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[1. Vertrag mit Rußland.]
Der Herr Minister des Auswärtigen Dr. Rathenau berichtet über die Verhandlungen, die zum Abschluß des Vertrages mit Rußland geführt haben2, und[706] erörtert die mögliche Rückwirkung des Vertrages auf Deutschland und die Atmosphäre in Genua3. Er nahm an, daß England den Vertragsabschluß ohne größere Schwierigkeiten hinnehmen werde, besorgt aber andererseits schwere Angriffe seitens Frankreichs aus allgemeinen politischen Gründen. Nach dem Interview des italienischen Außenministers Schanzer, in welchem dieser dem Sinne nach schreibt, daß die Interessen Italiens auf Seiten Englands lägen, sei zu schließen, daß Italien sich in dieser Frage der Auffassung Englands anschließen werde.
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Die Vorgeschichte des Rapallo-Vertrages (Wortlaut der Vorentwürfe des Vertrages und des ergänzenden Notenwechsels siehe Schieder, Rapallovertrag (Anlagen) in HZ 1967, Bd. 204 S. 602 ff.; endgültige Fassung des Vertrages siehe RGBl. 1922 II, S. 677 ff.) ist in einem Telegramm Oskar Müllers aus Genua, das am 19.4.22 4 Uhr in der Presseabteilung des AA einging, wie folgt dargestellt: „Am Freitag abend erschien der Vertreter des Vorsitzenden der italienischen Delegation Commendatore Giannini beim Herrn Reichskanzler, um im Auftrage des italienischen Ministers des Äußern, Schanzer, Mitteilungen über den Stand der Verhandlungen der einladenden Mächte mit den Russen zu machen. Er führte u. a. aus: Am Donnerstag [13. 4.] hätten die Alliierten unter sich die russische Frage eingehend behandelt, am Freitag morgen und mittag wären die Verhandlungen mit den Russen selber geführt worden. Er sei hierher gekommen, um dem Herrn Reichskanzler Mitteilung zu machen, daß die Besprechungen einen günstigen Verlauf nähmen. Es wäre für die einladenden Mächte von Wert zu erfahren, welches die Meinung des Herrn Reichskanzlers, bzw. der deutschen Delegation hierüber wäre. Die einladenden Mächte seien der Ansicht, daß die deutsche Regierung wie er wörtlich sagte, die Sache wohl billigen würde. Als Giannini nun in die Details eintreten wollte, begleitete der Herr Kanzler mit Rücksicht auf die Bedeutung der Angelegenheit Herrn Giannini persönlich nach dem Erdgeschoß des Hotels, wo sodann eine einstündige Unterredung zwischen Herrn Giannini, dem Herrn Reichsminister Dr. Rathenau, Herrn Staatssekretär von Simson, Herrn Ministerialdirektor von Maltzan stattfand (11–12 Uhr nachts). Hier führte Herr Giannini nochmals aus, daß in den letzten Tagen, und zwar am Donnerstag und Freitag, ein Gedankenaustausch zwischen den einladenden Mächten und Rußland stattgefunden hätte, um die Stellung des letzteren zum Londoner Memorandum [siehe RT-Drucks. Nr. 4378, S. 26 ff., Bd. 373] kennenzulernen. Man habe zunächst nur von der Vergangenheit gesprochen. Hierbei habe man sich mit den russischen Schulden und Forderungen beschäftigt. Die Schulden und Forderungen Rußlands zerfallen a) in Vorkriegsschulden, die Rußland anerkannte, b) die Kriegsschulden, c) Forderungen Rußlands an die Entente (aus den Unternehmungen der Dinikin Koltschak Judenitsch). Die Russen hatten ursprünglich die Absicht, die Forderungen an die Entente gegen die Vorkriegsschulden aufzurechnen, so daß sämtliche privaten Vorkriegsschulden abgerechnet worden wären. Man hatte sich in den Verhandlungen jedoch dahin geeinigt, daß die Kriegsschulden und die Forderungen an die Entente aufgerechnet würden; ein eventuelles Saldo zugunsten der Russen sollte stehenbleiben und nicht gegen die Vorkriegsschulden aufgerechnet werden. Dagegen sollten für die Vorkriegsschulden der Russen Obligationen ausgegeben werden, über deren Amortisation, Zinsen und Befristung sicherlich Übereinstimmung erzielt worden wäre. Für die Schulden, entstanden durch die Maßnahmen der Sozialisierung, sollte ein Ersatz durch 99jährige Konzessionen geschaffen werden. Eine Herausgabe der seinerzeit sozialisierten Unternehmungen sollte nicht erfolgen. Minister Rathenau stellte hierauf die Frage, ob dieser Vorschlag für sich allein gelten sollte oder im Rahmen des Londoner Memorandums. Giannini erklärte, selbstverständlich im Rahmen des Memorandums. Rathenau dankte in herzlichsten Worten Giannini für den Besuch und führte aus, daß Deutschland unter diesen Umständen an den Vorgängen ein Interesse zu nehmen nicht in der Lage sei. Als Giannini seiner Verwunderung darüber Ausdruck gab, sagte Rathenau, daß die Abmachungen ohne uns mit Rußland getroffen worden seien. Man habe ein schönes Diner arrangiert, uns nicht dazu eingeladen, aber gefragt, wie uns das Menü gefalle. Auf mehrfache Wiederholung dieser Äußerung fand Giannini nur die Worte – in Bezug auf die Besprechung: C’était seulement préparé pour nous. Hiernach fiel die erste Bemerkung Gianninis, wonach das Londoner Memorandum nur aus versehen der Konferenz vorgelegt sei. Minister Rathenau erklärte nunmehr, daß Herr von Maltzan darüber Auskunft geben könne, weshalb für Deutschland die 3 Punkte des Londoner Memorandums nicht annehmbar seien (Art. 116, 260 und die Kriegsmaßnahmen aus dem Jahre 1917, d. h. die zaristischen Maßnahmen). Giannini erklärte, daß das Londoner Memorandum seinerzeit von den Sachverständigen in London speziell für die Interessen der einladenden Mächte hergestellt wurde, demgemäß nicht auf Deutschland abgestellt sei. Im übrigen habe man es nicht zur Vorlage in Genua vorgesehen. Es wäre sehr zum Erstaunen der Mitglieder der Konferenz zur Unterlage für Verhandlungen gemacht worden. Rathenau sagte, solange diese Punkte bestehen blieben, könne man sich nicht mit dem Memorandum einverstanden erklären. Giannini deutete in keiner Weise an, daß eine Möglichkeit für eine Änderung des Memorandums gegeben sei, worauf Rathenau ihm zu verstehen gab, daß wir uns dann nach anderen Sicherungen umsehen müßten.“ (R 43 I/468, Bl. 130-132; Fortsetzung siehe Darstellung Rathenaus an den RPräs. Dok. Nr. 250 Anm. 1).
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Ein Protestschreiben an den RK vom 18.4.1922 gegen den Abschluß des Rapallovertrages, unterzeichnet für die auf der Konferenz vertretenen Mächte England, Italien, Frankreich, Japan, Belgien, Tschechoslowakei, Polen, Südslavien, Rumänien und Portugal siehe RT-Drucks. Nr. 4378, S. 60 ff., Bd. 373.
Der Herr Reichskanzler dankt dem Reichsminister Rathenau und den Herren v. Simson, von Maltzan und Gaus für die Ausdauer und den Aufwand an Arbeit, mit dem sie die Verhandlungen zum Erfolg geführt haben.
Der Herr ReichswirtschaftsministerSchmidt schließt sich diesem Dank an. Auf der Linken werde der Vertrag begrüßt werden, ebenso bei der Großindustrie, auch bei der Rechten sehe er keine Schwierigkeiten. Eine Frage allerdings sei, wie Genua auf den Vertrag reagieren werde.
Herr Staatsrat v. Meinel erklärt, gern dazu beitragen zu wollen, daß in Bayern der Vertrag mit der nötigen Sachlichkeit gewürdigt wird.