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Nr. 657
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Haltung des Stahlhelms zur Wahl des Reichspräsidenten. 2. Februar 1932
Heute gegen 11.30 Uhr vormittags rief mich der Geschäftsführer des Stahlhelm, Hauptmann a. D. Ausfeld, an und bat mich im Auftrage des Herrn Bundeskanzlers Wagners dem Herrn Reichskanzler folgendes zu übermitteln: dem Herrn Bundesführer Seldte sei es sehr unangenehm, daß er entgegen der mit dem Herrn[2254] Reichskanzler getroffenen Verabredung noch nicht bis dahin eine endgültige Antwort hätte erteilen können1. Leider lasse sich diese Antwort noch nicht vor dem 9. Februar geben, zu welchem Zeitpunkt er sie aber hiermit anmelde2.
An diese mehr formelle Mitteilungen schloß sich ein längeres mehr persönliches Telephongespräch zwischen uns beiden an. Herr Ausfeld betonte zunächst, daß der Stahlhelm in der zwischen dem Herrn Reichskanzler und dem Herrn Bundesführer Seldte besprochenen Linie versuche, Einfluß auf die nationale Opposition zu gewinnen. Diese Verhandlungen verliefen aber sehr schwierig. Zwischendurch erwähnte Herr Ausfeld als Ziel dieser Verhandlungen die bedingungslose Wiederwahl des Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg ohne politische Bedingungen und lediglich auf der Grundlage der Erklärungen des Herrn Reichskanzlers, die er Herrn Seldte abgegeben habe. Die Verhandlungen verliefen auch deshalb schwierig, weil man noch nicht wisse, wie die Nationalsozialisten sich verhalten würden, zumal diese offensichtlich noch keine klare Haltung festgelegt hätten3. Vor einigen Tagen sei bei den Leitern der Nationalsozialisten der Gedanke vorherrschend gewesen, einen Kandidaten aufzustellen, der nicht zu ihnen selber gehöre, sondern der übrigen Rechten, aber doch so, daß er die Gewähr biete, daß die nationalsozialistischen Wähler ihm zustimmten. Insbesondere hätte hier eine bestimmte Persönlichkeit als etwaiger Kandidat im Vordergrund gestanden, der so geschickt ausgewählt worden wäre, daß sich einer solchen Kandidatur die übrige Rechte vielleicht gar nicht hätte entziehen können4. Diese akute Gefahr sei aber inzwischen bereits überwunden. Hinsichtlich des im Anfang unseres Gesprächs erwähnten neuen Termins vom 9. Februar erklärte Herr Ausfeld auf mein Befragen, daß der Stahlhelm den übrigen Teilen der Rechtsopposition gewissermaßen ein Ultimatum bis zum 8. Februar gestellt habe, bis zu welchem Zeitpunkt endgültige Klarheit geschaffen werden müsse, da sonst der Stahlhelm zu eigenen Entschlüssen kommen müsse. Für letzteren Fall hielt Herr Ausfeld, wie ich durch Befragen ausdrücklich feststellte, eine eigene Aktion des Stahlhelms im Sinne der Proklamation der Hindenburg-Kandidatur nicht für ausgeschlossen. Ich ermunterte ihn sehr in dieser Auffassung und betonte, daß auch nach unserer Ansicht ein Anschluß des Stahlhelms an den Sahm-Aufruf absolut nicht erforderlich sei und daß eine ähnlich gerichtete Sonderaktion des Stahlhelms mindestens den gleichen günstigen Effekt haben könne. Wir waren in bezug auf diesen Punkt einer Meinung. Herr Ausfeld betonte auch noch, daß ihm die Zustimmung der übrigen Teilnehmer der nationalen Opposition, einschließlich des Stahlhelms, zu einer etwaigen Hitler-Kandidatur vollkommen ausgeschlossen erscheine. Abschließend sagte ich Herrn Ausfeld gern zu, mit ihm in Fühlung zu bleiben, was er, umgekehrt, auch mir versprach und nochmals betonte, daß der Herr Bundesführer dem Herrn Reichskanzler zu dem eingangs erwähnten Termin seine Antwort zukommen lassen würde.
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Vgl. Dok. Nr. 646, Anm. 10. Zu den Spannungen innerhalb der NSDAP siehe Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 408 und Dok. Nr. 415, und den Artikel „Hinter den Kulissen“ in: Der Deutsche, Nr. 22 vom 27.1.32, Nachl. Pünder
Nr. 97, Bl. 196.
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Nicht ermittelt; vgl. aber Dok. Nr. 665, Anm. 6.
Pünder