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Nr. 27
Telefonische Mitteilung Staatssekretär Pünders betr. die Verhandlungen in Genf. 16. September 1928, 10.15 Uhr
Herr Staatssekretär Pünder teilt zu dem Telegramm über das Ergebnis der Kabinettssitzung in Berlin vom 15. September1 mit, daß die Delegation in Genf ziemlich auf demselben Standpunkt stehe wie das Kabinett in Berlin. Es bestünden aber doch Differenzen hinsichtlich der Auffassung des Kabinetts:
1. | daß bei der Räumungsfrage einerseits das Kommissionsverfahren nicht über 1935 zugestanden werden dürfe, andererseits die Verhandlungen in Genf nicht mit einem Abbruch enden dürften, und |
2. | daß das anscheinend gesicherte Ergebnis der Einsetzung einer Sachverständigenkommission für die Endlösung der Reparationsfrage nicht mehr gefährdet werden dürfe. |
Diese beiden Auffassungen des Kabinetts entspringen offenbar einem unbegründeten Optimismus, sie hätten aber durchaus keine Stütze in dem Telegramm der Delegation2 aus Genf. Das Ergebnis der Einsetzung der Sachverständigenkommission für die Reparationsfrage sei durchaus nicht gesichert. Das Kabinett in Berlin stehe auf dem Standpunkt, daß bei der heutigen Besprechung in Genf in beiden Fragen unter allen Umständen ein Kompromiß herbeigeführt werden solle. Dies sei aber so gut wie unausführbar, wenn wir Grenzen gesetzt hätten, die nicht überschritten werden sollen.
Herr Staatssekretär Pünder sagte zum Schluß, man lege in Genf Wert darauf, diesen Standpunkt der Delegation vor der um ½11 Uhr beginnenden Besprechung3 hierher mitzuteilen.
H[a]g[enow]