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1. Entwurf einer Verordnung über die Ausdehnung der Osthilfemaßnahmen auf die östlichen Gebiete Bayerns.
Reichsminister Schlange trug vor, daß die zur Verhandlung stehende Kabinettsvorlage wegen Ausdehnung der Osthilfemaßnahmen auf die östlichen Gebiete Bayerns […] die gleiche Vorlage sei1, mit der das Kabinett sich im April bereits befaßt habe, und über die die Entscheidung bis nach der Reichspräsidentenwahl ausgesetzt worden sei2. Von bayerischer Seite sei er wegen der Angelegenheit dauernd weiter gedrängt worden, so daß von dieser Seite fast täglich Vorstellungen erhoben[2496] worden seien3. Es sei daher dringend wünschenswert, daß das Kabinett der Vorlage jetzt zustimme.
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Der VoEntw. mit Schreiben Schlanges vom 27.4.32 in R 43 I/1812, Bl. 353–357.
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Vgl. Dok. Nr. 699, P. 6.
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Der Bayer. MinPräs. hatte dem RK am 4.4.32 geschrieben, die RReg. möge nach dem zweiten Wahlgang der RPräs.-Wahl am 10.4.32 mit der Erlaß der Vo. nicht mehr warten. Held hatte wegen des überwiegenden bäuerlichen Kleinbesitzes im bayerischen Ostgebiet darum gebeten, den § 2 des VoEntw. (siehe Dok. Nr. 699, Anm. 19) fallen zu lassen (R 43 I/1812, Bl. 322). Der Bayer.MinDir. Sperr verhandelte am 7. und 8.4.32 mit der Rkei über die Inkraftsetzung der Vo. und wies auf den Zusammenhang mit der bayer. LT-Wahl am 24.4.32 hin: „Von radikaler Seite werde die ungeklärte Situation ausgenutzt und Unzufriedenheit verbreitet mit der Behauptung, daß Bayern Reichsmittel für die landwirtschaftliche Entschuldung abgelehnt worden seien“ (Vermerk von RegR Krebs mit Anwortentw. des StSRkei an den Bayer.MinPräs. vom 15.4.32, R 43 I/1812, Bl. 323–325, Zitat Bl. 324). Am 26.4.32 hatte Held geantwortet: „Sie werden verstehen, daß ich über den Inhalt wenig erfreut gewesen bin. Nach jahrelangen Verhandlungen war es aufgrund der gegebenen Zusicherungen zu einer Einigung gekommen, die zu fertigen Entwürfen über die endliche Ausdehnung der Osthilfe auf das bayerische Ostgebiet geführt hat. Nun werden neuerdings Verhandlungen mit dem Herrn Reichskommissar für die Osthilfe vorgeschlagen. Damit sind die Dinge eigentlich auf den Punkt zurückgekehrt, von dem sie ausgegangen sind. […] Von der dringenden sachlichen Notwendigkeit ausreichender Maßnahmen zur Entschuldung der Landwirtschaft im bayerischen Grenzgebiet abgesehen, hätte es Bayern und seine Ostmark wirklich auch sonst nicht verdient, so lange auf die versprochene Hilfe warten zu müssen. Ich darf deshalb meine dringende Bitte wiederholen, die Angelegenheit endlich zum befriedigenden Abschluß zu bringen“ (R 43 I/1812, Bl. 358).
Der Reichskanzler wies auf die starken Bedenken hin, die gegen die Durchführung der Vorschläge vorlägen, und die bei der letzten Kabinettsberatung erörtert worden seien. Er erklärte seinerseits, diese Bedenken auch jetzt noch nicht aufgegeben zu haben.
Reichsminister Schlange erklärte, „die Sicherungsverordnung solle in die vorgeschlagene Notverordnung für Bayern nicht übernommen werden, sondern nur die Entschuldungsordnung4.“ Eine Ausdehnung der Entschuldungsordnung sei nicht zu vermeiden. Die bayerischen Stellen hielten eine Barentschädigung nach Maßgabe der verfügbaren Mittel nicht für ausreichend. Deswegen sei man gezwungen, auch unter Verwendung von Ablösungsscheinen umzuschulden. Um dabei praktische Erfolge zu haben, müsse auch der Zwangsakkord, wenigstens als Druckmittel, verwendet werden. Die Bayerische Staatsregierung sei mit seinem Vorschlage in vollem Umfange einverstanden.
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Dazu die handschriftliche Randbemerkung von RegR Krebs vom 11.5.32: „Die nebenstehende Erklärung entspricht nicht dem vorgelegten Verordnungs-Entwurf. Nach dessen § 2 sollen die Bestimmungen der §§ 18, 19, 21 und 26 der Sicherungsverordnung vom 17.11.1931 Anwendung finden (§ 18 ist dabei die am stärksten umstrittene Bestimmung)“: R 43 I/1455, S. 73. § 18 der NotVo. vom 17.11.31 machte den Entschuldungsplan von der Zustimmung der Landstelle abhängig (RGBl. 1931 I, S. 675, hier S. 677).
Der Reichsminister der Finanzen erklärte, seine früheren Einwendungen gegen die Vorlage aufrechtzuerhalten. Wenn, entsprechend dem Vorschlage des Reichskommissars für die Osthilfe, die Osthilfe auf Bayern ausgedehnt werde, so halte er es für schwierig und vielleicht unmöglich, ein weiteres Vordringen der Ausnahmeverfahren, vielleicht bis zum Westen Deutschlands, aufzuhalten5. Die Vorlage beschränke die Anwendung der fraglichen Maßnahmen nicht etwa auf das eigentliche Grenzgebiet, sondern sehe ein verhältnismäßig sehr umfangreiches Gebiet vor, das von der Grenze weit in das innere Bayern hineinreiche.
[2497] Nach weiterer Aussprache wurde vorgesehen, daß aus politischen Gründen die Verordnung erst nach den bevorstehenden Reichstagsverhandlungen6, etwa unmittelbar vor Pfingsten erlassen werden solle7.