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[744]9. Außerhalb der Tagesordnung: Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Reichstags.
Der Reichskanzler teilte mit, daß der Reichsregierung eine Ladung zur Teilnahme an der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses am 11. Oktober zugegangen sei. Für den Fall, daß die Reichsregierung dieser Ladung nicht Folge leisten werde, beabsichtige der Ausschuß sich als Untersuchungsausschuß zu konstituieren, wie dies bereits in dem bekannten früheren Fall26 geschehen sei, und die in Frage kommenden Mitglieder der Reichsregierung als Zeugen vorzuladen.
Auf Grund der Ausführungen des Reichsministers der Justiz beschließt das Reichskabinett vorsorglich für diesen Fall Zeugnisverweigerung. Dieser Beschluß soll alle Beamten gleichmäßig decken27.
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Eine Konstituierung des Auswärtigen Ausschusses als Untersuchungsausschuß erfolgte nicht. Am 11. 10. schrieb RTPräs. Göring an den RK u. a.: „In der auf heute anberaumten Sitzung [des Auswärtigen Ausschusses] mit der Tagesordnung ‚Bericht über die Lausanner Verhandlungen, Abrüstungsfrage, Bericht über die Völkerbundstagung‘ hat die Reichsregierung wiederum ihr Erscheinen abgelehnt. Das verfassungswidrige Verhalten der Reichsregierung wird besonders dadurch gekennzeichnet, daß sie sich einerseits mit scharfer Betonung beruft auf die Reichsverfassung, um daraus die uneingeschränkte Ausübung aller verfassungsmäßigen Rechte einer vollberechtigten Regierung für sich herzuleiten, daß sie andererseits aber ihren verfassungsmäßigen Pflichten gegenüber der Volksvertretung sich entzieht. Die Reichsregierung hat sich also durch ihre grundlose Weigerung, vor dem Auswärtigen Ausschuß zu erscheinen, eines wiederholten Verfassungsbruches schuldig gemacht. Dem neuen Reichstag bleibt es vorbehalten, daraus die verfassungsmäßigen Folgerungen zu ziehen.“ (R 43 I/1018, Bl. 218).