Text
5. Hilfeleistung für die Wolga-Schwarzmeerkolonisten deutscher Abstammung.
Minister Rathenau ist der Auffassung, daß in dieser Frage dem Auswärtigen Amt eine gewisse Prinzipalverantwortung zukommt, die es nicht tragen könne. Er bittet daher das Kabinett, in dieser Hinsicht nochmals über die Notwendigkeit der Garantieübernahme zu beschließen.
Minister Hermes betont, daß ja ein Kabinettsbeschluß bereits vorliege10. In einer vergangenen Kabinettssitzung sei die grundsätzliche Garantieübernahme durch das Reich in der Frage Unterstützung der Wolgadeutschen Gegenstand der Tagesordnung und eines Beschlusses gewesen. Er persönlich habe schon damals seine großen Bedenken gegen die Form der Aktion durch seinen Vertreter bekannt geben lassen. Er glaube auch, daß man unter Umständen einen Einspruch der Entente in Bezug auf die Reparation zu gewärtigen habe.
Minister Giesberts erklärt, daß das Kabinett, das seinerzeit über die Frage beschlossen habe, nur sehr schwach besetzt gewesen sei. Zwei Minister seien nur anwesend gewesen.
VizekanzlerBauer geht auf die Bedenken des Reichsfinanzministers ein und gibt im Anschluß daran die Anregung, daß das Kabinett sich ja erneut mit dieser Frage befassen könnte.
Minister Schmidt geht auf die technische Durchführung der Unterstützung der Wolgadeutschen in Rußland ein und glaubt annehmen zu müssen, daß es sehr schwierig sein würde festzustellen, ob die Zuwendungen wirklich an die Wolgadeutschen gelangten. Er seinerseits habe auch erhebliche Bedenken gegen die Vorlage.
Minister Hermes betont nochmals, daß ein Kabinettsbeschluß bereits vorläge, der Finanzminister habe die Herabsetzung der Unterstützungssumme auf 50 Millionen und besondere Sicherheiten gefordert und erreicht.
Minister Köster hält diese 50 Millionen im allgemeinen für zweckmäßig angewandt.
[618] Der Reichskanzler weist darauf hin, daß auf Grund des vorliegenden Kabinettsbeschlusses die ganze Aktion ja bereits im Gange sei; das Reich habe die Garantie ja bereits übernommen. Eine erneute Behandlung der Angelegenheit sei daher unmöglich. Es handele sich darum, nur auf das erste Verlangen des Außenministers einzugehen. In dieser Hinsicht müsse er betonen, daß von einer alleinigen Verantwortung des Außenministers schon darum keine Rede sein kann, da das Kabinett ja darüber beschlossen habe.
Der Reichskanzler verliest den betreffenden Kabinettsbeschluß, nach dem eben die Zustimmung des Kabinetts zur Vorlage des Auswärtigen Amts gegeben sei.
Er bemerkte ferner noch, daß auch sämtliche Parteien des Reichstags sich seinerzeit für die Vorlage eingesetzt hätten.
Die Kabinettssitzung wird geschlossen.