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1. Fürstenauseinandersetzung.
Der Reichskanzler führte aus, daß nach seiner Ansicht an der Zusammensetzung des Reichssondergerichts in der nunmehr vorgesehenen Form nichts[1276] mehr geändert werden dürfe1. Er wies unter anderem, ohne Widerspruch zu finden, darauf hin, daß über folgenden Satz Klarheit bestehen müsse: „Was das Fürstenhaus mit Früchten des Staatseigentums erworben habe, sei Privateigentum2.“
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Betrifft § 1 des seit 12. 3. dem Rechtsausschuß vorliegenden (2.) Kompromißentwurfs der Koalitionsparteien. Zum Inhalt und zu den Änderungswünschen verschiedener RT-Fraktionen s. Dok. Nr. 302, dort auch Anm. 7. – Im Rechtsausschuß werden hierzu am 21. 4. folgende Anträge eingebracht: 1) Antrag der SPD: „Die Mitglieder des Gerichts sowie die notwendigen Stellvertreter wählt der Reichstag.“ 2) Antrag der DNVP: „Das Reichssondergericht ist unter Vorsitz des Reichsgerichtspräsidenten aus einem Senat des Reichsgerichts zu bilden, zu dem zwei weitere Mitglieder hinzutreten.“ Letztere werden „für jeden Streitfall, je eines auf Vorschlag des Landes und der anderen Partei, vom Präsidenten des Reichsgerichts berufen“ (Drucks. des Rechtsausschusses Nr. 208 und 209 in R 43 I/2206, Bl. 364 f.). Beide Anträge werden in der am gleichen Tage stattfindenden Ausschußsitzung abgelehnt (gedr. Protokoll in R 43 I/2210, Bl. 111-115, hier: Bl. 114).
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Muß wohl heißen: Staatseigentum. § 5 des (2.) Kompromißentwurfs bestimmt hierzu in seiner neuesten, vom RJMin. am 14. 4. an die Rkei übersandten Fassung: „(1) In dem Verfahren auf Gesamtauseinandersetzung stellt das Reichssondergericht, soweit darüber unter den Parteien Streit besteht, auf Grund von Reichs- und Landesrecht fest, was von den zur Auseinandersetzungsmasse gehörigen Vermögenstücken Staatseigentum und was Privateigentum ist. (2) Als Staatseigentum gilt, was das Fürstenhaus oder seine Mitglieder erworben haben a) auf Grund von Handlungen, die sie nur kraft ihrer staatsrechtlichen Stellung vornehmen konnten oder sonst auf Grund des Völker-, Staats- oder übrigen öffentlichen Rechts mit Ausnahme der unter Zustimmung einer Volksvertretung verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze, b) gegen Leistungen, die sie nur kraft ihrer staatsrechtlichen Stellung bewirken konnten. (3) Als Privateigentum des Fürstenhauses oder seiner Mitglieder gilt, was sie auf Grund eines Privatrechtstitels erworben haben a) mit privaten Mitteln, b) unentgeltlich (im Erbgang, als Mitgift, auf Grund privater Schenkung oder aus ähnlichen Gründen) und auch ohne eine Gegenleistung, die sie nur kraft ihrer staatsrechtlichen Stellung bewirken konnten. (4) Als Privatrechtstitel gilt nicht die Ersitzung, wenn festgestellt wird, daß der Besitz, auf dem sie beruht, auf eine der in Abs. 2 bezeichneten Erwerbsarten erlangt ist.“ (R 43 I/2206, Bl. 260-267, hier: Bl. 262).
Sehr umstritten wurde sodann noch die Frage der Rückwirkungen im § 6 des Kompromißentwurfs3.
Der Reichskanzler führte aus, daß nach seiner Ansicht die Rückwirkung sich nur auf nach der Staatsumwälzung des Jahres 1918 ergangene rechtskräftige Urteile erstrecken dürfe. Nur in dieser Fassung halte er den Kompromißentwurf für tragbar.
Der Abgeordnete Frhr. von Richthofen erklärte, daß er hierüber noch die Preußische Staatsregierung fragen müsse. Nur unter der Bedingung könne er seine Unterschrift unter den Kompromißentwurf setzen.
Der Reichskanzler stellte sodann Übereinstimmung der anwesenden Vertreter der Regierungsparteien darüber fest, daß der Entwurf nunmehr von den Vertretern der Regierungsparteien unterschrieben und tunlichst bald dem Rechtsausschuß zugeleitet werden solle.
Das Einverständnis des Abgeordneten Dr. Pfleger will der Abgeordnete Geheimrat Dr. D. Kahl telegrafisch einholen4.
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Der neue (3.) Kompromißentwurf wird noch am gleichen Tage von den Abg. Schulte, Wunderlich, v. Richthofen und Pfleger dem Rechtsausschuß vorgelegt. Die Fassung der §§ 1, 5 und 6 entspricht den vom RK vorgeschlagenen Regelungen (Drucks. des Rechtsausschusses Nr. 206 in R 43 I/2206, Bl. 359-363).