1.50 (bru3p): Nr. 564 Aufzeichnung des Ministerialrats Feßler über die Schlußsitzung des Wirtschaftsbeirats am 23. November 1931 (11 Uhr)

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[1991] Nr. 564
Aufzeichnung des Ministerialrats Feßler über die Schlußsitzung des Wirtschaftsbeirats am 23. November 1931 (11 Uhr)

R 43 I /1166 , Bl. 238

Anwesend1: v. Hindenburg; Brüning, Dietrich, Stegerwald, Warmbold, Schiele, Groener, Schätzel, Treviranus, Joël, Schlange; RSparkom. Saemisch; StS Pünder, Meissner, Weismann; MinDir. Zechlin, v. Hagenow, RBankKom. Ernst; RbGenDir. Dorpmüller; RbkPräs. Luther; Silverberg, Schmitz, Vögler, Graßmann, Otte, Rössiger, Eggert, Hegewald, Pflugmacher, Hecker, Graß, Grund, Wittke, Haindl, v. Borsig, Hackelsberger, Körner, Schmitt, Pferdmenges; Protokoll: MinR Feßler.

1

Eine Anwesenheitsliste fehlt in den Akten; sie wurde rekonstruiert nach dem Sitzplan in R 43 I /1166 , Bl. 228.

An der Schlußsitzung nahmen aus Protest gegen die Beschlüsse des Wirtschaftsbeirates der Vertreter der AfA Dr. Suhr (vgl. sein Schreiben an StS Pünder vom 22.11.31 in R 43 I /1166 , Bl. 110) und die drei agrarischen Vertreter Brandes, Holtmeier und v. Oppen nicht teil (vgl. Dok. Nr. 563 sowie ihre Absage an den RK vom 21.11.31 in R 43 I /1166 , Bl. 103).

Das Reichskabinett und der Wirtschaftsbeirat traten am 23. November unter dem Vorsitze des Herrn Reichspräsidenten zu ihrer letzten gemeinsamen Sitzung zusammen.

Der Reichskanzler gab die Leitsätze bekannt, die als Ergebnis der Beratungen des Wirtschaftsbeirats festgestellt worden sind2.

2

Siehe die Anlage. Handschriftliche Entwürfe der Verlautbarung befinden sich in R 43 I /1166 , Bl. 147–216. Vgl. auch Schultheß 1931, S. 256–261.

[1992] Der Reichsbankpräsident machte dann eingehende Ausführungen über die währungs- und kreditpolitischen Verhandlungen des Beirats3.

3

Luther sagte u. a.: „Von der Währung her oder mit Mitteln der Kreditpolitik kann über das hinaus, was bereits jetzt geschieht, ein Anstoß zur Belebung der Wirtschaft nicht gegeben werden. […] Die Reichsbank wird, wobei das oberste Gesetz aller Währungspolitik die Vermeidung jeder Währungsentwertung bleibt, im Einklang mit ihrer seitherigen Politik […] jede zur Erleichterung der Wirtschaft und damit zur Abmilderung der Arbeitslosigkeit geeignete Maßnahmen ergreifen […] Es ist ein tragisches Schicksal, daß, während sonst in tiefen Krisen der Geldzins niedrig zu sein pflegt, Deutschland aus den besonderen Voraussetzungen seiner allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Lage heraus, die für Deutschland eine zusätzliche Not neben der Weltwirtschaftskrise bedeutet, wegen seiner Abhängigkeit von der Devisenlage zur Zeit in der Gestaltung der Diskontpolitik ungemein behindert und eingeengt ist. Umsomehr wird man die anderen Absichten und Empfehlungen des Wirtschaftsbeirats verwirklichen müssen, die z. B. von der Seite der Habenzinsen und der Verringerung der Zinsspannen auf Verbilligung der Zinssätze hinzielen […] Gegenüber illusionistischen Währungsprojekten, die das erworbene Wissen und die deutlichen Erfahrungen der Menschheit in Währungsfragen vernachlässigen, die aber trotzdem immer wieder an die Reichsregierung und die Reichsbank herangebracht werden, wird die klare Einsicht und Stellungnahme des Wirtschaftsbeirates von größter Bedeutung sein. Eine Beendigung des deflationistischen Geschehens in der Welt würde neben den notwendigen außenpolitischen Entscheidungen den entscheidenden Anstoß zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise geben. Zu solcher nur auf internationaler Basis möglichen Antideflationspolitik kann Deutschland nur wenig beitragen […] Darüber hinaus aber steht Deutschland seit dem 20. September, dem Tag der Pfundabwertung, vor einem besonderen Problem […]. Daß Reichsregierung und Reichsbank sich am 20. September nicht entschlossen, auch die deutsche Reichsmark gleiten zu lassen, war im eigentlichen Sinne gar keine Entschließung, sondern nur der Ausdruck einer durch die Verschuldungslage Deutschlands wie durch die Inflationserfahrenheit des deutschen Volkes notwendig gegebene Schlußfolgerung. Aber ebenso notwendig ist die weitere Schlußfolgerung, daß das, was England durch die Pfundabwertung von der Geldseite her getan hat und worin andere Länder ihm gefolgt sind, in Deutschland, soll die deutsche Stellung in der Welt behauptet werden, von der Preis- und Unkostenseite her getan werden muß: Dieser allgemeine Senkungsvorgang, dessen Ziel eine Herabsetzung des gesamten Preisniveaus in Deutschland ist, der infolgedessen ebensowohl an den Preisen wie an den Gehältern und Löhnen vollzogen werden muß, wird, wenn er in hinreichender Breite und mit allem Nachdruck durchgeführt wird, sich nicht als Herabminderung der inneren Kaufkraft auswirken. […]“ (WTB Nr. 2468 vom 24.11.31 in R 43 I /1166 , Bl. 248).

Auch der Reichsarbeitsminister berichtete über die Verhandlungen, und zwar, soweit sie sich auf die Lohn- und Tarifverhandlungen bezogen.

Nachdem übereinstimmend beschlossen war, daß auch noch bei den Ausführungen, die veröffentlicht werden, auf das Arbeitslosenproblem Bezug genommen wird, und daß eine Anlehnung an den Wortlaut des Briefes des Herrn Reichspräsidenten stattfindet, in dem dieser den Wirtschaftsbeirat einberief4, wurde die Sitzung geschlossen.

4

Vgl. Dok. Nr. 515, Anm. 12.

Die Rede des Herrn Reichspräsidenten, die Ausführungen des Herrn Reichskanzlers und des Herrn Reichsbankpräsidenten, sowie der Bericht über den Verlauf der Sitzung, der veröffentlicht wurde5, liegen bei.

5

Der Bericht wurde von WTB Nr. 2463 vom 23.11.31 veröffentlicht (R 43 I /1166 , Bl. 245–247).

Nach Schluß der Sitzung dankte der Herr Reichspräsident nochmals persönlich den Beteiligten für ihre Arbeit.

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