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Verhandlungen mit dem Garantiekomitee.
Reichsminister Dr. Hermes berichtet, daß er mit dem Garantiekomitee gesprochen habe. In der Frage der örtlichen Kontrolle seien einige Erleichterungen durchgesetzt worden, auch die Bestimmungen über die schwebende Schuld hätten eine andere Fassung bekommen.
In dem geplanten Schreiben des Garantiekomitees an die Regierung1 würde es statt „sont d’accord“ nunmehr heißen: „ont délibéré“.
Die drei Grundsätze in dem Schreiben an die deutsche Regierung zu erwähnen2, lehne das Garantiekomitee ab, dagegen sei es bereit, die gestern gestrichene Präambel ganz wieder herzustellen.
Hiernach empfehle er, daß bei dieser Sachlage die Deutsche Regierung den Vorbehalt der drei Grundsätze mache.
Der Reichskanzler befürchtet eine Verschärfung der Lage, wenn dieser Vorbehalt in unserer Antwort gebracht würde.
Reichsminister Dr. Hermes: Er würde diesen Vorbehalt und den der Moratoriumsgewährung schon vorher mündlich mitteilen.
[958] Vizekanzler Bauer: Eine ganze Reihe der vorgesehenen Bestimmungen verstoße gegen diese Grundsätze. Er sei dafür, die Kontrolle über lokale Dienststellen abzulehnen.
Reichsminister Dr. Hermes: Dies sei nicht durchzusetzen. Das Garantiekomitee würde dann abfahren, und wir bekämen diese Bestimmungen als Ultimatum. Das würde zwar innenpolitisch eine Erleichterung bringen, uns aber die Atmosphäre für die Moratoriumsverhandlungen verderben.
Der Reichskanzler Er sei gegen die im Lande auszuübende Kontrolle. Unser Widerstand hiergegen würde wohl erfolglos bleiben, aber er sei taktisch noch notwendig. Man müsse es äußerstenfalls als eine Konzession der letzten Minute ins Auge fassen. Heute könne er dieser Bestimmung noch nicht zustimmen. Man müsse dem Komitee sagen, seine Forderungen seien eine äußerst schwere, kaum tragbare Belastung.
Vizekanzler Bauer: Er sei über das Ergebnis der ganzen Verhandlungen schwer enttäuscht. Was hier verlangt würde, seien keine Scheinkonzessionen, sondern eine vollständige Knebelung durch eine schikanöse Kontrolle. Er würde ein Ultimatum vorziehen.
Reichsminister Schmidt: Jedenfalls müsse man mit den Parteiführern sprechen, bevor das Kabinett zustimme. Er erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Kanzlerrede vom 28. März über die deutsche Souveränität3.
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Wirth hatte am 28.3.22 in einer Erklärung der Reichsregierung, in der er zu der Note der Repko vom 21.3.22 Stellung nahm, zur Frage der Kontrollmaßnahmen zusammenfassend gesagt: „Was die Kontrollmaßnahmen anbetrifft, so müssen wir nicht nur an der Weigerung festhalten, dem Auslande Rechte einzuräumen, welche die Souveränität des deutschen Volkes beschränken, sondern wir müssen auch die Gegenseite von der Unzweckmäßigkeit, ja der Schädlichkeit einer solchen Kontrolle zu überzeugen versuchen. Ich bin überzeugt, daß dieser Versuch Erfolg haben wird.“ (RT Bd. 353, S. 6620).
Reichskanzler Er könne nicht zum zweiten Mal etwas tun, was im direkten Gegensatz zu seinen Reden stände. Dies wolle er dem Garantiekomitee selbst sagen.
Reichsminister Giesberts weist darauf hin, daß wir jetzt ein Moratorium nachsuchten. Wenn wir der Vereinbarung nicht zustimmten, so erhielten wir die Kontrolle sicher durch Ultimatum.
Reichsminister Dr. Hermes stimmt dieser Ausführung zu. Im übrigen sei er durchaus einverstanden, die Entscheidung bis morgen oder übermorgen aufzuschieben.
Der Reichskanzler schlägt vor, das Garantiekomitee heute um ½ 8 Uhr in die Reichskanzlei zu bitten.
Vizekanzler Bauer: Es müsse betont werden, daß die gesamten Grundsätze nur so lange gelten wie das Moratorium.
Reichsminister Dr. Hermes: Die ganze Frage hänge mit der internationalen Anleihe zusammen, wobei seines Erachtens die Kontrollfrage aufs neue behandelt werden würde.
Staatssekretär von Simson warnt davor, das Garantiekomitee verärgert abfahren zu lassen.
[959] Staatssekretär Schroeder bittet, auch die Wirkung auf den Markkurs zu beachten.
Es wird beschlossen, das Garantiekomitee um ½ 8 Uhr in die Reichskanzlei zu bitten4.
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Dazu in R 43 I nichts ermittelt.