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[Fürstenabfindung]
Nachdem die Parteien unter Beteiligung des Reichsjustizministeriums von 6–¾ 8 Uhr im Reichstagsgebäude nochmals den Entwurf1 durchgesprochen hatten und dabei zu einer Einigung gekommen waren, fand um 8 Uhr abends eine abschließende Besprechung unter Vorsitz des Reichskanzlers in der Reichskanzlei statt.
[…]
Der Abg. Schulte teilte mit, daß die Regierungsparteien und die Wirtschaftliche Vereinigung sich jetzt in allen Punkten geeinigt hätten und besonders in der Frage der Aufwertung dahin einig geworden seien, daß die Aufwertung der Ansprüche nach den allgemein für die Aufwertung geltenden gesetzlichen Bestimmungen2 erfolgen solle.
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S. das „Gesetz über die Aufwertung von Hypotheken und anderen Ansprüchen“ vom 16.7.25 (RGBl. I, S. 117).
Bei Teilauseinandersetzungen solle eine Aufhebung bereits gefällter rechtskräftiger Urteile möglich sein, wenn das Reichssondergericht auf Antrag einer Partei feststellt, daß das Urteil im Widerspruch mit den jetzt aufgestellten Grundsätzen stehe. Dieser Beschluß müsse jedoch mit ⅔ Mehrheit gefaßt werden.
Der Abg. Schulte erklärte noch ausdrücklich, daß der Abg. Hampe (Wirtschaftliche Vereinigung) ihn ermächtigt habe, seine Zustimmung zu diesem Kompromiß zu erklären.
Nach kurzer Debatte stellte der Reichskanzler ferner Übereinstimmung über folgende Punkte fest:
a) | die Regierungsparteien und die Wirtschaftliche Vereinigung sollten nunmehr die Parole ausgeben, daß sie sich am Volksbegehren nicht beteiligen; |
b) | im Rechtsausschuß dürften nur noch gemeinschaftliche Anträge zum Kompromißentwurf gestellt werden; |
c) | die Front für den Entwurf solle nach Möglichkeit verbreitert werden. |
Es bestand ferner Übereinstimmung darüber, daß in einem Kommuniqué davon Mitteilung gemacht werden solle, daß die Fraktionsführer und die Rechtsausschußmitglieder der Regierungsparteien und der Wirtschaftlichen[1199] Vereinigung sich über einen gemeinsamen Entwurf vorbehaltlich der Zustimmung ihrer Fraktionen in einer Sitzung unter Vorsitz des Reichskanzlers geeinigt hätten3. Bis Dienstag, den 9. März, sollten die Fraktionen nach Möglichkeit zu dem Entwurf Stellung nehmen4.
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Eine entsprechende Mitteilung der RReg. in „Tägliche Rundschau“ vom 6. 3.
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Nach „Tägliche Rundschau“ (6.–8. 3.) erfolgen zustimmende Stellungnahmen nur von den Fraktionen der DDP, DVP und des Zentrums. Die Fraktionen der BVP und der WV behalten sich die Stellungnahme bis zum Abschluß der Verhandlungen im Rechtsausschuß vor („Tägliche Rundschau“ vom 11. 3.).
Abg. Dr. Dr. Kahl (DVP) teilte mit, daß die nächste Sitzung des Rechtsausschusses wahrscheinlich nicht vor Donnerstag, dem 11. März 1926, stattfinden werde5.
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In der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses, die am 12. 3. stattfindet (Druckexemplar des Protokolls in R 43 I/2210, Bl. 91 f.), bringen die Koalitionsparteien den neuen (2.) Kompromißentwurf zur Fürstenauseinandersetzung ein (Drucks. des 13. Ausschusses Nr. 198 in R 43 I/2206, Bl. 171-174). Sein Inhalt entspricht den in der Kabinettsvorlage des RIM und des RJM vom 2. 3. (Dok. Nr. 302) mitgeteilten sowie den in den Parteiführerbesprechungen vom 5. 3. (Dok. Nr. 308 und 310) erzielten Vereinbarungen.