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Kleinrentnerfürsorge.
Das Kabinett setzte die Beratungen vom Vormittag über den gleichen Gegenstand fort.
Der Reichsminister der Justiz machte seinerseits Vorschläge zur Abänderung des vom Reichsarbeitsminister entworfenen Entwurfs einer Regierungserklärung1.
Zu einer Einigung des Gesamtkabinetts auf einen bestimmten Wortlaut kam es jedoch nicht. Das Kabinett war zwar darin einig, daß dem demokratischen Antrag auf Erlaß eines Rentnerversorgungsgesetzes in der vorliegenden Form nicht zugestimmt werden könne und daß die Regierungsparteien den Antrag daher abzulehnen hätten. Es war ferner darin einig, daß auf dem Gebiete der Kleinrentnerfürsorge für die nächste Zukunft folgende Maßnahmen in Aussicht zu nehmen seien:
1. Verteilung des Restes der im Reichshaushalt 1927 für die Kleinrentnerfürsorge ausgeworfenen Summe von 25 Millionen M. Dieser Rest beträgt noch 11 Millionen M. Er soll in Gestalt einer Weihnachtsgratifikation an die Kleinrentner unmittelbar zur Auszahlung gelangen.
2. Verbesserung der Vorschriften für die Durchführung des Fürsorgeanspruchs der Kleinrentner gegenüber den Ländern und Gemeinden sowie Einführung einer wirksamen Reichsaufsicht.
3. Einstellung des Betrages von 25 Millionen M für die Kleinrentnerfürsorge in den Reichshaushalt 1928, d. h. also Wiederholung der Aktion des Jahres 1927.
Der Reichsminister der Justiz erklärte, daß er nur in Aussicht stellen könne, diese Maßnahmen als Provisorium für ausreichend anzuerkennen, daß er jedoch nicht darauf verzichten könne, die Forderung auf Schaffung eines materiellen Rentenanspruchs der Kleinrentner gegen das Reich weiter zu verfolgen.
Angesichts der Schwierigkeiten, im Kabinett zu einem einheitlichen Standpunkt zu kommen, schlug der Reichskanzler vor, in der Sache zunächst eine Aussprache mit den Vertretern der Regierungsparteien herbeizuführen.
Das Kabinett beschloß dementsprechend2.