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2. Streitsache zwischen dem Reich und der Preußischen Staatsregierung vor dem Staatsgerichtshof.
Der Reichskanzler führte aus, daß die Hauptverhandlung vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig in dem Streit zwischen der Reichsregierung und der Preußischen Staatsregierung9 umfassend vorbereitet werden müsse. Es sei bereits veranlaßt, daß Justizrat Meidinger sowie die Professoren Carl Schmitt in Berlin, Jacobi in Leipzig und Bilfinger in Halle als Vertreter bzw. als Gutachter der Reichsregierung hinzugezogen würden. Außerdem müßten die Ministerialräte Dr. Trapp vom Reichsfinanzministerium und Dr. Schütze vom Preuß. Ministerium des Innern als Gutachter herangezogen werden.
Es sei ihm ferner geraten worden, die Professoren Anschütz und Jellinek mündlich über den Standpunkt der Reichsregierung zu unterrichten. Er beabsichtige, diesem Rate zu entsprechen.
Professor Schmitt werde am 29. Juli in der „Deutschen Juristen-Zeitung“ einen Aufsatz über den Verfassungsstreit zwischen der Reichsregierung und der Preußischen Staatsregierung erscheinen lassen und in diesem Artikel der Reichsregierung Recht geben10.
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Der Aufsatz von Carl Schmitt („Die Verfassungsmäßigkeit der Bestellung eines Reichskommissars für das Land Preußen“) ist abgedr. in: Dt. Juristenzeitung 37 (1932), Heft 15 (1.8.32), Sp. 953 ff.; „DAZ“ vom 29.7.32 (Schlußabschnitt), Ausschnitt in R 43 I/2283, Bl. 68–69; Ursachen und Folgen, Bd. VIII, Dok. Nr. 1864 c (Auszug). – Die Argumente dieses Aufsatzes sind voll in die Klagebeantwortung der RReg. vom 5. 8. (vgl. unten Anm. 11) aufgenommen worden. In der mündl. Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof nahmen sie großen Raum ein (Preußen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof, S. 124 ff., 194 ff.), wurden jedoch nicht anerkannt.
Der Reichsminister des Innern führte aus, daß er zusammen mit Professor Schmitt das Gerippe der Denkschrift herstellen wolle. Das tatsächliche Material solle in Anlagen zusammengefaßt werden11.
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Bei der „Denkschrift“ handelt es sich um die Gegenerklärung der RReg. zur Klage Preußens gegen das Reich vom 20. 7. Die Gegenerklärung wurde vom RIM am 5. 8. beim Staatsgerichtshof eingebracht; in einem „Anlageheft“ sind ihr zahlreiche Beweismaterialien beigefügt, u. a. 1) „Darstellung der Durchführung der Verordnung vom 20. Juli 1932“, 2) „Rede des Polizeipräsidenten Grzesinski am 26. Juni 1932“, 3) „Feststellungen des Reichskommissars Dr. Bracht“ (R 43 I/2283, Bl. 72–112).
[319] Reichskommissar Dr. Bracht teilte mit, daß die Umorganisation beim Polizeipräsidium in Berlin fast vollendet sei. Bei der allmählichen Durchprüfung der unter dem früheren Regime getroffenen polizeilichen Maßnahmen sei es ihm aufgefallen, daß vom Polizeipräsidium Berlin eine besonders große Anzahl von Waffenscheinen ausgestellt worden sei, die übrigens hauptsächlich linksstehenden Persönlichkeiten ausgehändigt worden sei.