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[Finanzmaßnahmen]2.
von Raumer: Erfassung der unproduktiven Devisen. Notverordnung betr. Ablieferungspflicht. Allgemeine Deklaration betr. produktive Devisen. Weg zu einer Devisen-Zentrale. Der Abliefernde muß sofort Gegenwert erhalten, Papier oder Goldanleihe. Ressort u. Sachverständige halten es für einen Schlag ins Wasser, da niemand abliefern würde. Ferner [?] würde man das Substrat für eine Goldnotenbank, die auf privater Grundlage errichtet werden soll. v. Raumer glaubt an Devisenzustrom auf Grund der betr. Papier [?] Maßnahme u. schlägt Vorbereitung der neuen Verordnung vor, um [unleserlich] loszuschießen, wenn er sie auch für zweckmäßig hält. Besser ist Goldnotenbank, der die Devisen zwangsläufig zufließen zu lassen [!]3.
Stresemann: Wie lange dauert Errichtung einer privaten Goldnotenbank? Ist Goldanleihe diskonditiert [?]? Äußerung von Bücher i[m] RWR4. Kann man sie besser fundieren? Können wir hereingekommene Devisen nicht reservieren für Privatgoldnotenbank nicht auch auf [unleserlich] stehen?
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Der DAZ, Nr. 401/402 vom 1.9.23, zufolge hatte Bücher in der gemeinsamen Sitzung des wirtschafts- und des finanzpolitischen Ausschusses des RWiR nach einer Rede des RWiM erklärt, zur Sicherung der Ernährung müßten Devisen beschafft werden, aber damit sei es nicht getan. „Es müsse auch eine neue Währung geschaffen werden. Durch die ungehemmten Lohnerhöhungen werde jede Ausfuhr zum Scheitern gebracht. Das führe zum Erliegen der Wirtschaft, wenn nicht Maßregeln ergriffen würden, um den Export mit allen Mitteln zu steigern. Der Redner bezweifelte die Wertbeständigkeit der Goldanleihe und verlangte die Schaffung eines wertbeständigen Zahlungsmittels. Der Export müsse gesteigert werden, aber die Abschaffung der Ausfuhrabgabe mache noch nicht viel aus.“ Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen hatte sich Bücher gegen „linke“ Vorwürfe verwahrt, die Unternehmer hätten große Gewinne gehabt. In den Betrieben seien zahlreiche „unproduktive Arbeiter“ beschäftigt. Komme es nicht dazu, daß die Betriebe wieder wirtschaftlich zu arbeiten in der Lage seien, müßten sie geschlossen oder teilweise stillgelegt werden. Würden die Arbeiter die Unternehmen übernehmen, gerate man „in russische Zustände“. Abschließend hatte Bücher gemeint, „daß auf der Basis der Mehrleistung mit den Gewerkschaften verhandelt werden könnte“.
v. Raumer: Privatg[old]n[oten]b[ank] geht schnell, muß auch mit ausländ[ischem] Kapital arbeiten.
Trendelenburg: Ausländische Noten dringen in immer höheren Maße in den Verkehr ein5. Der Staat hat nicht mehr die Kraft, sie herauszuziehen. Und[174] die offene Grenze ermöglicht den Erwerb neuer Devisen6. Mechanische Mittel auf dem Devisenmarkt können Preisbewegung nicht mehr zügeln, die den Weltmarktpreis überschritten hat7. Gesundung nur möglich, die Inflation zu beendigen[!]. Die Wirtschaft wird durch die geplanten Maßnahmen nicht wesentlich gehemmt werden8.
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Nach Ansicht von Hans Kraemer, vorgetragen in der Sitzung des wirtschafts- und finanzpolitischen Ausschusses des RWiR, dessen Vorsitzender er war, am 6.9.23, hatte die dt. Wirtschaft begonnen, sich mit ausländischen Devisen „zu sättigen“. Der dt. Besitz an Devisen sei in der Wirtschaft weitaus größer, als von amtlichen Stellen zugegeben werde. Kraemer bezifferte diesen Betrag auf sicherlich höher als 1½ Goldmilliarden (BA: R 2/2438).
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In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß nach den Börsenberichten der DAZ und der „Die Zeit“ seit dem 31.8.23 die Rbk und in ihrem Gefolge mehrere große Privatbanken auf dem Devisenmarkt mit erhöhten Abgaben intervenierten und damit ein weiteres Hochschnellen des Wechselkurses zu verhindern suchten.
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S. hierzu die Diskussion über die Höhe des Kohlenpreises in Dok. Nr. 25, P. 1 und Dok. Nr. 33, P. 1. In der Woche vom 25.–31.8.23 hatten sich die Großhandelspreise um 62,5% erhöht, während der Außenwert der Mark um 64,6% fiel. Besondere Preissteigerungen gab es auf dem Textilsektor mit 105,3%, bei Kohle mit 75,5%, Getreide mit 57,3%, Fleisch 42,1%, Häuten und Fellen mit 38,7% (DAZ Nr. 403/404 vom 2.9.23).
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S. RWiM an RK, 3.9.23 (Dok. Nr. 38).
Hilferding: Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Devisen ermöglicht die Ergänzung des 1. Schritts9, der hauptsächlich die produktiven Devisen erfaßt. Die neue Maßnahme würde der Repudierung d[er] M[ark] entgegenarbeiten, da es die Devisen-Zahlung verhindert. Hilferding für die Maßnahme. H. mehr für Projekt der Industrie, da es dem Gold näher steht10. 175 Goldmillionen Devisen-Schatz ins Ausland zu legen. Hierfür werden die unproduktiven Devisen nicht zur Verfügung stehen. Für die produktiven soll nur Depotzwang und Kontrolle statuiert werden.
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Hiermit dürfte die VO des RPräs. über die Ablieferung ausländischer Vermögensgegenstände vom 25.8.23 und deren Durchführungsbestimmungen vom 30.8.23 gemeint sein (RGBl. I, S. 833 und 837).
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S. hierzu die Vorstellungen Büchers in Dok. Nr. 29; der Plan des RdI ist abgedruckt bei Beusch-Briefs als Anlage 14, S. 139 f. Als am 6.9.23 der Währungsausschuß des RWiR unter Vorsitz von G. Bernhard tagte, stand dort neben dem Plan Helfferichs auch der Plan der Industrie, „der auf die Errichtung einer selbständigen Notenbank ausgeht, die getrennt von der Reichsbank Goldnoten ausgeben soll“, auf der TO. Dazu führte der Sachverständige Kraemer aus, die Industriellen seien nicht der Ansicht, mit der internen Währung des Roggengeldes bestehe die Möglichkeit, die Betriebe aufrechtzuerhalten. Daher seien sie „darauf ausgegangen, ein Zahlungsmittel zu schaffen, das goldwertig ist, das durch Gold gedeckt ist und mit dem wir einen Ersatz für die in Deutschland in viel zu knappen Maße vorhandenen fremden goldwertigen Zahlungsmittel schaffen können.“ Da die Rbk unter der Leitung Havensteins ungeeignet sei, eine Goldbank aufzurichten, schlage die Industrie vor, „die Form einer Aktiengesellschaft zu wählen, d. h. eine Notenbank zu errichten, etwa auf den gleichen Grundlagen, auf denen früher die Notenbanken in Deutschland errichtet worden sind und wie sie heute noch bestehen. Notenbanken, die unter strengster Staatsaufsicht stehen und sich in ihrer Verfassung von den früheren Notenbanken lediglich dadurch unterscheiden, daß sie Schuldverschreibungen des Staates, der Länder und der Gemeinden weder als Unterlage annehmen noch sie beleihen dürfen.“ Das Gründerkonsortium sollte ein freiwilliger Zusammenschluß der Wirtschaftsstände sein. Für die Bank war an ein Grundkapital von 500 Mill. M gedacht. Dies war aufzubringen zu 200 Mill. M durch die Wirtschaftsstände, zu 150–160 Mill. M aus dem Ausland und der Rest durch öffentliche Zeichnung. Die Notenausgabe der Bank sollte zu 50% mit Gold gedeckt sein. „Das würde bedeuten, daß die Bank zunächst aus ihrem Aktienkapital heraus in der Lage wäre, bis zu 1 Milliarde Noten auszugeben. Die Bank würde – das ist der zweite entscheidende Punkt – ihren Fundus von vornherein bei einer Bank des neutralen Auslandes deponieren. Wir halten eine Belassung des Fundus dieser Bank innerhalb der deutschen Grenzen nicht nur aus außen-, sondern auch aus innerpolitischen Gründen für unmöglich; wir wollen ihn sicherstellen nicht nur vor den Zugriffen ausländischer Machthaber, sondern auch vor den Zugriffen der vorübergehend an der Macht befindlichen Kreise des Inlandes“ (BA: R 2/2438).
Luther11: Notwendigkeit dem Fall der Mark entgegenzutreten. Aber was ist Grund für neue Maßnahme? Produktive Gründe dafür, aber auch dagegen,[175] namentlich in Loslösungsgebieten, im Rheinland nicht durchzuführen, ebenso in Bayern12. Wird praktisch nichts erbringen. Abbau der Ruhrkasse13. Übergang zur festen Währung. Für Helfferichschen Plan, der schneller ausführbar, weil gesetzlich. Hypotheken und Ausmaß der Grundlage größer, aber mit Goldwährung. Umlaufendes Papiergeld wird in Relation gebracht werden14. Gegen neue Devisen-Maßnahmen.
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S. zu Luthers Ausführungen auch Dok. Nr. 37.
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In Bayern war bereits an der Steuergesetzgebung des Reichs Ende August scharfe Kritik, die auf die Initiative Georg Heims zurückging, geübt worden (Vertreter der RReg. München an die Rkei, 31.8.23; R 43 I/2233, Bl. 129/130). S. dazu Dok. Nr. 48.
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Vgl. hierzu die Bemerkung Hilferdings in Dok. Nr. 33, P. 1.
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Vgl. Anm. 22 zu Dok. Nr. 33.
Oeser: Situation kann nur außenpolitisch gelöst werden; aber Innenpolitik muß die Außenpolitik ermöglichen, daher für Zugriff auf unproduktive Devisen.
Sollmann: aus innenpolitischen Gründen muß etwas geschehen. Für Beschleunigung.
Stresemann: aus politischen Gründen muß gehandelt werden. Es muß aber ein sofort verwertbarer Gegenwert gegeben werden.
v. Raumer: fügt sich den politischen Erwägungen trotz seiner wirtschaftlichen Bedenken. Neue Währung muß geschaffen werden15.