine Vorgänge über die Verhandlungen zur Bildung des ersten Kabinetts Luther.
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Vgl. die Aufzeichnung Koch-Wesers vom gleichen Tage in: NL Koch-Weser, Nr. 32.
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Erklärung der Zentrumsfraktion in: „Die Zeit“ Nr. 12 vom 12. 1.; vgl. auch: Egelhaafs historisch-politische Jahresübersicht 1925, S. 152 f.
Weitaus günstiger gestaltete sich dagegen die zweite Verhandlungsrunde, in die Luther am 12. Januar einen „neuen konstruktiven Gedanken“ einbrachte. Er regte an, jede der beteiligten Fraktionen (DNVP, Zentrum, DVP, BVP) solle ohne engere fraktionelle Bindung je einen ihr angehörenden[XXI] Vertrauensmann in das Kabinett entsenden; die Besetzung der übrigen Kabinettsposten könne durch Fachminister erfolgen, bei deren Auswahl besondere Rücksicht auf die Parteiorientierung zu nehmen sei. Mit dieser eigentümlichen Konstruktion, die Elemente des überparteilichen und des Beamtenkabinetts in sich vereinigte, wollte Luther, wie er später schrieb, „das Kabinett zwar mit den Parteien, die es tragen sollten, fest verbinden, es aber trotzdem nicht als eigentliches Parteienkabinett erscheinen lassen“. Dadurch würde, so glaubte er, den an der Regierung nicht beteiligten Parteien „die Tatsache des Außenstehens weniger schroff erscheinen“, so daß sie leichter für die Tolerierung des Kabinetts zu gewinnen wären7. Dieses Kalkül rechnete offenbar nicht mit größeren Zugeständnissen der Sozialdemokraten, die noch am 10. Januar scharfe Opposition gegen eine bürgerliche Rechtsregierung angekündigt hatten8, sondern in erster Linie mit einem Entgegenkommen der Demokraten, deren wohlwollende Neutralität nach den Erfahrungen der zurückliegenden Koalitionskrise als wesentliche Voraussetzung für die reibungslose Zusammenarbeit mit der Zentrumsfraktion gelten mußte.
Das Zentrum wollte denn auch bei den Besprechungen des 12. Januar seinen Eintritt in das neue Kabinett nur unter der Bedingung in Aussicht stellen, daß die Demokraten dem Verbleiben Geßlers im Reichswehrministerium zustimmten. Diese Zustimmung gewann Luther nach kurzer Unterhandlung mit Koch-Weser bereits am folgenden Tage; er konnte darüber hinaus erreichen, daß die DDP-Führer, wie von Geßler dringend erbeten, sich für eine zunächst abwartende Haltung ihrer Fraktion entschieden9. Der Erfolg seiner Bemühungen schien damit schon in greifbare Nähe gerückt; denn von den übrigen Parteien wurden grundsätzliche Einwände gegen die vorgeschlagene Kabinettskonstruktion nicht erhoben. Ungeklärt war nun lediglich noch die weniger schwierige Frage, in welcher Form die neue Regierung das Vertrauen des Reichstages einholen sollte. Als schließlich am 15. Januar deutlich wurde, daß die Einbringung eines formellen Vertrauensantrages, wie ihn insbesondere die Deutschnationalen wünschten, beim Zentrum auf große Bedenken stoßen würde, kamen die Fraktionen von DNVP, Zentrum, DVP, BVP und WV überein, sich mit einem Billigungsvotum über die Regierungserklärung zu begnügen10. Daraufhin erfolgte am Abend des gleichen Tages die Ernennung Luthers zum Reichskanzler.
Hans Luther, geboren 1879 als Sohn eines Holzkaufmannes in Berlin, hatte seine berufliche Laufbahn nach juristischer Ausbildung im kommunalen Verwaltungsdienst begonnen: er wurde 1907 Stadtrat in Magdeburg, 1913 Geschäftsführer des Deutschen und Preußischen Städtetages in Berlin, 1918 Oberbürgermeister von Essen. In der Industriemetropole des Westens bot[XXII] sich ihm vielfältige Gelegenheit, mit den sozialen Problemen des Arbeitslebens vertraut zu werden, und sich – nicht zuletzt durch seine Aufsichtsratstätigkeit in der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG – mit wirtschaftlichen und technischen Belangen großer Industrieunternehmen bekannt zu machen. Im Dezember 1922 wurde er von Reichskanzler Cuno als Ernährungsminister in das Reichskabinett berufen, unter den nachfolgenden Kanzlern Stresemann und Marx bekleidete er das Amt des Reichsfinanzministers. In dieser Stellung hatte Luther bedeutenden Anteil an den Bemühungen zur Neuordnung und Stabilisierung der Währung sowie an den Verhandlungen über die Durchführung des Dawesplans.
Luther wird von seinen Zeitgenossen nicht durchweg positiv und in verschiedener Hinsicht uneinheitlich beurteilt. Übereinstimmung besteht nur darin, daß er – und dies wird als bestimmendes Merkmal seiner Persönlichkeit gesehen – ein Mann nüchterner Sachlichkeit, klarer Verstandeskraft und großer Willensstärke gewesen sei, dessen Hauptbefähigung in der Verwaltung gelegen habe. Unterschiedliche Ansichten werden dagegen über seine staatsmännischen Qualitäten geäußert: Hellpach und Salin einerseits würdigen ihn als „klaren, originellen Staatsdenker“ und „Staatsmann von seltener Kraft und Leistung“11, Schäffer hingegen glaubt, bei ihm „nur eine geringe Begabung für große Zusammenschau“ erkannt zu haben12. Und auch über sein Verhandlungsgeschick gehen die Meinungen weit auseinander. Während Stampfer die Unvoreingenommenheit und Geschicklichkeit des Kanzlers im Unterhandeln mit allen Parteien (auch den Kommunisten) anerkennend betont13, meint Hellpach, auf diesem Felde habe Luther, der „zeitlebens weder ein Diplomat noch überhaupt im eigentlichen Sinne ein politischer Mensch“ gewesen sei, die Geschmeidigkeit völlig vermissen lassen; er sei „bei Anzweiflung und Widerspruch leicht schroff, ungeduldig und ausfällig“, ja herrisch geworden14 – Eigenschaften, die Geßler offenbar bestätigt, wenn er von Luthers „gefährlicher Neigung“ spricht, „die eigene Autorität nicht nur immer breiter, sondern auch immer spürbarer zu vertreten“ und hinzufügt: „Ich bin vielleicht der einzige Minister gewesen, mit dem dieser Kanzler keinen Konflikt gehabt hat – weil er in meine Arbeit nicht hineingeredet hat.“15 Sowohl negative wie anerkennende Urteile finden sich schließlich auch über Luthers oratorische Leistungen. Er „traf Versammlungen gegenüber nicht den rechten Ton“, sagt Hellpach, der, wie in ähnlicher Weise noch Stampfer, des Kanzlers Gedenkrede am Sarge Friedrich Eberts als „oratorischen Fehlgriff“ bewertet. Sie sei unangemessen nüchtern und allzusehr mit trockenen Ziffernangaben überladen gewesen – der Essener Oberbürgermeister hätte vor den Stadtverordneten nicht viel anders sprechen[XXIII] können16. Das Repräsentative – Luther war sich dessen selber voll bewußt17 – lag seinem Naturell gewiß am allerwenigsten. Sobald aber Anlaß und Gegenstand es ihm erlaubten, sich auf dem Boden strenger Sachbezogenheit und nüchterner Analyse zu bewegen, konnte er – vor allem durch die Sicherheit seiner rednerischen Diktion – gelegentlich eindrucksvoll in Erscheinung treten. Das bezeugt nicht nur Salin, nach dessen Urteil keiner von Luthers Altersgenossen „den ganzen Reichtum der deutschen Sprache so wie er heherrschte“ und „seine Gedanken in so eindringlicher Klarheit zu formulieren wußte“18, sondern auch der britische Botschafter D’Abernon, der sich unter dem Eindruck der Reichstagsrede des Kanzlers vom 21. Januar 1925 notierte: „Als Redner hat er bis jetzt noch keinen großen Ruf gehabt. Seine gestrige Rede hat daher allgemein durch ihre Energie und Präzision überrascht. Sie bewies auch, daß er sehr schlagfertig ist und außerdem – bei der Darlegung seines Standpunktes – die Bonar Lawsche Fähigkeit besitzt, endlose Ziffernreihen ohne Unterlagen herunterzuleiern. Der Reichstag bekam einen tiefen Eindruck von der Stärke seiner Persönlichkeit.“19
- 11
Hellpach, Wirken in Wirren, Bd. 2, S. 333; Salin, Lynkeus. Gestalten und Probleme aus Wirtschaft und Politik, S. 85.
- 12
Schäffer, Hans, Marcus Wallenberg und die deutsche Bankenkrise 1931. Maschinenmanuskript in: NL Dietrich, Nr. 308, Bl. 66.
- 13
Stampfer, Die vierzehn Jahre der ersten deutschen Republik, S. 400.
- 14
Hellpach, a.a.O., S. 328 u. 333.
- 15
Geßler, Reichswehrpolitik in der Weimarer Zeit, S. 383.
- 16
Hellpach, a.a.O., S. 248; Stampfer, a.a.O., S. 400.
- 17
Vgl. Stresemann, Vermächtnis II, S. 49.
- 18
Salin, a.a.O., S. 82.
- 19
D’Abernon, Ein Botschafter der Zeitenwende, Bd. III, S. 152.
In das neugebildete Kabinett, das Luther erst anläßlich seiner Regierungserklärung am 19. Januar vollzählig der Öffentlichkeit vorstellen konnte, hatten vier Fraktionen je einen Vertrauensmann entsandt. Es waren dies für die DVP Gustav Stresemann, der wieder die Leitung des Auswärtigen Amts übernahm, für das Zentrum der seit 1920 amtierende Arbeitsminister Heinrich Brauns, für die DNVP Martin Schiele, der an die Spitze des Innenministeriums berufen wurde, für die BVP schließlich Karl Stingl, der neue Postminister. Von diesen hatte allein Schiele, Rittergutspächter und seit 1914 Mitglied des Reichstages, bisher noch keiner Reichsregierung angehört. Er wurde in seiner Fraktion, die ihn Ende 1924 zum Vorsitzenden gewählt hatte, dem gemäßigten Flügel zugerechnet und galt in der Partei als führender Vertreter des Landbundes. Stingl andererseits, der das Postministerium schon einmal unter Reichskanzler Cuno geleitet hatte, war der einzige Nichtparlamentarier unter den Vertrauensmännern. Mit seiner Nominierung scheint die Reichstagsfraktion der BVP einem Verlangen des Bayerischen Ministerpräsidenten nachgekommen zu sein, der zur besseren Wahrnehmung bayerischer Interessen eines eigenen Vertrauensmannes in der Reichsregierung zu bedürfen glaubte20. Zwei weitere Ministerien wurden fraktionell und parteipolitisch nicht gebundenen Fachministern übertragen, nämlich das Wehrministerium an Otto Geßler, der zwar Angehöriger der DDP, seit Oktober 1924 aber nicht mehr Reichstagsmitglied war, und das Ernährungsministerium an den parteilosen ostpreußischen Rittergutsbesitzer Gerhard Graf v. Kanitz. Beide hatten diesen Ressorts schon in der vorangegangenen Reichsregierung vorgestanden. Alle übrigen Kabinettsposten wurden „schlüsselmäßig“ auf die Koalitionsparteien verteilt und mit Fachministern besetzt, die den betreffenden[XXIV] Parteien nahestanden. Davon waren Mitglieder der DNVP Finanzminister Otto v. Schlieben, bisher Ministerialdirektor und Leiter der Etatabteilung des Reichsfinanzministeriums, und Wirtschaftsminister Albert Neuhaus, der 1920 als Ministerialdirektor und Leiter der handelspolitischen Abteilung des preußischen Handelsministeriums aus dem Staatsdienst ausgeschieden war, nachdem er den Eid auf die Reichsverfassung verweigert hatte. Dieser heikle Umstand gab Luther während der Debatte über die Regierungserklärung am 21. Januar Veranlassung, vor dem Reichstag zu betonen, daß Neuhaus bei seinem Eintritt in das Kabinett „selbstverständlich den Eid auf die Reichsverfassung geleistet“ habe21. Von der DVP wurde als Fachminister Rudolf Krohne nominiert; er übernahm die Leitung des Verkehrsministeriums, in dem er seit 1923 die Stelle eines Staatssekretärs bekleidet hatte. Den Posten des Justizministers erhielt der dem Zentrum nahestehende Kölner Oberlandesgerichtspräsident a. D. Josef Frenken, dem auch die Verwaltung des Ministeriums für die besetzten Gebiete übertragen wurde. Frenken, mit großem Engagement um die Verbesserung der schwierigen Verhältnisse in den besetzten Zonen bemüht22, war im Kabinett einer der schärfsten Gegner der deutschen Sicherheitsinitiative und des Locarnopakts. Aus eigenem Antrieb, nicht gezwungen durch Partei- und Fraktionsbeschlüsse, wie dies beim Ausscheiden der deutschnationalen Minister kurz nach Locarno der Fall gewesen war, trat er im November 1925 von seinen Ämtern zurück, weil er im Ergebnis dieser Konferenz die erneute freiwillige Anerkennung des Vertrages von Versailles zu sehen glaubte23. Staatssekretär in der Reichskanzlei wurde mit Zustimmung des Kabinetts24 der ehemalige höhere Kolonialbeamte Franz Kempner, der in der Reichskanzlei bisher die Position des Ministerialdirektors innegehabt hatte. Vor allem durch sein glückliches Temperament, das in dem nüchternen Sachverstand seines Stellvertreters, des neuernannten Ministerialdirektors Hermann Pünder, fruchtbare Ergänzung fand, trug Kempner viel dazu bei, daß die Zusammenarbeit mit den Reichsministerien im allgemeinen reibungslos gestaltet werden konnte.
- 20
Vgl. Schönhoven, Die Bayerische Volkspartei 1924–1932, S. 115.
- 21
Luther fügte ergänzend hinzu: Neuhaus habe im Herbst 1919 die Absicht geäußert, spätestens Ende 1920 in den Ruhestand zu treten. Daraufhin sei er durch den PrHandM Fischbeck von der Eidesleistung entbunden worden. Er habe also bis zu seinem Ausscheiden im Jahre 1920 „mit voller Anerkennung seiner vorgesetzten Behörde weitergewirkt“. S. RT-Bd. 384, S. 169.
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- 23
Dok. Nr. 232.
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Dok. Nr. 1, P. 3.