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3. Währungslage.
Der Reichsfinanzminister berichtete über die Währungslage und wies insbesondere auf die unheilvollen Wirkungen der übertriebenen ausländischen Kursmeldungen hin15.
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Im Börsenbericht der „Zeit“, Nr. 257 v. 6.11.23, war für den 5. 11. der New Yorker Kurs der Papiermark mit 3⅓ Billion für einen Dollar angegeben worden. Die „Kölnische Zeitung“, Nr. 763 v. 5.11.23, gab einen Bericht des Nachrichtenbüros Reuter aus New York wieder: „Die deutsche Mark ist derartig gefallen, daß sie so gut wie wertlos ist, die Banken und Wechselstuben haben den Handel mit der Mark eingestellt. Die Überweisungen erfolgen in Dollar, Gulden und Pfund.“
Da es nicht möglich sei, sofort genügend wertbeständiges Geld zur Verfügung zu stellen, bleibe nur übrig, das umlaufende Papiergeld mit neuer Zahlkraft zu versehen16. Um nun hierbei das Schicksal der Goldanleihe bzw. der Rentenmark nicht zu gefährden, schlage er vor, eine Konversationskasse als halbprivate Organisation zu schaffen, welche am 1. April zu einem bestimmten Kurse das gesamte umlaufende Papiergeld einlösen werde. Als Deckung hierfür seien etwa 300 Millionen Goldmark erforderlich, von denen er vorschlage, 50 Millionen der Reichsbank zu entnehmen, 150 Millionen durch eine Devisenzwangsabgabe und den Rest durch eine besondere Steuer aufzubringen. Dazu sei eine Ausfallsbürgschaft der gesamten Banken erforderlich.
Hand in Hand hiermit müsse die Aufstellung eines neuen Etats gehen, bei dem unter rücksichtsloser Kürzung aller Ausgaben und ebenso energischer[969] Erfassung aller Steuerquellen zum 1. März 1924 der Reichshaushalt ausgeglichen werde. Zu diesem Zwecke müßten in erster Linie die Unterschüsse bei Post und Reichsbahn beseitigt werden, nötigenfalls durch Rückgabe der Bahn an die Länder oder durch Übergabe in private Verwaltung. Ebenso müßten alle Auslandszahlungen aufhören, insbesondere auch die Zahlungen an die militärische Kontrollkommission17.
Vor Beschlußfassung über diese Angelegenheit halte er es allerdings für notwendig, mit den Ländern in Verbindung zu treten. Weitere Vorschläge in der Angelegenheit werde er in der nächsten Sitzung des Ministeriums am Abend vorlegen18.
Der Reichswirtschaftsminister erklärte, daß der vom Reichsfinanzminister entwickelte Plan ihm von solcher Tragweite zu sein scheine, daß er sich vor Stellungnahme Zeit zur Überlegung und Beratung innerhalb seines Ressorts vorbehalten müsse.
Der Reichsminister für die besetzten Gebiete brachte in diesem Zusammenhange den Plan einer rheinischen Goldwährung zur Erörterung und erbat die Ermächtigung des Ministeriums, bei der am 6. d. M. stattfindenden Versammlung des Provinziallandtages in Barmen die Stellungnahme der Reichsregierung zu dieser Angelegenheit bekanntzugeben19. Nach einer weiteren Erörterung, an der sich der Reichskanzler, der Reichsernährungsminister, der Reichsfinanzminister und der Reichsarbeitsminister beteiligten, wurde die Besprechung ohne Beschlußfassung abgebrochen.
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S. hierzu zuletzt Dok. Nr. 219. Louis Hagen hatte am 4.11.23 an den RFM telegrafiert: „Vorarbeiten Errichtung Goldnotenbank besetzten Gebietes grundsätzlich beinahe vollendet. Rücksprache mit Reichsregierung umgehend erforderlich kann augenblicklich unmöglich Berlin reisen. Würde dankbar sein, wenn etwa Dienstag in Barmen gelegentlich Provinziallandtag mir Gelegenheit zur Berichterstattung gegeben würde. Auch Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs sehr erwünscht. Erbitte Drahtantwort“. Dazu notierte Kempner, er habe gehört, ein Antworttelegramm sei abgesandt (R 43 I/2440, Bl. 223).