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2. und 3. Entwurf eines Reichsbankgesetzes. Künftige Regelung des Dienstverhältnisses des Personals der Reichsbahn und der Reichsbank.
Der Reichswährungskommissar teilte mit, daß Kindersley den Rechts- und [den] Rechnungssachverständigen ernannt habe und diese bereits am Donnerstag [22. 5.] in Berlin einträfen7. Er bäte daher, den Entwurf heute zum Abschluß zu bringen.
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Die beiden engl. Sachverständigen sollen prüfen, ob die im Sachverständigen-Gutachten vorgesehene Notenbank im Wege einer Umgestaltung der Rbk errichtet werden kann. Vgl. den „Bericht des Organisationskomitees zur Feststellung der vorbereitenden Maßnahmen für die Organisation einer Notenbank in Deutschland“, RT-Drucks. Nr. 448, S. 17 ff., RT-Bd. 383.
[653] Der Reichswirtschaftsminister berichtete über diejenigen Punkte, in denen zwischen den Ressorts und der Reichsbank bisher keine Einigung erzielt werden konnte8.
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Dem Kabinett liegen zwei Entwürfe eines Bankgesetzes auf Grund des Sachverständigen-Gutachtens vor, ein Entwurf der Rbk und ein Entwurf des RWiMin., die in einigen Punkten voreinander abweichen (R 43 I/633, Bl. 3-10, 11 f., 26-40). Endgültiger Gesetzestext: Bankgesetz vom 30.8.24, RGBl. II, S. 235.
[…]
Zu § 2 wurde die Fassung des Reichswirtschaftsministeriums angenommen. Die Verhandlungen mit den Privatnotenbanken sollen sofort aufgenommen werden9.
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§ 2 des Bankgesetzentwurfs in der angenommenen Fassung verleiht der Rbk für 50 Jahre das ausschließliche Notenausgaberecht in Deutschland. Die bestehenden Notenausgaberechte der Privatnotenbanken (Bayer. Notenbank, Württ. Notenbank, Sächs. Bank, Bad. Bank) bleiben unberührt; die von ihnen auszugebenden Banknoten dürfen den Betrag von insgesamt 194 Mio RM nicht übersteigen.
Der Reichswirtschaftsminister und der Reichsfinanzminister hielten es für unzweckmäßig, bei der Beschränkung der Kontingente der Privatnotenbanken über die Bestimmungen des Sachverständigengutachtens hinauszugehen10. Man müsse den Privatnotenbanken das Kontingent sichern, das möglich sei. Auf die Ausnutzung des Kontingents würde das Reich seinen Einfluß ausüben.
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Das Sachverständigen-Gutachten (S. 90) sieht vor, daß die Privatnotenbanken „ihr Notenausgabeprivileg bis zur Höhe ihrer jetzigen gesetzlichen Quote behalten“.
Zu § 6: Es wurde beschlossen, die Amtsdauer für den Präsidenten und die Mitglieder auf vier Jahre zu bemessen11.
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Die Vorschriften in § 6 über Bestellung und Amtsdauer des Präsidenten und der Mitglieder des Rbk-Direktoriums lauten danach folgendermaßen: „Der Präsident wird vom Generalrat auf die Dauer von vier Jahren in der Weise gewählt, daß eine Mehrheit von mindestens neun Stimmen vorhanden sein muß, der mindestens sechs deutsche Stimmen angehören. Die Wahl bedarf der Bestätigung durch den RPräs. – Die Mitglieder [des Rbk-Direktoriums] werden nach Zustimmung des Generalrats und des Direktoriums vom Präsidenten auf die Dauer von vier Jahren ernannt. Die Zustimmung des Generalrats muß mit dem Stimmenverhältnis zustande kommen, das für die Präsidentenwahl vorgeschrieben ist. Die Ernennung eines Mitgliedes bedarf der Bestätigung durch den RPräs.“
Zu §§ 9 und 1012.
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In der Fassung der §§ 9 und 10 (Rechtsverhältnisse und Besoldung der Rbk-Beamten) weichen die vorliegenden Entwürfe des RWiMin. und der Rbk (vgl. Anm. 8) voneinander ab. Der Entwurf des RWiMin., der in diesem Punkt auf einen Vorschlag des RFMin. zurückgeht, bestimmt im wesentlichen folgendes: (§ 9) Die Bankbeamten haben die Rechte und Pflichten der Reichsbeamten. Ihre Rechtsverhältnisse werden durch ein besonderes Beamtenstatut geregelt. (§ 10) Die Gehälter des Präsidenten und der Mitglieder des Rbk-Direktoriums werden vom Generalrat festgelegt. Die Vorschriften über die Gehälter der Beamten der Bank erläßt das Rbk-Direktorium unter Zugrundelegung der entsprechenden reichsrechtlichen Vorschriften. Eine günstigere Regelung der Gehälter der Bankbeamten ist nur zulässig, wenn dies zur Aufrechterhaltung eines leistungsfähigen Bankbetriebes notwendig ist. Die Gehaltsvorschriften hat das Rbk-Direktorium vor Erlaß dem RFM mitzuteilen. Bei Meinungsverschiedenheiten kann der RFM die Entscheidung eines Schiedsgerichts unter Vorsitz des Präsidenten des Reichsgerichts anrufen. – Nach dem Entwurf der Rbk sollen die Gehälter der Bankbeamten dagegen allein vom Rbk-Direktorium festgesetzt werden. Eine Bindung an die Besoldungsordnung des Reichs ist ebensowenig vorgesehen wie eine Genehmigung der Gehaltsvorschriften durch den RFM und die Anrufung eines Schiedsgerichts bei Meinungsverschiedenheiten.
Der Reichsminister der Finanzen begründete seinen Vorschlag. Es müsse alles versucht werden, um der in dem Sachverständigengutachten liegenden Gefahr[654] der Aufspaltung der Reichsgewalt in vertikaler Richtung vorzubeugen. Die Befestigung eines einheitlichen Reichsbeamtenkörpers müsse angestrebt werden. Dabei brauchten diese Beamten nicht durchweg Beamte der Reichsregierung zu sein. Die Reichsbank bleibe eine öffentliche Einrichtung. Wenn die Gehaltsfrage ausgeschaltet werde, sei kein Wert mehr auf die Beibehaltung des Beamtencharakters zu legen.
Der Reichsbank-Präsident stimmte den Ausführungen zu, glaubte aber, daß der Beamtencharakter auch dann erhalten bleiben müßte, wenn die Besoldung anders geregelt würde. Kindersley werde der vom Reichsfinanzministerium vorgeschlagenen Regelung nicht zustimmen. Das Schiedsgericht sei unmöglich. Er empfehle dem Reichsfinanzministerium, selbst mit Kindersley zu verhandeln.
Der Reichsminister der Finanzen lehnte diese Verhandlungen ab, da sie ein Beweis für die Nichtübereinstimmung des Reichsfinanzministeriums und der Reichsbank seien. Der § 10 trage allen besonderen Erfordernissen der Reichsbank Rechnung. Wegen des Schiedsrichters sei er gern bereit, andere Vorschläge zu prüfen und anzunehmen.
Der Reichskanzler wies auf die staatspolitische Bedeutung der Entscheidung hin. Durch eine Regelung der Beamtenfrage im Sinne der Reichsbank werde ein Loch in die ganze Beamtenorganisation gerissen. Dieses müsse vermieden werden.
Nach längerer Debatte, in der die Vertreter der Reichsbank auf die Besonderheiten der Bank und die daraus entspringenden Bedürfnisse hinwiesen, und in der der Reichsverkehrsminister des näheren auf die Verhältnisse bei der Eisenbahn einging13, erklärte der Reichsminister der Finanzen er stimme darin mit den Herren überein, daß das Hineintragen privatwirtschaftlichen Geistes in die Betriebe angebracht sei, daß aber gleichwohl diese Betriebe ihrer ganzen Natur nach volkswirtschaftlich geartet blieben. Daraus ergäbe sich, daß eine besondere Freiheit in der Besoldungsregelung gar nicht in dem geforderten Ausmaße nötig sei. Man könne in der Form der Ausnahmeregelung die erforderliche Bewegungsfreiheit schaffen. Er bitte das Kabinett, zunächst über diesen Grundsatz zu entscheiden. Wenn er angenommen sei, würden sich neue Verhandlungen zwischen den beteiligten Stellen anbahnen lassen, und zwar bitte er das Reichsministerium des Innern, zu solchen Verhandlungen auf der Grundlage des vorgeschlagenen Kabinettsbeschlusses einzuladen.
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Wegen der geplanten Umbildung der RB in eine Gesellschaft gemäß dem Sachverständigen-Gutachten ist auch eine Neuregelung der Rechts- und Besoldungsverhältnisse des RB-Personals erforderlich.
Der Reichswehrminister schloß sich dem Antrage des Reichsfinanzministers an.
Der Reichspostminister bat in diesem Falle um Beteiligung an den Verhandlungen. Es wurde festgestellt, daß die Verhandlungen gleichzeitig für die Reichsbahn und Reichsbank stattfinden sollen.
Das Kabinett beschloß: 1) Das Recht einschließlich der Besoldung für die Reichsbeamten und die Beamten der Reichsbank und Reichsbahn hat grundsätzlich[655] gleichartig zu sein. 2) Die erforderlichen Ausnahmefreiheiten für Reichsbank und Reichsbahn sind auszuarbeiten. 3) Es wird eine Kommission unter dem Vorsitz des Reichsministers des Innern mit dieser Ausarbeitung betraut.
Zu § 1414.
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§ 14 des Bankgesetzes (Zentralausschuß der Rbk) ist in den vorliegenden Entwürfen des RWiMin. und der Rbk (vgl. Anm. 8) unterschiedlich gefaßt. Im Entwurf des RWiMin. lautet § 14: „Dem Rbk-Direktorium steht als beratende Körperschaft der Zentralausschuß zur Seite, der sich aus deutschen, aus Landwirtschaft, Handel und Industrie gewählten Mitgliedern und Stellvertretern zusammensetzt. Die Zahl dieser vom Rbk-Direktorium zu berufenden Mitglieder und Stellvertreter beträgt je 18. Die Hälfte derselben muß den dt. Anteilseignern, die andere Hälfte einer vom RWiR aufzustellenden Vorschlagsliste entnommen werden. […]“ – Nach dem Entwurf der Rbk soll der Zentralausschuß nur aus Anteilseignern der Rbk bestehen. Eine Beteiligung von Vertretern der Wirtschaft ist dagegen nicht vorgesehen.
Der Reichswirtschaftsminister begründete seinen Vorschlag und wies besonders darauf hin, daß das Sachverständigengutachten ausdrücklich die Handhabe böte für eine Regelung in dem von ihm vorgeschlagenen Sinne15. Er müsse Wert darauf legen, daß hier in letzter Stunde die Einwirkungsmöglichkeit der Wirtschaft auf die Reichsbank, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf auf 50 Jahre der Reichsgewalt entzogen werde16, festgelegt werde.
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Im Notenbankplan des Sachverständigen-Gutachtens heißt es: „Das Direktorium [der Notenbank] kann sich, wenn es dies für richtig hält, durch eine beratende Körperschaft unterstützen lassen, die sich aus deutschen, aus Landwirtschaft, Handel und Industrie gewählten Mitgliedern zusammensetzt.“ (Sachverständigen-Gutachten, S. 85).
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Vgl. Anm. 9.
Der Reichswährungskommissar wandte sich gegen den Vorschlag des Reichswirtschaftsministers, und unter Hinweis auf das Zustandekommen des betreffenden Passus des Sachverständigengutachtens hielt er den Vorschlag des Reichswirtschaftsministers auch für die Gegenseite für unannehmbar. Ein Zentralausschuß, der eine Interessenvertretung darstelle, bedeute für die Reichsbank keine Unterstützung, sondern eine Erschwerung der Geschäfte. Die Einflußnahme der Industrie, der Landwirtschaft, des Handels usw. sei auch bei dem von der Reichsbank vorschlagenen Weg möglich. Er sei bereit, zur Festlegung des Gedankens in § 14 aufzunehmen, daß die Mitglieder des Zentralausschusses auf Vorschlag des Direktoriums aus Kreisen der Landwirtschaft, der Industrie, des Handels usw. zu wählen seien.
Der Reichspostminister und der Vizekanzler schlossen sich der Auffassung des Reichswährungskommissars an.
Der Vizekanzler gab zu erwägen, ob die Vertretung im Zentralausschuß nicht auf deutsche Anteilseigner beschränkt werden könne.
Der Reichswährungskommissar hielt eine Unterscheidung für schwierig, außerdem bestände dann immer die Möglichkeit, Strohmänner in den Zentralausschuß zu entsenden. Eine weit wertvollere Garantie gegen eine Überfremdung des Zentralausschusses bilde sein Vorschlag, nach dem die Mitglieder des Zentralausschusses auf Vorschlag des Direktoriums gewählt werden müssen. Dem vom Reichswirtschaftsminister ausgesprochenen Gedanken, daß die Reichsbank mit dem vorgeschlagenen Gesetz aus den Händen des Reichs herausgehe, könne er nicht folgen. Die Reichsregierung habe alle vier Jahre die Möglichkeit[656] der Neubesetzung des Direktoriums17 und könne dabei ihren Einfluß zur Geltung bringen.
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Vgl. Anm. 11.
Der Vorschlag des Reichswirtschaftsministers wurde gegen die Stimme des Reichswirtschaftsministers abgelehnt.
Der § 14 in der Fassung des Entwurfs der Reichsbank wurde angenommen, jedoch mit der dem Vorschlag des Reichswirtschaftsministeriums Rechnung tragenden Ergänzung, daß die Mitglieder auf Vorschlag des Direktoriums aus den Kreisen von Bankgewerbe, Industrie, Handel und Landwirtschaft zu wählen seien18.
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§ 14 erhält folgende Fassung: „Der Zentralausschuß ist die ständige Vertretung der Anteilseigner gegenüber der Verwaltung. […] Die Mitglieder und die Stellvertreter werden auf Vorschlag des Rbk-Direktoriums von der Generalversammlung aus den Kreisen von Bankgewerbe, Industrie, Handel, Landwirtschaft und Arbeitnehmerschaft, und zwar aus der Zahl derjenigen Anteilseigner gewählt, welche als Inhaber von mindestens je … Reichsbankanteilen in den Stammbüchern der Bank eingetragen sind. Sämtliche Mitglieder und Stellvertreter müssen die dt. Reichsangehörigkeit besitzen. […]“
[…]
Zu § 30.
[…] Als Ergänzung zu § 30 wurde folgender Passus beschlossen: „Das Reichsbank-Direktorium ist verpflichtet, in regelmäßigen Zeitabständen der Reichsregierung über die Geschäftslage der Reichsbank Bericht zu erstatten. Ein Beauftragter der Reichsregierung ist berechtigt, an den Beratungen der Organe der Reichsbank teilzunehmen.“
[Nach weiteren Abänderungen nahm das Kabinett den Entwurf des Bankgesetzes an19.]
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Mit Begleitschreiben vom 26. 5. übersendet der RWiM an die Rkei den „gemäß den Beschlüssen des Kabinetts gefaßten Entwurf des Bankgesetzes, wie er dem Organisationskomitee vorgelegt werden soll“ (R 43 I/633, Bl. 60-79). Die Fassung der §§ 9 und 10 des Entwurfs (Rechtsstellung und Besoldung der Rbk-Beamten) wird als noch offen bezeichnet.