Text
2. Maßnahmen zur Sicherung des Weihnachtsfriedens.
Staatssekretär Zweigert trug den Inhalt des beiliegenden Entwurfs vor3.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß eine Anzahl von Ländern einen längeren Weihnachtsfrieden wünsche.
Der Reichspostminister bat, einen Zusatz zu § 1 zu schaffen, wonach für Länder, die eine derartige Anordnung bereits getroffen hätten, die Bestimmung des § 1 nicht gelten sollte.
[2060] Staatssekretär Dr. Weismann äußerte Zweifel darüber, ob die Länder eine derartige Bestimmung treffen könnten. Nach seiner Ansicht habe nur das Reich die rechtliche Befugnis zum Erlaß derartiger Bestimmungen.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichsminister der Finanzen bat den Reichspostminister, seine Bedenken gegen § 1 zurückzustellen.
Der Reichspostminister erklärte, auf dem von ihm vorgeschlagenen Zusatz zu § 1 bestehen zu müssen. Bayern lege auf einen derartigen Zusatz großes Gewicht4.
Das Reichskabinett stimmte dem Entwurf in der beiliegenden Fassung gegen die Stimme des Reichspostministers zu5.
Fußnoten
- 3
Der RIM hatte den Entw. am 3.12.31 vorgelegt. Der Entw. verbot für die Zeit vom 20.12.31–3.1.32 öffentliche politische Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel. Außerdem war die Publikation, der Anschlag oder die Ausstellung politischer Plakate, Flugblätter und Flugschriften verboten. Wer entgegen dem Verbot eine politische Versammlung oder einen Aufzug veranstaltete, leitete oder als Redner auftrat, sollte mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft werden. Gefängnis- oder Geldstrafe waren für die Teilnehmer an einer Versammlung oder einem Aufzug angedroht. Die Verbreitung politischer Plakate sollte mit Gefängnis bis zu drei Moanten geahndet werden (R 43 I/2701 a, Bl. 278).
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Der Bayerische Gesandte v. Preger erhob am 4.12.31 „schwerste Bedenken dagegen […], daß eine solche polizeiliche Einzelmaßnahme von Reichs wegen erlassen wird. Wie ich bereits ausgeführt habe, steht meine Regierung auf dem Standpunkt, daß in den Ländern, in denen ein geordneter Staatsbetrieb gesichert ist, unmittelbare polizeiliche Anordnungen von Reichs wegen, die immer einen zum mindesten unerwünschten Eingriff in die verfassungsmäßig geschützte Polizeihoheit der Länder darstellen, zu vermeiden sind, und nur dann am Platz wären, wenn die Länder sich weigern würden, einem Wunsch der Reichsregierung nach Erlaß einer solchen Anordnung zu entsprechen. Die Bayerische Regierung […] muß aber Rechtsverwahrung dagegen einlegen, daß unter den gegebenen Umständen eine solche Verordnung von Reichs wegen auch mit Rechtswirkung für Bayern erlassen wird und beantragt, daß Bayern von der vom Reich zu erlassenden Notverordnung ausgenommen wird. Sie schlägt daher vor, in der Verordnung zu bestimmen, daß, soweit nicht ein Land von sich aus eine Anordnung der in Rede stehenden Art getroffen hat oder treffen wird, die Abhaltung politischer Versammlungen verboten wird“ (R 43 I/2701 a, Bl. 284).