Text
[432] Nr. 109
Aktennotiz des Reichskanzlers über eine Besprechung mit dem Britischen Botschafter Sir Horace Rumbold am 22. August 19321
[Deutschlands Gleichberechtigung auf dem Gebiet der Rüstung, Schutz der deutschen Ostgrenze]
Der Britische Botschafter, Sir Horace Rumbold, war soeben zu einer Besprechung bei mir. Der Vorwand war, mir über seine Reise nach dem Saargebiet zu berichten, wo er sich allerdings nur einen Tag aufgehalten hat, ohne also einen wesentlichen Eindruck der Verhältnisse gewonnen zu haben. Er hat eine Rundreise über Saarbrücken, Verdun, Luxemburg und Trier gemacht.
Das Gespräch behandelte hauptsächlich die innerpolitische Lage Deutschlands, wobei ich den Botschafter nach Möglichkeit über die zukünftige Entwicklung beruhigte.
Er fragte mich alsdann, ob es wahr sei, daß wir neue Verhandlungen mit Frankreich in der Gleichberechtigungsfrage begonnen hätten; er sei von mehreren Kollegen darüber befragt worden, habe aber behauptet, es sei nicht der Fall. – Ich wies darauf hin, daß Baron Neurath zur Zeit beurlaubt sei und daß ich ihm über die Details der Frage eine Antwort nicht geben könne2. Generell sei ich der Ansicht, daß die Bereinigung der Gleichberechtigungsfrage im Gesamtbild der deutschen innerpolitischen Entwicklung eine außerordentliche Wichtigkeit habe. Die Britische Regierung müsse verstehen, daß es von europäischem Interesse sei, die gegenwärtige Deutsche Regierung zu unterstützen. Dies könne am besten durch eine kräftige Befürwortung unseres Standpunktes bezüglich der Beseitigung der Diskriminationen geschehen.
Sir Horace Rumbold meinte, daß die Hauptschwierigkeit dieser Frage vermutlich in dem Verhältnis Deutschland – Polen zu suchen sei, wohingegen ich darauf hinwies, daß die polnische Armee mehr als doppelt so stark als die deutsche sei und daß Deutschland jedes Schutzes seiner Ostgrenze beraubt sei. Die Herstellung der Gleichberechtigung bedeute also weiter nichts als die Verwirklichung des Anrechts Deutschlands auf den gleichen Schutz seiner Grenzen, wie ihn alle anderen Völker für sich fordern.
[433] In diesem Zusammenhange streifte er mit einem Wort auch das deutsch-russische Verhältnis. In England stehe man der prinzipiellen Frage der Gleichberechtigung sympathisch gegenüber, mache sich aber kein rechtes Bild davon, wie der Anspruch Deutschlands verwirklicht werden könne.
Ich wies den Botschafter darauf hin, daß die Zeit sehr dränge, und daß er es nicht versäumen solle, die Britische Regierung darauf aufmerksam zu machen, daß die Frage der sozialen Stabilisierung Deutschlands nicht nur eine deutsche, sondern eine eminent europäische Frage sei. Die Staatsmänner, die die Wichtigkeit dieser Aufgabe erkannt hätten, müßten sich endlich entschließen, auch entsprechend zu handeln.
P[apen]
Fußnoten
- 1
Gemäß Verfügung des RK übersandte Planck am 23. 8. Abschrift dieser Aktennotiz an den RAM (R 43 I/520, Bl. 152–153).