1.190.4 (bru2p): 4. Außerhalb der Tagesordnung: Löhne der Gemeindearbeiter und Gemeindefinanzen.

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4. Außerhalb der Tagesordnung: Löhne der Gemeindearbeiter und Gemeindefinanzen.

Der Reichsarbeitsminister trug die Schwierigkeiten vor, die sich für ihn aus der Bestimmung der Notverordnung ergeben hätten, nach der die Löhne der Gemeindearbeiter denen der Reichsarbeiter anzugleichen sind23. Bei dem[1561] seinerzeit eiligen Abschluß der Notverordnung wegen der Reise des Reichskanzlers nach Chequers sei man sich über die Bedeutung dieser Bestimmung gar nicht klar geworden. Tatsächlich habe sich nachträglich herausgestellt, daß die Löhne der Gemeindearbeiter weit höher über denen der Reichsarbeiter lägen, als damals angenommen worden sei. Der Unterschied belaufe sich bis auf 40 Pfennig für die Stunde. S. groß sei der Unterschied z. B. in Solingen. Der Schlichter des Reichsarbeitsministeriums habe festgestellt, daß in Solingen das ganze derzeitige Gemeindedefizit vermieden worden wäre, wenn die Gemeindearbeiter in den letzten 5 Jahren nach den Reichssätzen gelöhnt worden wären.

23

S. die 2. VO des RPräs. vom 5.6.31, 2. Teil, Kapitel I § 7 Abs. 4 (RGBl. I, S. 283 ). Vgl. Dok. Nr. 355.

Die Schwierigkeiten aus der Notverordnung seien vermehrt worden durch Zusagen, die der Sozialdemokratie vor längerer Zeit gemacht worden seien, und zwar dahin, daß wegen Erleichterungen zu den sozialen Bestimmungen der Notverordnung Besprechungen stattfinden sollten24. Mittlerweile habe sich die Finanzlage des Reichs und der Kommunen so verändert, daß auch ihm eine Durchführung solcher Erleichterungen nicht möglich scheine. Nachdem der Städtetag bekanntgegebenen habe, daß die Kommunen ein Defizit von 800 Millionen haben25, würde vor allem im Ausland jedes Verständnis für solche Erleichterungen fehlen. Andererseits bestehe die Gefahr eines wirtschaftlichen und politischen Konflikts. Der wirtschaftliche Konflikt bestehe darin, daß die Gemeindearbeiter sich dagegen wehrten, den Reichsarbeitern gleichgestellt zu werden. Es sei auch nicht die Gefahr zu verkennen, daß die Gemeindearbeiter radikalisiert würden.

24

Vgl. Dok. Nr. 374.

25

S. Dok. Nr. 441, Anm. 1.

Der politische Konflikt drohe von der Sozialdemokratie her. Diese wünsche zweierlei. Erstens Erleichterungen bezüglich der Arbeitslosenversicherung und zweitens, daß der Einbruch der Notverordnung in das Tarifrecht rückgängig gemacht werde. Verhandlungen mit sozialdemokratischen Führern, zuletzt mit Aufhäuser, hätten keine Verständigung erbracht. Der „Vorwärts“ vom Vormittag dränge sogar jetzt in besonders scharfer Form26.

26

In dem Artikel „Folgen der Notverordnung. 315 000 Gemeindearbeiter im Abwehrkampf“ hatte der Vorwärts Nr. 377 vom 14.8.31 die beabsichtigte Herabsetzung der Gemeindearbeiterlöhne angegriffen und die Kürzung der Tarifsätze bis zu 14 Pf., die eine Lohneinbuße von 25–30% des Einkommens bedeuteten, als „Außerkraftsetzung verfassungsmäßiger Rechte“ bezeichnet und auf die „Gefahr großer wirtschaftlicher Kämpfe“ hingewiesen. Ebenso waren der Leitartikel („Vom Reich geopfert. Verzweifelte Schritte der Kommunen“) und zwei Berichte im Innenteil der Zeitung („Verzweifelte Selbsthilfe der Städte“; „Gefahr im Verzug! Die Reichsregierung muß sich endlich entscheiden“) dem Gemeindearbeiterkonflikt und den Sanierungsvorschlägen des Dt. Städtetages gewidmet. S. auch Dok. Nr. 451.

Staatssekretär TrendelenburgTrendelenburg meinte, die Gemeindefinanzen müßten unter allen Umständen in Ordnung gebracht werden. Daran dürfe die Gefahr einer Krise nichts ändern. Es scheine ihm besser, daß eine solche Krise jetzt ausbreche, als daß sie nur verschleppt und vielleicht auf den Winter verschoben werde.

Der Reichsminister der Finanzen trat gleichfalls nachdrücklich für die Notwendigkeit der Sanierung der Gemeinden ein. Es müsse auch gegen deren Taktik Front gemacht werden, alle Hilfe nur vom Reich zu verlangen und alle[1562] Schuld auf das Reich zu schieben. Angriffe, wie sie von den Kommunen in den letzten Tagen gegen die Regierung gerichtet worden seien, dürfe sich die Reichsregierung unter keinen Umständen gefallen lassen.

Der Reichskanzler bat, durch eine WTB-Meldung am Sonnabend noch Aufklärung gegenüber solchen Angriffen zu schaffen. Dabei sollten möglichst Einzelfälle, wie der Fall Solingen, wenn auch ohne Namensnennung, verwertet werden27. Im übrigen solle die weitere Erörterung der Angelegenheit Anfang der nächsten Woche fortgesetzt werden28.

27

Nicht ermittelt. Im „Berliner Börsen-Courier“ Nr. 380 vom 17.8.31 erschien ein Leitartikel „Die kommunale Frage. Von besonderer Seite“, der auch das Problem der Gemeindearbeiterlöhne behandelte. Der Artikel war vom Referenten im RWiM Pohl verfaßt worden. Ebenso ging die „Germania“ Nr. 384 vom 20.8.31 in ihrem Beitrag „Wo stehen die Gemeindefinanzen?“ auf die Löhne der Gemeindearbeiter ein (R 43 I /2372 , S. 599–604).

28

S. Dok. Nr. 446 und Dok. Nr. 454, P. 5.

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