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Politische Lage.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers führte aus, daß das Reichskabinett von der Auffassung der Parteien der bisherigen Koalition zur politischen Lage von ihm in Kenntnis gesetzt worden sei und nunmehr beabsichtige, binnen zwei Tagen ein Arbeitsnotprogramm aufzustellen und dieses Programm der bisherigen Koalition zu unterbreiten1a. Auch das Reichskabinett halte eine Fühlungnahme mit den bisherigen Oppositionsparteien für erforderlich, um eine Kontingentierung der Beratungen vor allem des Etats und Nachtragsetats im Plenum und in den Ausschüssen des Reichstags und eine Einschränkung der Agitationsanträge zu erreichen. Zu diesem Zweck werde er, der Stellvertreter des Reichskanzlers, gemeinsam mit dem Reichsarbeitsminister um 7 Uhr 15 mit Herren der Sozialdemokratie und um 7 Uhr 30 mit Herren der Demokratischen Partei Fühlung nehmen2. Zur weiteren Aussprache über das Arbeitsnotprogramm bitte er die Regierungsparteien sich morgen, den 16. Februar von 6 Uhr nachmittags ab bereit zu halten.
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Siehe Dok. Nr. 422.
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Nach einer Aufzeichnung Pünders empfingen Vizekanzler Hergt, RArbM Brauns und StS Pünder am 15.2.28 abends die SPD-Abgeordneten Müller-Franken, Breitscheid, Hilferding und Dittmann und anschließend die DDP-Abgeordneten Koch-Weser, Meyer und Lüders. „Ihnen wurden die Absichten der Reichsregierung und der bisherigen Koalitionsparteien mitgeteilt und an die Oppositionsführer das Ersuchen gerichtet, die parlamentarische Erledigung eines solchen Arbeitsnotprogramms wenn auch nicht zustimmend zu unterstützen, so doch durch Unterlassung von Obstruktion und entsprechenden Abänderungsanträgen zu ermöglichen. Da die Führer der Wirtschaftlichen Vereinigung an dem Abend nicht mehr zu erreichen waren, fand eine entsprechende Aussprache mit diesen am nächsten Tage [16. 2.] statt, und zwar gegen 11 Uhr vormittags durch dieselben 3 Vertreter der Reichsregierung und die Abgeordneten Drewitz und Hampe.“ (Aufzeichnung Pünders vom 10.3.28 „Kurze geschichtliche Darstellung der letzten Verhandlungen über das Reichsschulgesetz […] und des Zustandekommens des Arbeitsnotprogramms“, Nachl. Pünder, Nr. 118, hier Bl. 6 f.).
Die Abgeordneten Graf Westarp (D.N.V.P.), v. Guérard (Zentrum), Dr. Scholz (D.V.P.) und Leicht (Bayer. V.P.) erklärten sich hiermit im wesentlichen einverstanden.
[1316] Graf Westarp (D.N.V.P.) erklärte, entscheidendes Gewicht auf die sachliche Erledigung des Arbeitsnotprogramms zu legen; die Zeit dürfe hierbei keine entscheidende Rolle spielen.
Der Abgeordnete v. Guérard (Zentrum) betonte im Gegensatz hierzu, daß die Arbeiten unbedingt bis Ende März beendigt sein müßten3.
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In einem Schreiben vom 16.2.28 an RAM Stresemann (z. Zt. in Cap Martin bei Mentone) teilte StS Pünder u. a. mit: „Das Schulgesetz ist gestern [15. 2.] morgen im Interfraktionellen Ausschuß endgültig zu Grabe getragen worden. Im unmittelbaren Anschluß daran haben sich die 4 Fraktionsführer der bisherigen Koalition mit einem Kabinettsausschuß, dargestellt aus den Ministern Hergt, Brauns, Curtius und Schätzel, wegen der nun zu treffenden Maßnahmen zusammengesetzt. Nach außen wird seitens der bisherigen Regierungsparteien augenblicklich natürlich kräftig gegeneinander geschossen, ein Manifest der einen Fraktion folgt einem anderen einer anderen Fraktion. Das hängt eben mit dem nun einsetzenden Wahlkampf zusammen. Nach innen ist es aber erfreulicherweise doch gelungen, die Harmonie leidlich zu erhalten, insbesondere besteht sie im Kabinett unvermindert fort. Dementsprechend ist nun gestern zunächst im Kabinett und dann auch im Interfraktionellen Ausschuß ein Pakt geschlossen worden, wonach man nun nicht unter Zurücklassung eines Chaos auseinanderlaufen soll, sondern noch einiges unbedingt Erforderliche erledigen muß. Hierzu gehören der Etat 1928, der Nachtragshaushalt 1927, die landwirtschaftlichen Notstandsmaßnahmen, die zurückgestellten sozialpolitischen Dinge, betreffend Sozial- und Kleinrentner, das Kriegsschädenschlußgesetz und, wenn möglich, noch das Notgesetz betreffend Überleitung der Strafrechtsreformarbeiten. Dieses Programm wird gerade eben im einzelnen durchgearbeitet und liegt wohl am heutigen Spätabend vor [vgl. Dok. Nr. 424]. Selbstverständlich mußten wir über diese Dinge sofort in enge Fühlung auch mit der Opposition treten, womit wir gestern [15. 2.] abend bereits begonnen haben. Seitens der Regierung waren hieran Exzellenz Hergt, Minister Brauns und meine Wenigkeit beteiligt. Diese Aussprachen mit den Sozialdemokraten, Demokraten und der Wirtschaftlichen Vereinigung verlaufen durchaus zufriedenstellend. Ich glaube, daß sich erreichen lassen wird, daß ohne Obstruktion und zu starke Opposition das vorerwähnte Programm bis zum 31. März erledigt werden kann. Der Herr Reichspräsident hat sich uns gegenüber bereit erklärt, nach Abwicklung dieses Notprogramms, d. h. also etwa am 31. März, den Reichstag aufzulösen. Auf einen Tag mehr oder weniger wird es hierbei natürlich nicht ankommen. Da einerseits nach der Verfassung binnen 2 Monaten nach der Auflösung gewählt werden muß, andererseits nach der Ansicht des Reichs- und Preußischen Innenministeriums zur Aufstellung der Listen eine Zeit von ungefähr 7 Wochen notwendig ist, ergibt sich nach dieser Rechnung zwangsläufig als Wahltermin der 13. oder 20. Mai. […] Die Fühlungnahme mit Preußen, daß auch dort der gleiche Wahltermin beliebt wird, ist bereits aufgenommen. Der neue Reichstag würde dann also gegen Anfang oder Mitte Juni zusammentreten. Ich vermute, daß diese Entwicklung Ihnen, hochverehrter Herr Minister, auch vom außenpolitischen Standpunkt aus nicht ungünstig erscheinen wird. Wann allerdings die neue Reichsregierung ins Amt treten wird, kann man heute noch in keiner Weise übersehen. Es mehren sich offenbar die Bedenken, die dahin gehen, daß es schwer halten wird, mit einer durch langjährige Opposition und starke zahlenmäßige Zunahme radikalisierten Sozialdemokratie alsbald zu einer Koalitionseinigung zu kommen.“ (Nachl. Pünder, Nr. 29, Bl. 9–14). Das Antwortschreiben Stresemanns an Pünder vom 20.2.28 ist abgedr. in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. III, S. 276 f.