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[Arbeitslosenversicherung.]
Der Reichskanzler eröffnete die Besprechung und bat die anwesenden Fraktionsvorsitzenden, die Stellungnahme ihrer Fraktionen mitzuteilen.
Der Abgeordnete Dr. Zapf (DVP) erklärte, die Deutsche Volkspartei lehne die Beitragserhöhung ab, wenn nicht noch weitergehende Ersparnismaßnahmen beschlossen würden als bisher. Die bisher beschlossenen Ersparnismaßnahmen seien nach Ansicht der Deutschen Volksparteien nicht ausreichend, um eine Sanierung der Reichsanstalt zu erreichen.
Der Abgeordnete Aufhäuser (VSPD) führte aus, daß die Sozialdemokratische Partei den beiden Gesetzentwürfen in der Fassung der Ausschußberatungen grundsätzlich zustimme. Die Partei gehe jedoch davon aus, daß durch die Vertagung der Beschlußfassung über die Beitragserhöhung das Problem des Leistungsabbaus in der Arbeitslosenfürsorge nicht später neu aufgerollt werden dürfe. Es sei am besten, wenn im § 4 die Beitragserhöhung jedoch offen gelassen werde.
Der Reichsminister der Finanzen wies auf die Gefahr hin, daß Ersparnisse in Höhe von ungefähr 100 Millionen Mark ausfielen, wenn nicht die Arbeitslosenreform jetzt zustande komme.
Der Abgeordnete Dr. Zapf (DVP) betonte, daß seine Fraktion eine Verschärfung der innenpolitischen Lage unbedingt vermeiden wolle. Die Fraktion könne jetzt nicht erklären, daß sie in 2 Monaten einer Beitragserhöhung zustimmen werde.
[989] Die übrigen Regierungsparteien müßten Verständnis für die Situation aufbringen, in der sich die Deutsche Volkspartei befinde. Der Hauptstoß des Hugenbergschen Volksbegehrens richte sich gegen die Deutsche Volkspartei. Die Volkspartei könne es jetzt nicht ertragen, wenn ihr ein Umfall in der bisherigen Haltung zur Frage der Reform der Arbeitslosenversicherung vorgeworfen werde. Im übrigen sei die Volkspartei davon überzeugt, daß noch weitere Abbaumaßnahmen in der Reform der Arbeitslosenversicherung später zwangsläufig getroffen werden müßten.
Der Reichskanzler betonte, daß wohl keine Regierung noch weitere Abbaumaßnahmen in [der] Reform der Arbeitslosenversicherung werde vornehmen können, als die bisher geplanten.
Der Abgeordnete Dr. Haas (Dem. Part.) bezeichnete es als eine Katastrophe, wenn die Regierungsparteien sich jetzt nicht verständigten. Vielleicht könnten die Sozialdemokraten und die Deutsche Volkspartei ihre grundsätzliche Stellungnahme zur Reform der Arbeitslosenversicherung vor der Abstimmung im Plenum in einer Erklärung bekannt geben. Es sei nötig, daß auch die Deutsche Volkspartei für das Gesetz stimme.
Der Reichsminister der Finanzen betonte nochmals die Notwendigkeit, daß jetzt Ersparnismaßnahmen beschlossen würden. Die Frage der Beitragserhöhung werde nicht lange offen bleiben können. Im November werde es keine Partei wagen können, sozialpolitische Fragen neu aufzuwerfen.
Der Abgeordnete Wels (VSPD) wies darauf hin, daß die Sozialdemokratie bereits Konzessionen gemacht habe, die eine Ersparnis von 100 Millionen Mark erzielten. Auch die Sozialdemokratie befinde sich in Abwehr gegen das Hugenbergsche Volksbegehren, nicht nur die Deutsche Volkspartei. Die Massen dürften jetzt durch einen zu starken Abbau der sozialen Leistungen nicht verbittert werden. Alle Regierungsparteien müßten die Vorlage zur Reform der Arbeitslosenversicherung jetzt annehmen. Die Beitragserhöhung müsse in 2 Monaten spätestens beschlossen werden.
Der Abgeordnete Dr. Zapf (DVP) erklärte, daß immerhin Verhältnisse eintreten könnten, die der Deutschen Volkspartei eine Beitragserhöhung in 2 Monaten um ½% möglich machen könnten.
Der Reichswirtschaftsminister führte aus, daß die Deutsche Volkspartei wahrscheinlich eine Erklärung im Plenum des Reichstags vor der Schlußabstimmung abgeben werde, in der sie ihre Haltung begründen werde1. Er regte im übrigen an, die §§ 1 und 2 a des Sondergesetzes in die Hauptvorlage zu übernehmen und das Sondergesetz im übrigen fallen zu lassen. Vielleicht sei es für die Deutsche Volkspartei nicht unmöglich, Stimmenthaltung zu üben2.
Der Abgeordnete Esser begrüßte den Vorschlag des Reichswirtschaftsministers, die §§ 1 und 2 a des Sondergesetzes in das Hauptgesetz zu übernehmen und das Sondergesetz fallen zu lassen.
[990] Die Besprechung wurde hierauf geschlossen, nachdem die Parteien dem Vorschlage des Reichskanzlers zugestimmt hatten, sogleich im Anschluß an diese Besprechung die erforderlichen Anträge zu dem Gesetzentwurf über die Arbeitslosenreform möglichst gemeinsam zu formulieren und sodann einzubringen3.
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Siehe hierzu die Anträge der Regierungsparteien in der RT-Sitzung vom 1. 10., RT-Bd. 426, S. 3200 f. In der Plenarsitzung vom 3. 10. zog der RArbMin. den GesEntw. über die befristete Änderung der ALV zurück, da § 1 in den GesEntw. des Änderungsgesetzes eingearbeitet worden war; siehe RT-Bd. 426, S. 3237. Das Gesetz wurde veröffentlicht im RGBl. 1929 I, S. 153 ff.