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Behandlung der Entwürfe Dr. Bests zu neuen Aufwertungsgesetzen (Reichstagsdrucksachen Nr. 2581 und Nr. 2582)1.
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Die Abgeordneten v. Graefe, Best und Genossen (Völkische Arbeitsgemeinschaft) hatten am 11.10.26 dem RT den „Entwurf eines Gesetzes über die Umwertung von Hypotheken und anderen Ansprüchen“ sowie den „Entwurf eines Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen“ vorgelegt. Die Entwürfe stimmen im wesentlichen mit dem vom Sparerbund in Verbindung mit dem Abg. Best erstellten Aufwertungsgesetzentwurf überein, dessen Zulassung zum Volksbegehren durch Beschluß der RReg. vom 19.7.26 abgelehnt worden war (siehe Dok. Nr. 62, P. 3).
Am 8.11.26 teilte StS Joel (RJMin.) der Rkei telefonisch mit: „Minister Bell habe erfahren, daß im Reichstage ernsthafte Kräfte am Werke seien, den Entwurf eines neuen Aufwertungsgesetzes (Reichstagsdrucksachen 2581, 2582) der Abgeordneten Best u. Gen. im Reichstage baldigst auf die Tagesordnung zu bringen. Auch bei bürgerlichen Parteien soll Stimmung zu einer gewissen Novellengesetzgebung zum Aufwertungsgesetz [vom 16.7.25] bestehen. Der Reichsjustizminister hat gegen diese Strömung grundlegende Bedenken. Er ist der Auffassung, daß irgend ein Eingehen auf die auftauchenden Anträge abzulehnen sei und hält eine unverzügliche Einigung zwischen der Regierung und den Regierungsparteien nach dieser Richtung für geboten.“ (Vermerk des MinR Vogels vom 8. 11., R 43 I/2458, Bl. 87). – In einem Schreiben an den RJM vom 10.11.26, das dem RK in Abschrift zuging, setzte sich das Rbk-Direktorium mit den neuen Aufwertungsentwürfen kritisch auseinander und warnte eindringlich vor einer Wiederaufrollung der Aufwertungsfrage (R 43 I/2458, Bl. 92–97).
Der Reichskanzler wies auf die dem Reichstage vorliegenden Entwürfe eines Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen sowie eines Gesetzes[313] über die Umwertung von Hypotheken und anderen Ansprüchen der Reichstagsabgeordneten v. Graefe, Dr. Best u. Gen. hin und erklärte, daß er angesichts der besonderen Bedeutung des durch diese Gesetzentwürfe erneut aufgerollten Aufwertungsproblems eine Aussprache der Regierung und der Regierungsparteien über das taktische Vorgehen in dieser Angelegenheit für geboten halte. Die Regierung sei nicht gewillt, die Initiative zu einer Novellengesetzgebung2 zu ergreifen. Von einer Initiative der Regierung in der Sache könne übrigens nicht mehr gesprochen werden, nachdem die Angelegenheit durch die Einbringung der Gesetzentwürfe ja schon in Fluß gebracht worden sei. Er halte es ferner nicht für möglich, daß die Regierung mit einer Erklärung hervortrete, daß sie kategorisch jede Mitwirkung an einer Novellengesetzgebung a limine ablehne, weil die Regierung nach den Erfahrungen der letzten Tage gegenüber der vereinigten Opposition der Flügelparteien3 mit einer solchen Erklärung praktisch nicht weiterkommen könne.
Die Vertreter der Parteien erörterten zunächst, ob der Opposition nicht dadurch in etwa das Wasser abgegraben werden könne, daß die Regierung sich zur Korrektur gewisser Schönheitsfehler, die das System und den Kern der bestehenden Regelung unberührt lasse, bereitfinde. Im Lauf der Debatte überzeugten sich die Parteiführer jedoch davon, daß es „Schönheitsfehler“ der gedachten Art nicht gebe und daß schon der kleinste Anfang einer Gesetzesänderung eine Ablehnung der weitergehenden Reformwünsche unmöglich machen werde. Diese Ablehnung werde die ohnehin bestehende Beunruhigung nur noch vergrößern.
Man war sich darüber einig, daß die Gesetzentwürfe für den Fall, daß sie auf der Tagesordnung erscheinen sollten, einem Ausschuß zu überweisen sein würden, und zwar dem Rechtsausschuß und nicht einem besonderen, neu zu bildenden Aufwertungsausschuß. Das große Fragezeichen in der Weiterentwicklung der Sache werde alsdann die Haltung der Deutschnationalen sein.
Nach eingehender Aussprache einigte man sich dahin, daß es nicht angezeigt sei, die Haltung der Deutschnationalen schon jetzt zu erkunden, vielmehr hielt man es für angezeigt, einstweilen in der ganzen Angelegenheit absolute Zurückhaltung zu bewahren und weitere Entschließungen erst dann zu fassen, wenn die Gesetzentwürfe tatsächlich auf der Tagesordnung erscheinen4.