Text
Nr. 198
Der Reichsbankpräsident an den Reichskanzler. Paris, 6. Mai 1929
[Betrifft: Stand der Sachverständigenkonferenz.]
Sehr geehrter Herr Reichskanzler!
Ihrem gestern Nacht durch Fernschreiber übermittelten Ersuchen folgend beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß die Verhandlungen in der Richtung meines Schreibens vom 4. d. M. an Sie hier weitergehen1. Wir haben heute dem Vorsitzenden eine Verbalnote über unsere Bedingungen überreicht, deren Wortlaut ich in der Anlage beifüge2. Außer den hierin enthaltenen Bedingungen ist mündlich mitgeteilt worden, daß wir eine Herabsetzung der ungeschützten Annuität des Youngschen Schemas unter allen Umständen verlangen[647] werden. Hierüber findet eine Unterhaltung heute Nachmittag zwischen mir und Herrn Quesnay statt, die informatorischen Charakter haben wird. Inzwischen arbeitet Stamp an einem neuen Gesamtbericht, der von der Voraussetzung ausgeht, daß man zu einer Einigung gelangt.
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Vgl. Dok. Nr. 195.
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In diesem Memorandum wurde erklärt: I. Deutschland werde die geforderten Annuitäten nur zehn Jahre zahlen können. II. Es sei notwendig, daß neben dem Transfermoratorium die Beschlüsse des Komitees, das über seinen Erlaß zu verfügen habe, nachgeprüft werden können. III. Die deutschen Zahlungen der letzten 21 Jahre seien durch einen Rediskont zu kapitalisieren. IV. Eine Herabsetzung der interalliierten Schulden müsse Deutschland zugute kommen. V. Die Gläubigerstaaten müssen mit Deutschland bei der Erfüllung der Reparationslasten zusammenarbeiten. VI. Im Zahlungsplan sind alle deutschen Zahlungsverpflichtungen, auch für die Saargruben, enthalten. VII. Alle Kontrollen werden beseitigt. VIII. Die Reparationsabgabengesetze werden wie die Sachlieferungen verringert und enden im 11. Jahr. IX. Die Spezialsicherheiten werden beseitigt. X. Alle bestehenden Diskriminierungen deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Waren werden beseitigt. XI. Die Liquidationen werden beendigt. XII. Der Sachlieferungsplan wird nicht geändert (Text und Übersetzung der Verbalnote in R 43 I/277, Bl. 237-244).
Wir werden Sie nach wie vor völlig durch Kurier auf dem Laufenden halten, da jede andere Mitteilungsart hier gefährdet ist. Daß noch einmal für die Reichsregierung eine Möglichkeit zur Stellungnahme in jeder Einzelheit gegeben ist, halten wir nunmehr nicht für wahrscheinlich, da die Entscheidungen hier sich sehr schnell folgen werden. Die gegen die Novemberentschließung v. J. ins Gegenteil geänderte Haltung der Reichsregierung, die Sie mir mit Ihrem geehrten Schreiben vom 3. d. M. mitteilten, wird von uns nach Möglichkeit berücksichtigt werden3, ohne daß dadurch die am Schlusse meines Schreibens vom 4. d. M. an «Sie festgestellte»4 Handlungs-«freiheit der Sachverständigen unter eigener Verantwortung beeinträchtigt werden darf, wogegen wir erfreulicherweise von Ihnen einen Widerspruch nicht gehört haben»5.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr sehr ergebener
Dr. Hjalmar Schacht