1.16.4 (str2p): 3. Brotversorgung.

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[557]3. Brotversorgung.

Staatssekretär Heinrici trug den Inhalt der Vorlage vor und betonte, daß nach Auffassung des Ernährungsministeriums aus finanziellen und organisatorischen Gründen an eine Verlängerung der Markenbrotversorgung über den 15. d. M. hinaus nicht gedacht werden könne18.

18

Die Vorlage entspricht dem GesEntw. vom 4.9.23, der in den KabS. vom 10. und 13.9.23 (Dok. Nr. 51, P. 6 und Dok. Nr. 55, P. 11) erörtert worden war. Der RR hatte am 5. 10. auf Antrag Preußens zur Sicherung der Getreidereserve folgenden Zusatz zu § 1 beschlossen: „Um dies zu ermöglichen, kann Kommunalverbänden, die Überschußgebiete sind, die Verpflichtung auferlegt werden, bestimmte Mengen von Getreide bis zu einem von der Reichsgetreidestelle zu bestimmenden Zeitpunkt abzuliefern; wird diese Verpflichtung nicht erfüllt, so ist die Reichsregierung ermächtigt, die festgesetzte Menge in dem betreffenden Kommunalverband im Umlageverfahren zu erwerben.“ Der Reichsausschuß der Deutschen Landwirtschaft hatte am 10.10.23 „schärfste Verwahrung gegen den Versuch einer Wiedereinführung des Umlageverfahrens“ eingelegt und erklärt, „jeden Versuch zur Wiedereinführung einer gebundenen Wirtschaft grundsätzlich abzulehnen“ (gez. Frh. v. Wangenheim an den RK; R 43 I /1263 , Bl. 188/189). Ein ähnlicher Protest war von der Pr. Hauptlandwirtschaftskammer an den PrLandwM gerichtet worden (12.10.23; R 43 I /1263 , Bl. 200–201). Darin heißt es: „Es ist politisch und wirtschaftlich untragbar, daß ein Gesetz, das die Zustimmung des Reichswirtschaftsrates und der übrigen berufenen Vertretungen gefunden hat, in grundlegenden Bestimmungen vom Reichsrat geändert wird, ohne daß die berufenen Stellen Gelegenheit haben, zu den geplanten Änderungen Stellung zu nehmen.“ Die vom Kabinett am 12. 10. beschlossene VO hatte ebensowenig wie der ursprüngliche GesEntw. ein Umlageverfahren vorgesehen. – In dieser Sitzung bezieht sich StS Heinrici auf § 3 des VOEntw. zur Ergänzung des Gesetzes zur Sicherung der Brotversorgung im Wirtschaftsjahr 1923/24, durch den festgelegt werden sollte, daß die im Gesetz vom 23.6.23 mit Novellierung vom 28.8.23 beschlossene Versorgung mit Brot auf Marken (RGBl. I, S. 410 , 843) nur in „Gebieten, in denen besondere Verhältnisse bestehen“, fortzusetzen sei (R 43 I /1263 , Bl. 194).

Das Kabinett schloß sich dieser Auffassung an. Es wurde beschlossen, daß morgen im Reichstag mit den Parteien über die Frage nochmals verhandelt werden solle19. Die Verordnung selbst soll auf Grund des Ermächtigungsgesetzes erlassen werden (vgl. Anlage)20.

19

Eine Behandlung im RT-Plenum hat nicht stattgefunden.

20

Die VO wurde am 13. 10. erlassen und am 15. 10. im RGBl. I, S. 947 veröffentlicht. Im Bericht des REMin. über die Ernährungslage im Oktober 1923 vom 29.11.23 wurde ausgeführt, der Übergang vom Markenbrot zur freien Wirtschaft sei wegen des Markverfalls ungewöhnlich schwierig gewesen. Zwischen den Preisen für Markenbrot und „freiem“ Brot habe weiterhin eine erhebliche Differenz bestanden (in Essen für 1 kg Markenbrot 160 Mill. M, für 1 kg „freies“ Brot 630 Mill. M), dennoch habe die Markenbrotversorgung nicht fortgesetzt werden können. „Auch der von den Koalitionsparteien des Reichstags in dieser Richtung am 13. Oktober gestellte Antrag [RT-Drucks. Nr. 6268, Bd. 380 ] mußte abgelehnt werden, weil, ganz abgesehen von den mit einer Fortsetzung der öffentlichen Brotversorgung verbundenen finanziellen Verlusten des Reichs, die umfangreichen für die Überleitung in die freie Wirtschaft getroffenen Vorbereitungen nicht im letzten Moment wieder rückgängig gemacht werden konnten.“ Trotz der befürchteten Übergangsschwierigkeiten habe das REMin. an seinem Entschluß zur Aufhebung der Markenbrotversorgung festhalten müssen. Neben erheblichen Preisanstiegen (s. dazu Dok. Nr. 222, P. 1) sei es auch zur Verknappung gekommen, „insbesondere weil die Bevölkerung nach dem 15. Oktober zum Teil in recht unzweckmäßiger Weise Brot zu hamstern begann. Diesem Mißstande ist insbesondere in den Großstädten Berlin und Hamburg durch Begrenzung des Brotabsatzes mittels besonderer Karten entgegengewirkt worden. Für das besetzte Gebiet wurde die Markenbrotversorgung in der bisherigen Weise bis Mitte Oktober fortgeführt“ (R 43 I /1263 , Bl. 293–294). – Der Anlagehinweis bezieht sich auf den VOEntw. in R 43 I /1388 , Bl. 141–143.

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