1.8 (mu22p): Nr. 264 Vermerk Staatssekretär Pünders über die Behandlung der Reform in der Arbeitslosenversicherung. Scheveningen, 13. August 1929

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Nr. 264
Vermerk Staatssekretär Pünders über die Behandlung der Reform in der Arbeitslosenversicherung. Scheveningen, 13. August 1929

R 43 I /2035 , Bl. 168-170, hier: Bl. 168-170 Durchschrift1

1

Der Vermerk war für die deutsche Delegation im Haag bestimmt.

Die Reichskanzlei hat sich im Laufe des heutigen Vormittag im Sinne der gestrigen hiesigen Entschließung […] weiterhin bemüht2. Herr Vizepräsident Esser, der augenblicklich in Köln weilt, hat erklärt, daß jetzt eine Vertagung des Sozialpolitischen Ausschusses um eine Woche nicht mehr möglich sei. Das sei aber nicht schlimm, da er folgendermaßen vorzugehen gedenke:[857] Am kommenden Donnerstag [15. August] werde er nur ein Referat über die Vorschläge des Enquêteausschusses halten lassen; dann werde er gleich vertagen auf den folgenden Freitag, an dem dann eine kurze Generaldebatte stattfinden soll. Dann werde er wiederum vertagen auf kommenden Montag [19. August], an dem hinsichtlich einiger Sonderfragen bereits Verhandlungen mit Vertretern des Deutschen Städtetages vorgesehen seien. Wie lange diese dauerten, könne er im Augenblick noch nicht übersehen. Jedenfalls komme er auf diese Weise sowieso schon reichlich in die nächste Woche hinein, so daß zur Vorbereitung des endgültigen Kabinettsbeschlusses und der vorgesehenen Fraktionsführerbesprechung noch genügend Zeit übrig bleibe. (Außerdem hat Herr Esser anscheinend die Idee, daß, wenn der Ausschuß einmal am Tagen sei, dies einen gewissen Druck auf baldige materielle Erledigung ausüben werde.)

2

Zur Besprechung Severings und Wissells mit den im Haag weilenden Ministern hatte Pünder am Vortag telefonisch der Rkei berichtet: „Die Auffassung der sechs RM geht einhellig dahin, daß im gegenwärtigen Augenblick politische Krisen unter allen Umständen vermieden werden, daß aber auf der anderen Seite den bevorstehenden Beratungen des Sozialpolitischen Ausschusses des RT ein materieller Kabinettsbeschluß vorgelegt werden müsse. Um nun eine einmütige Haltung des Reichskabinetts zu erzielen, ist nach Auffassung der sechs RM eine zuvorige Aussprache im Kreise der fünf Fraktionsführer dringend erforderlich.“ Es sei daher erwünscht die Ausschußsitzung auf den 22. 8. zu vertagen (R 43 I /2035 , Bl. 139, hier: Bl. 139).

Von vorstehenden Dispositionen sind heute morgen gleich die in Berlin anwesenden Herren Reichsminister, insbesondere [die] Herren Groener und Wissell, unterrichtet worden. Exzellenz Groener hat nunmehr für morgen, 11 Uhr vormittags, eine kurze Ministerbesprechung angesetzt, in der lediglich über die Scheveninger Verhandlungen und über das weitere technische Vorgehen Bericht erstattet werden soll3. Für kommenden Donnerstag [15. August], 11 Uhr vormittags, sind dann die Fraktionsführer mit ihren Spezialisten in die Reichskanzlei eingeladen4. In dieser Besprechung soll zunächst auch sichergestellt werden, daß man sich im Sozialpolitischen Ausschuß, der am kommenden Donnerstag erst um 2 Uhr nachmittags seine Arbeit aufnimmt, nicht gleich auseinanderredet, sondern zuvor die bevorstehende Entschließung des Reichskabinetts abwartet.

3

Siehe Dok. Nr. 266.

4

Siehe Dok. Nr. 268.

Die Frage der Reichskanzlei, ob ich mich mit vorstehenden Dispositionen einverstanden erkläre, habe ich bejaht.

Zur Illustrierung der Situation möchte ich noch mitteilen, daß sich heute morgen Herr Abgeordneter Dr. Scholz in der Reichskanzlei nach dem weiteren Ablauf der Angelegenheit erkundigt hat. Er zeigte sich außerordentlich damit einverstanden, daß Herr Abgeordneter Esser wie oben angegeben vorgehen wolle und nicht vertagt habe. „Er sei geradezu empört, wenn seitens der Reichsregierung wirklich die Absicht bestehen sollte, die Sache überhaupt zu vertagen.“ Herr Ministerialrat Feßler hat ihm gleich auseinandergesetzt, daß dies auch keineswegs die Absicht der Reichsregierung sei, daß es sich nur um eine Verlegung um eine Woche hätte handeln sollen und die Reichsregierung unter allen Umständen vorher noch materiell Stellung nehmen werde. Herr Dr. Scholz zeigte sich dann beruhigt und hielt es gleichfalls für sehr zweckmäßig, wenn sich am kommenden Donnerstag 11 Uhr vormittags, die Fraktionsführer zu der Besprechung einfänden.

Ich gestatte mir, von Vorstehendem ergebenst Mitteilung zu machen, mit der Bitte, etwa vorhandene Bedenken oder Anregungen mir gütigst mitteilen zu wollen.

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