2.250.1 (feh1p): [Fortsetzung der Beratungen über das Londoner Ultimatum; Lage in Oberschlesien]

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[Fortsetzung der Beratungen über das Londoner Ultimatum; Lage in Oberschlesien]

Reichsminister Dr. Simons wiederholt seine Ausführungen von heute vormittag über die Bedeutung des Ultimatums1 und teilt bezüglich Oberschlesiens mit, daß der Botschafter Laurent ihm nachdrücklich erklärt habe, das Einsetzen deutscher Macht in Oberschlesien bedeute einen Bruch des Friedensvertrages und daher Krieg auch im Westen2.

1

Siehe dazu Dok. Nr. 249.

2

Zum poln. Aufstand in Oberschlesien, der am 3. 5. begonnen hatte, und zum Einsatz militärischer Kräfte in Oberschlesien s. Dok. Nr. 246.

Weiterhin hatte der RK am 6. 5. im RT im Anschluß an die Verlesung der dt. Note an die all. Besatzungsmächte in Oberschlesien (s. Dok. Nr. 246, Anm. 3) erklärt: „Hinzufügen will ich noch, daß inzwischen die Anordnungen in die Wege geleitet worden sind, um die Reichswehr in den Stand zu setzen, in kürzester Frist dasjenige zu tun, was nach dem Ergebnis unseres Schrittes bei den alliierten Mächten als notwendig erscheint.“ (RTBd. 349, S. 3624 ).

Die Lage in Oberschlesien war auch Gegenstand der Beratungen in der Kabinettssitzung am Morgen des 7. 5. gewesen. RIM Koch schreibt darüber in seinen „Aufzeichnungen“: „Als Simons das Ultimatum erklären will, bitte ich, zur Geschäftsordnung erst über Oberschlesien zu sprechen. Geschieht. Ich halte die Lage in Oberschlesien nicht mehr lange für erträglich. Allerdings keine andere Lösung möglich als Krieg mit Polen, da militärisch vorläufige Maßnahmen gegen Aufständische unmöglich. Mindestens muß heute Stimmung vorbereitet werden, sowohl im Innern durch Presse und Erklärungen als auch nach außen durch Besprechung mit den Botschaftern Englands, Italiens und Amerikas. […] Man ist sich darüber einig, daß ein Krieg mit Polen auch ein Krieg mit Frankreich sei. Daß man deswegen das Ultimatum annehmen müsse, wird lebhaft bestritten, weil Frankreich doch mit Polen gehe. Ich erwidere, daß trotzdem die Lage wesentlich günstiger sei, wenn Deutschland wenigstens die anderen Mächte zufriedengestellt habe. Simons erklärt mit Recht, er könne keine starke Politik gegen Polen machen, wenn nicht die Sozis mitmachten. Ihre Zurückhaltung sei das ganze Verhängnis. Er rät zum Abwarten. Aber es wird wenigstens beschlossen, den Parteiführern heute abend den Ernst der Sache klar zu machen, damit Montag [9. 5.] die Entscheidung fallen kann.“ (Nachlaß Koch-Weser  27, Bl. 499).

[669] Nach seiner Überzeugung würden wir bei Annahme des Ultimatums den Sanktionen wegen der Entwaffnungsfrage und eines evtl. Eingreifens in Oberschlesien doch nicht entgehen können. In diesem Falle würden wir aber die Stimmung der angelsächsischen Welt für uns haben.

Das Kabinett beschließt, den Herrn Reichspräsidenten zu bitten, in der oberschlesischen Frage mit der Sozialdemokratischen Partei Fühlung zu nehmen3.

3

Zur Haltung der SPD in der Frage des Einsatzes militärischer Kräfte in Oberschlesien s. Dok. Nr. 242, P. 5.

Noch am 7. 5. hatte der sozialdemokratische „Vorwärts“ in seiner Nachmittagsausgabe unter der Überschrift „Oberschlesien“ geschrieben: „Nichts könnte verderblicher für uns sein, als wenn die alarmbereit gemeldete Reichswehr ohne Aufforderung der Oppelner Kommission in Oberschlesien einrücken würde, wo das mit Frankreich verbündete Polen gegen England und Italien kämpft. Uns in der jetzigen Situation auch noch mit einem kriegerischen Abenteuer zu belasten, das jetzt von Polen verbrochen ist, so sehr auch das Mitgefühl mit den oberschlesischen Deutschen dazu locken mag, wäre glatter Wahnsinn – wenn nicht bewußter Landesverrat. Oberschlesien ist der Entente als Treuhänder ausgeliefert, sie hat vor der Welt die Verantwortung und wird schon die Folgen spüren, wenn sie ihre Pflicht nicht erfüllt – nicht heute und morgen, aber desto sicherer.“ (Vorwärts Nr. 213 v. 7.5.1921).

Über Verhandlungen zwischen dem RPräs. und der SPD war in R 43 I nichts zu ermitteln.

Siehe dazu weiter Dok. Nr. 252.

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