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2. Gesetzentwürfe zum Sachverständigen-Gutachten.
Der Reichskanzler führte aus, daß das Kabinett erwogen habe, zur vertraulichen Unterrichtung der Fraktionen je 1 Exemplar der Gesetzentwürfe4[908] den einzelnen Parteiführern zur Verfügung zu stellen. Es sei jedoch aus außenpolitischen Gründen äußerste Diskretion erforderlich.
Der Reichskanzler legte danach den Stand der einzelnen Gesetzentwürfe dar.
Der Abgeordnete Hergt führte aus, daß die Kenntnisnahme der Gesetzentwürfe eine zweifache Bedeutung haben könne: 1. zur Orientierung der Parteien, 2. um der Regierung ihre Wünsche wegen etwaiger Änderungen der Entwürfe zu unterbreiten. Bei den Verhandlungen über die Regierungsbildung habe es sich ergeben, daß die allgemeinen Ziele der Parteien in dieser Frage ziemlich übereinstimmten. Die Tätigkeit der Organisationskomitees habe jedoch erhebliche Verschlechterungen gegenüber dem Gutachten gebracht. Es frage sich nunmehr, ob die Regierung sich diesen Änderungen bei den Verhandlungen in London widersetzen wolle oder die Beschlüsse der Organisationskomitees ohne weiteres annehme.
Der Reichskanzler stellte demgegenüber fest, daß die Tätigkeit der Komitees gerade umgekehrt wesentliche Verbesserungen gegenüber dem Gutachten gebracht habe.
Der Abgeordnete Spahn wies auf die Schwierigkeit hin, den Verhandlungen im Ausschusse5 zu folgen, falls nicht den Parteien konkrete Unterlagen zur Verfügung stünden. Die Vertraulichkeit könne durch Rückforderung der Unterlagen nach den Sitzungen gewahrt bleiben.
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Für den 23. 7. ist im Auswärtigen RT-Ausschuß eine Aussprache über die Gesetzentwürfe auf Grund des Sachverständigen-Gutachtens und über die Londoner Konferenz vorgesehen.
Der Reichskanzler erklärte sich auch bereit, den Parteiführern mündlich ausführliche Auskunft über die Entwürfe zu erteilen.
Der Abgeordnete Müller-Franken begrüßte diesen Vorschlag und legte die Schwierigkeit dar, wenn den Fraktionen nur 1 Exemplar überlassen werde, das nicht weitergegeben werden dürfe.
Der Abgeordnete Koch wies darauf hin, daß es weniger auf die Debatte über die Details ankomme als auf die Debatte über die größeren allgemeinen politischen Richtlinien. Er halte daher auch eine Orientierung der Parteiführer über die Gesetzentwürfe durch die zuständigen Minister für erwünscht.
Der Reichskanzler wies darauf hin, daß die Regierung bei den Besprechungen der Organisationskomitees ständig mitgearbeitet habe. Das Reichskabinett werde jedoch zu den Gesetzentwürfen erst bindend Stellung nehmen, wenn die Reparationskommission ihnen zugestimmt habe. Die Regierung sei inzwischen bereit, den Parteien einen kurzen Auszug aus den Entwürfen, der in der Reichskanzlei angefertigt sei, zur Verfügung zu stellen.
Der Abgeornete Hergt erklärte sich mit diesem Vorschlage einverstanden; auch seiner Partei komme es mehr auf die allgemeine politische Behandlung der Angelegenheit als auf die Details an.
Der Reichskanzler stellte Einigung darüber fest, daß der Auszug der Reichskanzlei[909] in je einem Exemplar den 28 ordentlichen Mitgliedern des Ausschusses noch am Abend durch die Post zugestellt werden solle6.
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Am Abend des 22. 7. übersendet die Rkei den Mitgliedern des Auswärtigen RT-Ausschusses „mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung“ Auszüge aus den Entwürfen des Bankgesetzes, des Gesetzes über die Liquidierung des Umlaufs an Rentenbankscheinen und des Gesetzes über die Dt. RB-Gesellschaft; die gleichen Auszüge werden am 24. 7. auch dem PrMinPräs. und den stimmführenden Bevollmächtigten der Länder zum RR übermittelt (R 43 I/265, Bl. 50-57).