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3. Insultierung von Mitgliedern der Entente-Kommissionen.
a) Es wurde über die Vorgänge im Hotel Adlon4 eingehend gesprochen und der Auffassung Ausdruck gegeben, daß im Hinblick auf die außenpolitische[652] Bedeutung der Prinz Albrecht gegebenenfalls in Schutzhaft gehalten werden sollte, falls etwa das Gericht den Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls ablehne5.
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Am 6. 3. abends war es im Berliner Hotel Adlon zu einem tätlichen Angriff dt. Gäste, darunter Prinz Joachim Albrecht von Preußen, auf zwei frz. Offiziere der IMKK und einen Beamten des frz. AMin. gekommen, nachdem sich die dt. Gäste beim Abspielen des Deutschlandliedes durch die Hauskapelle von ihren Plätzen erhoben hatten, während die Franzosen sitzen blieben. In Noten vom 7. 3. und Demarchen vom 8. 3. versuchen der frz. Geschäftsträger de Marcilly und Gen. Nollet beim RAM auf eine exemplarische Bestrafung der Schuldigen zu dringen, da der Zwischenfall als Glied in einer Kette absichtlich herbeigeführter Reibereien mit den in Dtld. weilenden ausländischen Militärangehörigen anzusehen sei. Der RAM weist demgegenüber u. a. darauf hin, daß die gereizte Stimmung in der Bevölkerung im wesentlichen von nationalistischen Kreisen ausgehe, auf die die republikanische RReg. nur geringe moralische Einwirkmöglichkeiten habe (R 43 I/1226, Bl. 97–101).
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Der pr. Prinz sowie der gleichfalls in den Zwischenfall verwickelte Rittmeister von Platen werden am 8. 3. auf Anordnung des RWeM in Schutzhaft genommen und am 16.4.20 vom Landgericht I Berlin zu Geldstrafen wegen versuchter Nötigung verurteilt (Schultheß 1920, I, S. 35, 104).
b) Der Reichsminister der Justiz wird außerdem ein Gesetz vorbereiten, durch das die einem Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder der Königlichen Familie usw. etwa entgegenstehenden Hausgesetze usw. oder Sondervorschriften außer Kraft gesetzt werden sollen.
c) Es wurden noch weitere Fälle von Übergriffen gegenüber Mitgliedern der Entente-Kommissionen besprochen und auf Vorschlag des Reichsministers David beschlossen, in einem Aufruf der Regierung auf das Bedenkliche derartiger Auftritte hinzuweisen6.
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Der Aufruf erscheint am 10. 3. in der Tagespresse (vgl. DAZ Nr. 128 vom 10.3.20).
d) Ferner wurde beschlossen, den Fall von Eberstein7 schleunigst zu untersuchen und gegebenenfalls darauf hinzuwirken, daß der Staatsanwalt eingreift.
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Gemeint ist wohl die Bedrohung von Offizieren der all. Baltikumskommission durch dt. Soldaten während der Schlußphase der Baltikumräumung Ende November 1919, für die seitens der Entente u. a. der Kommandierende Gen. von Eberhardt und dessen Stabschef Maj. Frhr. von Fritsch verantwortlich gemacht wurden (vgl. dazu die in Dok. Nr. 106, Anm. 3 zit. Materialien). Nachdem der Chef der Heeresleitung zu erkennen gegeben hatte, daß er nur widerwillig in eine Untersuchung der als „gehässige Beleidigungen und Verdächtigungen“ qualifizierten Vorwürfe einzutreten gewillt war (GenMaj. Reinhardt an den RWeM, abschriftlich an den RK, 20.1.20; R 43 I/49, Bl. 5), sah sich der RK am 4. 3. veranlaßt, beim RWeM auf die schleunigste Durchführung der Strafverfahren zu dringen und vor einer Verschleierung bzw. Verzögerung der Aufklärung zu warnen (ebd., Bl. 140). – Zum Fortgang s. diese Edition: Das Kabinett Müller I, Dok. Nr. 77, P. 1.