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6. Erhöhung der Kohlenpreise6.
Der Reichswirtschaftsminister beantragt, einer Erhöhung der Kohlenpreise um 15 Mark pro Tonne zuzustimmen und insoweit das der Reichsregierung[427] zustehende Veto gegen den am kommenden Freitag bevorstehenden Beschluß des Reichskohlenrats auf Erhöhung der Kohlenpreise nicht auszuüben. Zusammen mit Staatssekretär Dr. Hirsch führt er die Gründe, die für die Erhöhung sprechen, eingehend aus. Während der Reichsschatzminister dem Antrag beitritt, trägt der Reichsarbeitsminister lebhafte Bedenken wegen der politischen Gesamtlage, namentlich im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen über die Verlängerung des Überschichtenabkommens7, auf den Stand der Sozialisierungsfrage8 und auf den starken Abbau der Weltmarktpreise, deren Abschluß und Folgen sich noch nicht übersehen ließen. Auch der Vertreter des Reichsverkehrsministers warnt dringend, jetzt dem Antrag stattzugeben. Ebenso spricht sich Reichsminister Giesberts dagegen aus. Der Reichskanzler schließt sich diesen Bedenken an. Es sei zweckmäßig, die Erhöhung, die sich wohl auf die Dauer nicht vermeiden lasse, zum mindesten noch etwas aufzuschieben. Im März könne man vielleicht eher darauf zurückkommen. Der Vertreter des Reichsfinanzministers hält eventuell einen noch weiteren Aufschub, etwa bis Mitte März, wegen der Anfang März zur Erörterung kommenden Gehaltsfragen für notwendig. Der Reichswirtschaftsminister und Staatssekretär Dr. Hirsch halten diese Gründe ebenso wie Reichsminister v. Raumer nicht für durchschlagend. In der Abstimmung wird der Antrag des Reichswirtschaftsministers jedoch gegen 2 Stimmen abgelehnt. Staatssekretär Dr. Hirsch erklärt nunmehr, daß er auf Grund dieses Beschlusses gegen den Erhöhungsbeschluß Einspruch erheben werde aus Gründen öffentlichen Wohls und dabei erklären werde, daß diese Gründe entgegenständen, auf die Selbstkostenfrage entscheidend einzugehen. Dem allgemeinen Preisabbau in der Weltwirtschaft dürfe zur Zeit nicht entgegengearbeitet werden. Das Kabinett erklärt sich einverstanden.
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Das Überschichtenabkommen für den Ruhrbezirk war im Februar 1920 abgeschlossen und im Sommer 1920 erneuert worden. Seitdem wurden dort wöchentlich zwei halbe Überschichten verfahren. An diesen Überschichten hatten sich zuletzt etwa 80% der Belegschaft beteiligt (RArbM Brauns am 23.2.1921 im RT, RT-Bd. 347, S. 2440).
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Zum Stand der Sozialisierungsfrage s. Dok. Nr. 159, P. 1.