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[576]9. Noten an Reparationskommissionen29 (außerhalb der Tagesordnung).
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Dieser TOP ist teilweise abgedruckt in: Vermächtnis I, S. 164 f.
Nach einer Pause stellte der Reichskanzler den Entwurf einer Note an die Reparationskommission zur Erörterung30, in welchem die Zahlungsunfähgkeit des Reichs angezeigt und eine entsprechende Nachprüfung der Finanzlage des Reichs erbeten werde31.
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S. hierzu Dok. Nr. 110.
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Bereits am 9.10.23 hatte der dt. Geschäftsträger in Brüssel Rödiger gegenüber dem AA ausgeführt, „daß wir unter geschickter Ausnützung Belgiens, dessen Rücken durch England und Italien gestärkt werden müsse, trotz unserer furchtbaren Niederlage vielleicht doch darauf hoffen könnten, im Verhandlungsstadium die Dinge zu einem für uns nicht ganz unannehmbaren Ausgang zu wenden.“ Der belgische Außenminister Jaspar habe bedauert, daß deutscherseits die belgische Reparationsdenkschrift (Graubuch) nicht schon früher zur Verhandlungsgrundlage gemacht worden sei (Pol.Arch.: Abt. II Wirtschaftsreparationen 12, Bd. 1). In seiner Analyse der frz. Deutschlandpolitik vom 13.10.23 hatte v. Hoesch dargelegt, ihm sei gesagt worden, Poincaré beabsichtige die Regelung der Reparationsfrage erst nach den französischen Kammerwahlen im Mai 1924 in Angriff zu nehmen, doch halte er „eine derartige unklare Politik mit der Wesensart Poincarés, der sich als der zielbewußte Exekutor eines klaren Volkswillens fühlt, unvereinbar. – Um die Dinge alsdann in Gang zu bringen, wird es nötig sein, daß wir uns mit irgend einem Antrag oder Vorschlag an die alliierten Mächte oder die Reparationskommission wenden. Welchen Weg wir dabei wählen, scheint mir ziemlich gleichgültig. Von der Konstellation innerhalb der Alliierten wird es abhängen, ob die Reparationskommission oder die Regierungen mit der Regelung befaßt werden. Ein gangbarer und vielleicht empfehlenswerter Weg wäre, daß wir an die Reparationskommission mit der Bitte um Prüfung unserer Leistungsfähigkeit herantreten. Wir können bei dieser Gelegenheit unserer Leistungsfähigkeit herantreten. Wir können bei dieser Gelegenheit unsere Unfähigkeit, für die Sachlieferungen, insbesondere auch die Kohlen- und Kokslieferungen länger aufzukommen, erklären. Nicht nur aus der sehr nachdrücklichen Erklärung Poincarés mir gegenüber, er sei bereit, nach endgültiger Aufgabe des Widerstands zusammen mit den Alliierten mit Deutschland zu verhandeln, sondern auch aus sonstigen Eindrücken möchte ich entnehmen, daß die Französische Regierung bezüglich des uns zu gewährenden Moratoriums schließlich eventuell noch weiter gehen würde, als uns nur die effektiven Goldzahlungen zu stunden. Unter dem Druck einer geeinten Palanx der drei alliierten Mächte würde sie ja ohnehin nicht anders handeln können, und Poincaré könnte sich der öffentlichen Meinung gegenüber mit einem Hinweis auf die Vertragsbestimmungen entlasten. Schwierig wird allerdings die Lage für die Engländer sein, die, falls sie in der Reparationskommission in dieser Weise für uns eintreten, ja sich überhaupt an den Verhandlungen ernstlich beteiligen wollten, das Prinzip des Ruhrpfandes anerkennen müßten“ (Pol.Arch.: Büro RM 7, Bd. 2). Am folgenden Tag hatte Stresemann eine ausführliche Weisung über die weitere Verhandlungsführungen Hoeschs erlassen, in der er betonte: „Es kommt in erster Linie darauf an, den Faden solcher Besprechungen mit Poincaré nicht abreißen zu lassen.“ Nach Behandlung von Fragen des besetzten Gebietes und der Sachlieferungen führte der RK weiter aus: „Was die von Poincaré in Aussicht gestellten Verhandlungen über Gesamtproblem angeht, so bitte ich ihm zu sagen, auch wir seien der Ansicht, daß diese Verhandlungen mit allen beteiligten Alliierten stattfinden müßten. Wir hielten es jedoch für ratsam und glaubten, auch den vielfach von Poincaré geäußerten Ansichten zu entsprechen, wenn wir uns zur Klärung des gegenwärtigen Standes der Reparationsfrage alsbald mit der Reparationskommission in Verbindung setzten.“ Zum Schluß der Weisung erklärte Stresemann: „Die erwähnte Note an die Reparationskommission ist hier in Vorbereitung. Wir beabsichtigen, diese Note nach Eingang Ihres Berichts über die neue Unterhaltung mit Poincaré der dortigen Kriegslastenkommission mit dem Auftrage zu übersenden, sich wegen ihrer Fassung zunächst vertraulich mit Bradbury und Delacroix ins Benehmen zu setzen. Falls Poincaré Sie über Inhalt Note an Repko fragt, bitte zu sagen, daß Sie darüber noch keine Instruktionen haben“ (Pol.Arch.: NL Stresemann 261).
Nach Erörterung des Entwurfes stellte der Reichskanzler fest, daß das Reichsministerium demselben zustimme32.
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S. den Text der Note in: Ursachen und Folgen VI, Dok. Nr. 1249.
[577] Der Reichskanzler stellte alsdann den Vorschlag zur Erörterung, eine Note an die Besatzungsmächte zu richten, in welcher unter der Voraussetzung der sofortigen Einstellung aller Beschlagnahmen und Zwangsrequisitionen die Wiederaufnahme der dem Reiche unter dem Friedensvertrage obliegenden Zahlungen zu den Okkupationslasten für eine Zeit von drei Wochen in Aussicht gestellt werde33. Wenn nach Ablauf dieser Zeit eine grundsätzliche Einigung mit den Besatzungsmächten sich nicht erzielen lasse, dann werde eine völlige Einstellung der Zahlungen in Frage kommen. Gegenwärtig sei eine solche Einstellung jedoch nicht möglich. Einmal, weil eine rechtliche Verpflichtung dazu bestehe34, deren Ablehnung von den Okkupationsmächten nicht verstanden würde, sodann aber mit Rücksicht auf die Bevölkerung des besetzten Gebietes, die unter dem gegenwärtigen Zustande unendlich leiden müsse.
Der Reichsminister der Finanzen widersprach dem Vorschlage und empfahl eine generelle vollständige Konkurserklärung35. Würden in einem Punkte Konzessionen gemacht und weitere Zahlungen – wenn auch nur zeitlich begrenzt – in Aussicht gestellt, so schwäche man die Wirkung der Erklärung an die Reparationskommission in bedenklicher Weise ab.
Er gehe jedoch noch weiter und halte es für nötig, die Bestimmungen des Okkupationsleistungsgesetzes36 aufzuheben, auf Grund derer die Gemeinden des besetzten Gebietes auf eine Entschädigung für erfolgte Requisitionen Anspruch hätten.
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Der RFM bezieht sich auf Art. 6 der Vereinbarungen über die Besetzung des Rheinlandes vom 28.6.19 (RGBl. II, S. 767 f.).
Der Reichskanzler stellte zur Erwägung, daß es sich bei der von ihm angeregten Zusage um eine Leistung gegen Gegenleistung handle und nicht um eine einseitige Verpflichtung. Die Gegenleistung bestehe in der Befreiung der Bevölkerung und der Wirtschaft des besetzten Gebietes von den jetzigen unerträglichen Beschlagnahmungen.
Nach einer weiteren Erörterung der Angelegenheit, an welcher sich der Reichsarbeitsminister der Reichswirtschaftsminister der Reichsminister der Finanzen und der Generalkommissar Schmid beteiligten, stellte der Reichskanzler fest, daß eine Einigung nicht zu erzielen sei; daß es überdies zweckmäßig sei, die Entscheidung zu vertagen, bis über die bevorstehende Unterredung des deutschen Geschäftsträgers in Paris mit dem französischen Ministerpräsidenten37 Bericht eingelaufen sei38.
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S. zu der Weisung an v. Hoesch o. Anm. 31.
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In einem Vermerk für den RK führte Vortr.LegR v. Friedberg am 15.10.23 aus, die Mitteilung sei im Falle der Zahlungseinstellung an die Besatzungsmächte und auch an die Repko zu richten. „Zweitens stelle ich zur Erwägung, ob die Note überhaupt abzugehen braucht und ob es nicht zweckmäßiger ist, den vom Ministerium für die besetzten Gebiete beabsichtigten Weg zu beschreiten und einfach einen Beauftragten (Ob.Reg.Rat Ronde von diesem Ministerium) nach Koblenz zu entsenden zwecks entsprechender Vereinbarung mit der Interalliierten Rheinlandkommission. Die Interalliierte Rheinlandkommission hat sich schon gegenüber einem Vertrauensmann (Bankier Dörner aus Aachen) bereit erklärt, mit einem Beauftragten der Reichsregierung in diesem Sinne zu verhandeln.“ Dann müßten die entsprechenden Telegramme als Instruktion für Ronde dienen und der Repko sei von den Vereinbarungen und der Wiederaufnahme der Zahlungen Kenntnis zu geben (Pol.Arch.: NL Stresemann 261). Der RMbesGeb. erklärte in einem Schreiben vom 19.10.23, das an die RM und den StSRkei jeweils persönlich gerichtet war, er halte die Frage einer finanziellen Erleichterung durch teilweise oder völlige Einstellung aller Leistungen an die Besatzungsmächte für derart wichtig, daß sie nur nach ausführlicher und gründlicher Erörterung vom Kabinett entschieden werden könne. Er habe daher den federführenden RFM gebeten, hierüber eine Ministerbesprechung am 20.10.23 stattfinden zu lassen, zu der AA, RWiM, RMWiederaufbau, REM, RMbesGeb. und StSRkei besonders gebeten würden (R 43 I/39, Bl. 416). Vgl. zum Fortgang Dok. Nr. 156.