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[597]1. Entwurf einer Geschäftsordnung der Reichsregierung1.
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Mit Schreiben vom 28. 4. hatte die Rkei den Entwurf der „Geschäftsordnung der RReg.“ an die RM übersandt (R 43 I/1489, Bl. 243-251; hier und in R 43 I/1488 verschiedene Vorentwürfe, Voten und sonstige Materialien zur Geschäftsordnung). Die endgültige Fassung der Geschäftsordnung, wie sie in dieser Kabinettssitzung beschlossen wird, ist als Dok. Nr. 192 abgedruckt.
[…]
Zu § 12 machte der Reichswirtschaftsminister darauf aufmerksam, daß eine Abweichung von den Richtlinien auch theoretisch nicht möglich sei, der Gedanke müsse anders gefaßt werden.
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§ 1 des Entwurfs lautet: „Die vom RK gegebenen Richtlinien der Politik sind von sämtlichen RM innezuhalten und in ihrem Geschäftsbereich zu verwirklichen. Eine Abweichung von den Richtlinien ist nur mit Zustimmung des RK zulässig.“
Staatssekretär Zweigert erklärte sich damit grundsätzlich einverstanden; in welcher Form jedoch die Festlegung der Richtlinien geschehen müsse, in die Geschäftsordnung aufzunehmen, halte er nicht für zweckmäßig.
Zu § 23 wünschte der Reichswirtschaftsminister eine Ergänzung, wonach die Reichskanzlei ganz allgemein bei Fragen, die über den Geschäftsbereich eines Ressorts hinausgingen, zu beteiligen wäre.
Der Reichsminister der Finanzen glaubte, daß dadurch eine starke Vermehrung des Personals der Reichskanzlei notwendig wäre, auch hielt er diese Bestimmung mit Rücksicht auf die über die Einhaltung der Richtlinien nicht für notwendig.
Staatssekretär Zweigert machte darauf aufmerksam, daß die Minister innerhalb ihres Ressorts selbständig seien.
Zu § 64 teilte Ministerialdirektor Dr. Kempner mit, daß der Wunsch hervorgetreten sei, den Paragraphen durch die Bestimmung zu ergänzen: der Staatssekretär in der Reichskanzlei nimmt gleichzeitig die Geschäfte eines Staatssekretärs der Reichsregierung wahr.
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§ 6 des Entwurfs entspricht § 6 Abs. 1 der Endfassung.
Das Kabinett war damit einverstanden.
[…]
Zu § 30 bat Ministerialdirektor v. Schlieben, den Absatz 25 durch eine Bestimmung zu ergänzen, nach der auch andere Beamte als Staatssekretäre zur Vertretung ihres Ministers unter Beibringung einer schriftlichen Vollmacht befugt seien.
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§ 30 Abs. 2 des Entwurfs: „Ist ein RM abwesend oder verhindert, so nimmt in seiner Vertretung regelmäßig der StS […] mit Stimmrecht teil.“
Das Kabinett war vorbehaltlich der Fassung damit einverstanden.
Staatssekretär Zweigert beantragte eine Ergänzung6, nach der der Reichskanzler befugt sein solle, Kabinettssitzungen auf die Minister zu beschränken.
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zu § 30.
Der Reichsminister der Finanzen hielt eine derartige Bestimmung für nicht notwendig. Ein Ministergremium sei kein Ersatz des Kabinetts, sondern ein konsultatives Gremium des Reichskanzlers für die Festlegung der Richtlinien der Politik. Eine derartige Einschränkung sei außerdem vom Standpunkt seines[598] Ressorts aus untragbar. Es ginge nicht an, daß ein Ministergremium während seiner Abwesenheit Beschlüsse von finanzieller Auswirkung fasse.
Staatssekretär Bracht glaubte, daß dem Bedenken des Reichsministers der Finanzen durch eine Erweiterung des § 327 Rechnung getragen werden müsse.
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§ 32 des Entwurfs: „Beschließt die RReg. abgesehen von §§ 20, 21 der Reichshaushaltsordnung in einer Frage von finanzieller Bedeutung gegen die Stimme des RFM, so kann dieser gegen den Beschluß ausdrücklich Widerspruch erheben. Wird Widerspruch erhoben, so ist über die Angelegenheit in einer weiteren Sitzung der RReg. erneut abzustimmen. Die Durchführung der Angelegenheit, der der RFM widersprochen hat, muß unterbleiben, wenn sie nicht in der neuen Abstimmung von der Mehrheit sämtlicher RM beschlossen wird und der RK mit der Mehrheit gestimmt hat.“
Der Reichswirtschaftsminister schloß sich dem Antrage von Staatssekretär Zweigert an.
Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich mit dem Antrag Zweigert einverstanden unter der Voraussetzung, daß § 32 erweitert werde in Satz 1 durch die Worte „oder ohne“ (die Stimme des Reichsministers der Finanzen) und in Satz 3 durch die Worte „in Anwesenheit des Reichsministers der Finanzen oder seines Vertreters“.
Das Kabinett nahm den Antrag Zweigert und die Erweiterung des § 32 an.
Zu § 31 bat Staatssekretär Joel, den Wortlaut mit § 28 in Einklang zu bringen.
Staatssekretär Zweigert beantragte die gleichzeitige Verabschiedung der gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien, Besonderer Teil8.
Das Kabinett beschloß die Verabschiedung vorbehaltlich einer Einspruchsmöglichkeit bis Montag, den 5. Mai 1924.
Der Reichsminister des Innern wurde ermächtigt, im Benehmen mit der Reichskanzlei die Geschäftsordnung der des Kabinetts inhaltlich anzugleichen und stilistische Verbesserungen vorzunehmen9.