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[Fragen des besetzten Gebietes.]
Der Reichskanzler teilt mit, daß der Fünfzehnerausschuß bitte, sogleich von ihm und dem Kabinett empfangen zu werden. Der Fünfzehnerausschuß habe eine Reihe von Fragen formuliert, auf die er eine Antwort der Reichsregierung erbitte22.
Zur Geschäftsordnung bemerkt der Reichskanzler, daß zweckmäßigerweise das Kabinett sich jetzt erst über die Beantwortung dieser Frage schlüssig werde. Alsdann werde man den Fünfzehnerausschuß empfangen. Er ließ den Herren des Fünfzehnerausschusses mitteilen, daß er um 9 Uhr abends für sie zu sprechen sei. Die Herren des Fünfzehnerausschusses entfernten sich darauf und erklärten, daß es ihnen unmöglich sei, nochmals vorzusprechen23.
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Aus dem Terminkalender (BA: NL von Stockhausen 15) geht nicht hervor, ob Stresemann als RK noch einmal mit dem 15er-Ausschuß zusammengekommen ist.
Nach kurzer Aussprache über die Frage der Erwerbslosenfürsorge24 bittet der Reichskanzler den Herrn Reichsminister für die besetzten Gebiete, eine[1130] kurze formulierte Antwort auf die Frage des Fünfzehnerausschusses dem Kabinett alsbald vorzulegen25.
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In v. Stockhausens Parallelüberlieferung ist der Gang der Diskussion unter der Überschrift „Fragen des besetzten Gebietes“ festgehalten: „Rkzler: Von versch. Seiten sei gesagt worden, daß es unmöglich sei, die Erwerbslosenfürsorge im bes. Gebiet einzustellen und sie im übrigen Reich weiterzuzahlen. – Luther: Herabsetzung der objektiven Maßstäbe der Erwerbslosenunterstützung im besetzten Gebiet. – Brauns: Es liegt alles so niedrig, daß weitere Herabsetzung nicht mehr möglich. – Arbeitspflicht der Gemeinden ist eingeführt. Für Notstandsarbeiten brauchen Tariflöhne nicht mehr eingehalten zu werden. – Jarres: Unterstützt Antrag Brauns, alle Noten [?] Aufrufe für bes. Gebiet gemeinsam zu behandeln. – Einheitlicher Guß erforderlich. – Jarres über Gleichstellung Erwerbslosen im besetzten Gebiet und Reich. – Jetziger Satz der Erwerbslosenfürsorge im bes. Gebiet reiche schon nicht mehr hin. Größtes Bedenken, den Forderungen der Parteien zu entsprechen. – Es muß im Rheinland zu einer Entscheidung kommen. Wenn aber Parteien geschlossen dagegen, dann ist nichts zu machen. Baldige Überführung in Wohlfahrtspflege“ (BA: NL Stockhausen 21).
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Die Antwort des RArbM war nicht zu ermitteln in R 43 I. Möglicherweise liegt jedoch in der Tendenz nahe ein Schreiben des RArbM an den Vorsitzenden des westf. Provinzialausschusses vom 21.11.23 betr. die „weitere Behandlung der Erwerbslosenfürsorge im besetzten Gebiet.“ Darin führte Brauns aus, die RReg. sei ständig bemüht, das Wirtschaftsleben im bes. Gebiet wieder in Gang zu setzen. Die Sätze der Erwerbslosenfürsorge seien den Inflationsraten angepaßt worden, und der besonderen Teuerung im besetzten Gebiet habe der RArbM mit Sonderzuschlägen Rechnung zu tragen versucht. Da nun nur noch ein begrenzter Betrag zur Verfügung stehe, solle dessen Verwendung mit Staatsbehörden und Gemeinden erörtert werden. „Vor allem wird dabei die Frage erörtert, ob es zweckmäßig und durchführbar ist, die Unterstützung ganz oder teilweise durch Gewährung der notwendigsten Lebensmittel zur Auszahlung zu bringen, z. B. durch Gutscheine auf eine Volksspeisung.“ Notstandsarbeiten könnten nicht länger gefördert werden, da ihre Kosten erheblich über den Sätzen der Erwerbslosenfürsorge liegen würden (R 43 I/222b, Bl. 220/221). S. a. Adenauers Ausführungen in Köln am 24.11.23, in: K. D. Erdmann, Adenauer in der Rheinlandpolitik, Dok. Nr. 15, S. 313.
Die Sitzung wird sodann unterbrochen. Fortsetzung der Beratung um 10 Uhr abends.