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Abrüstungsfrage.
Der Reichskanzler dankte einleitend dem Botschafter a. D. Graf Bernstorff für seine aufopferungsvolle Arbeit in Genf und die tatkräftige Vertretung der deutschen Interessen während der vorbereitenden Konferenz1.
Botschafter Graf Bernstorff berichtete sodann über die letzten Verhandlungen der vorbereitenden Abrüstungskonferenz2. Er begründete, warum der Konventionsentwurf dieser vorbereitenden Konferenz für Deutschland nicht tragbar gewesen sei3. Als die wichtigsten Gründe der deutschen Ablehnung bezeichnete er folgende:
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S. dazu Schultheß 1930, S. 453–456. Telegramme Bernstorffs aus Genf über den Verlauf der Tagung befinden sich in R 43 I/517, Bl. 241–321.
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Der Konventionsentw. ist in R 43 I nicht vorhanden. Ein Exemplar der Konvention in frz. Sprache befindet sich im Pol. Arch. des AA, Büro RM, 18–1, Sicherheitskomitee Abrüstung Bd. 2.
1. | die Landabrüstung sei zu Gunsten der Seeabrüstung geopfert worden; |
2. | eine direkte Verminderung des Kriegsmaterials sei nicht beschlossen worden. Es sei nur die indirekte Verminderung auf dem Wege über die Budgets der verschiedenen Staaten übriggeblieben; |
3. | nur der chemische Krieg sei verboten worden. Alle anderen Anträge, insbesondere Deutschlands, noch weiter Kategorien von Kriegsmitteln zu verbieten, seien abgelehnt worden; |
4. | in dem Konventionsentwurf sei an der Sanktionierung der früheren Verträge, also z. B. auch des von Versailles festgehalten4. |
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Am 27. 11. war bei Stimmenthaltung Dtlds, Italiens, der UdSSR und der neutralen Mächte mit 14 Stimmen der Art. 53 der Konvention angenommen worden: „Das gegenwärtige Abrüstungsabkommen schränkt in keiner Weise die Verpflichtungen ein, die aus den früheren Verträgen herrühren, nach denen gewisse vertragschließende Staaten eine Begrenzung ihrer Land-, See- und Luftrüstungen angenommen haben und in denen die gegenseitigen Rechte und Pflichten festgesetzt worden sind. Die vertragschließenden Staaten erklären, die in dem Abkommen festgesetzte Grenze für Rüstungen nur annehmen zu können im Hinblick auf die oben erwähnten Verpflichtungen und deren Aufrechterhaltung, die, was sie betrifft, eine wesentliche Bedingung der Einhaltung des Abrüstungsabkommens bilde“ (Schultheß 1930, S. 455).
Der deutsche Antrag, das Datum der Hauptkonferenz auf den 5. November zu fixieren, sei abgelehnt worden5. Die Festsetzung des Termins sei dem[751] Völkerbundsrat überlassen, der voraussichtlich ein Datum zwischen November 1931 und März 1932 wählen werde.
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Der Ausschuß hatte am 2. 12. den dt. Vorschlag mit 14 Stimmen gegen die Voten Dtlds, Italiens, der UdSSR und Bulgariens abgelehnt (Schultheß 1930, S. 455).
Auf Grund des Berichts des Botschafters Graf Bernstorff bestand Einvernehmen, daß eine weitere Besprechung der Abrüstungsfrage im Reichskabinett vor Beginn der Genfer Ratstage abgehalten werden soll6.
Die Chefbesprechung wurde hierauf geschlossen.