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Die Kabinettsbildung
Vorbereitungen zur Bildung einer neuen Reichsregierung wurden von den Führern der Reichstagsfraktionen bereits unmittelbar nach dem Ausscheiden der Deutschnationalen aus der Regierungskoalition aufgenommen. Den Auftakt zur ersten Verhandlungsrunde bildete eine Erklärung der Regierungsparteien, in der sie sich von den Deutschnationalen scharf distanzierten, sowie ein am 5. November 1925 stattfindendes Sondierungsgespräch zwischen Vertretern von Zentrum, DDP und SPD über Möglichkeiten eines Kabinetts der Großen Koalition. Diese Bemühungen blieben jedoch völlig ergebnislos, und zwar in der ersten Novemberhälfte wegen des beharrlichen Festhaltens der Sozialdemokraten an ihrer Forderung nach Auflösung des Reichstags, und später, weil, wie Fehrenbach bei seinen Sondierungen Anfang Dezember feststellen mußte, weder SPD noch DVP sich in eindeutig positiver Weise für die Große Koalition erklären wollten.
Am 7. Dezember griff daher Hindenburg in die Auseinandersetzungen ein, indem er die Parteien zu rascher Einigung aufforderte und deutlich zu erkennen gab, daß er angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Winters – sofern sich eine befriedigende Arbeitsgrundlage vereinbaren ließe – die Bildung der Großen Koalition begrüßen würde. Daraufhin sagten ihm Zentrum, DDP und mit gewissen Vorbehalten auch DVP die Mitwirkung an weiteren gegenseitigen Fühlungnahmen in dieser Richtung zu. Die Verhandlungsführer der Sozialdemokraten hingegen erklärten unter Hinweis auf die unsichere Haltung der DVP, daß sie nur mit einem fest umrissenen Programm in die Beratungen eintreten wollten und legten eine aus zahlreichen sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen bestehende Fraktionsentschließung vor, die vom Reichspräsidenten sogleich mit den übrigen Parteien besprochen wurde.
Das Ergebnis seiner Bemühungen war am 14. Dezember die Betrauung des demokratischen Fraktionsvorsitzenden Koch-Weser mit der Kabinettsbildung auf der Grundlage der Großen Koalition. Dieser gab seinen Auftrag aber schon nach dreitägigen Verhandlungen wieder zurück und berichtete dem Reichspräsidenten, daß die DVP den Wünschen der SPD sehr weit entgegengekommen sei, doch hätten die Sozialdemokraten, die mit Rücksicht auf die Interessen ihrer Wähler bis zur Entspannung der Wirtschaftslage in der Opposition verbleiben[LV] wollten, keine echte Kompromißbereitschaft erkennen lassen. Das Projekt der Großen Koalition war damit bereits endgültig gescheitert; denn die kurze Sondierung, die der Reichspräsident in den ersten Januartagen 1926 hierzu noch unternahm, erbrachte nur die erneute Bestätigung der zwischen SPD und DVP bestehenden unüberwindlichen sozialpolitischen Gegensätze. Hindenburg beauftragte daher am 13. Januar den geschäftsführenden Reichskanzler Luther mit der Bildung eines Kabinetts der Mittelparteien94.
Bei den nun folgenden sechstägigen Koalitionsgesprächen konnte Luther, dessen Verhandlungsführung nach dem Zeugnis Koch-Wesers durch einen auffallenden Mangel an persönlichem Engagement gekennzeichnet war, die grundsätzliche Zustimmung der Fraktionen von Zentrum, DVP, DDP und BVP zur Mitarbeit in einer „neutralen Regierung der Mitte“ zwar schnell gewinnen, jedoch nicht verhindern, daß in der anschließenden Beratung über die Besetzung der Reichsministerien Schwierigkeiten auftraten, welche den Erfolg seiner Bemühungen sogleich wieder in Frage stellten. Überraschend hatte nämlich die Bayerische Volkspartei gegen die vorgesehene Übernahme des Innenressorts durch Koch-Weser, dem sie extremen Unitarismus zum Vorwurf machte, Widerspruch erhoben und alle Vermittlungsvorschläge (u. a. Übertragung des Vizekanzleramts und des Wirtschaftsressorts an den demokratischen Vorsitzenden) entschieden abgelehnt. Um die hierdurch entstandenen Gegensätze rasch überwinden zu können, richtete der Reichspräsident am 19. Januar an die Führer der beteiligten Fraktionen den ultimativen Appell, die „restlichen Bedenken hinter die großen vaterländischen Gesichtspunkte zurückzustellen“ und bat um unverzügliche Vorlage einer möglichst endgültigen Ministerliste. Dies vermochte Luther schon am Abend des gleichen Tages, nachdem die DDP den Verzicht Koch-Wesers mit knapper Mehrheit gebilligt und sich mit der Berufung ihrer Parteimitglieder Peter Reinhold zum Reichsminister der Finanzen und Wilhelm Külz zum Reichsminister des Innern zufrieden gegeben hatte. Neu ins Kabinett berufen wurden außerdem der Vorsitzende der Zentrumspartei und ehemalige Reichskanzler Wilhelm Marx, dem die Leitung des Justizressorts und die Wahrnehmung der Geschäfte des Ministers für die besetzten Gebiete übertragen wurde, das Fraktionsmitglied der DVP Julius Curtius als Wirtschaftsminister sowie – allerdings erst am 22. Januar – der dem Zentrum nahestehende Regierungspräsident von Münster Heinrich Haslinde als Minister für Ernährung und Landwirtschaft. Alle übrigen Mitglieder der Reichsregierung, die Minister Stresemann, Brauns, Geßler, Stingl und Krohne, wurden in ihren bisherigen Ämtern bestätigt95.
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Über die Verhandlungen zur Bildung des zweiten Kabinetts Luther befinden sich keine Vorgänge in den Akten der Reichskanzlei. S. aber den ausführlichen „Vermerk“ Koch-Wesers vom 30.1.26 in: NL Koch-Weser, Nr. 34, P. 3–17. Vgl. auch: Die Protokolle der Reichstagsfraktion und des Fraktionsvorstands der Deutschen Zentrumspartei 1926–1933, S. 4 ff.; Schönhoven, Die Bayerische Volkspartei 1924–1932, S. 153 ff.; Haungs, Reichspräsident und parlamentarische Kabinettsregierung, S. 103 ff.