2.21.1 (ma31p): 1. Besoldungs- und Pensionsfrage der Saarbeamten.

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Die Kabinette Marx III und IVDas Kabinett Marx IV Bild 146-2004-0143Chamberlain, Vandervelde, Briand und Stresemann Bild 102-08491Stresemann an den Völkerbund Bild 102-03141Groener und Geßler Bild 102-05351

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1. Besoldungs- und Pensionsfrage der Saarbeamten.

Vortragender Legationsrat von Friedberg trug den Inhalt der gemeinsamen Kabinettsvorlage des Auswärtigen Amts, des Reichsfinanzministeriums und des Reichsministeriums des Innern vor1. Bezüglich der aktiven Beamten sei Einverständnis erzielt worden dahin, daß eine Zahlung der Differenz zwischen dem Frankengehalt und den deutschen Gehältern durch Deutschland nicht in Frage kommen könne. Es soll aber ein Härtefonds gebildet werden, aus dem die Saarbeamten Zuschüsse für solche Auslagen erhalten sollen, die sie in Mark machen müßten. Das Auswärtige Amt rechne hier mit einem Härtefonds in Höhe von 2,4 Millionen, so daß auf den Kopf der 12 000 Saarbeamten etwa 200 M entfallen würden. Die Frage der Anrechnung der Dienstzeit, wie sie in Ziffer 5 des Kabinettsbeschlusses vom 28. September 1920 vorgesehen sei2, sei noch nicht[45] spruchreif. Bezüglich der Pensionäre besteht insofern zwischen Reichsfinanzministerium und Reichsinnenministerium einerseits und Auswärtigem Amt andererseits eine Meinungsverschiedenheit, als das Auswärtige Amt die Neupensionäre, d. h. diejenigen Pensionäre, die unter der Herrschaft der Saarkommission pensioniert worden seien, den Altpensionären, die also vor der Tätigkeit der Saarkommission bereits pensioniert waren, gleichstellen wolle, während die beiden anderen Ministerien auch hier wie bei den aktiven Beamten vorgehen möchten, d. h. mit Hilfe eines Härtefonds den Pensionären zu helfen versuchen wollten. Das Auswärtige Amt schlage vor, die Neupensionäre den Altpensionären gleichzustellen, und zwar rückwirkend ab 1. April dieses Jahres3.

1

Als die Verwaltung des Saargebiets im Februar 1920 von einer vom Völkerbund eingesetzten Regierungskommission übernommen wurde, traten die bis dahin im Saargebiet tätigen Beamten des Reichs, Bayerns und Preußens in die Dienste der Regierungskommission. 1922 wurde für die Saarbeamten die Frankenbesoldung eingeführt. Mit zunehmender Entwertung des Franken verschlechterte sich der Goldwert der Frankengehälter gegenüber den vergleichbaren Beamtenbesoldungen im Reich. Die Saarbeamten verlangten nun vom Reich und den Ländern die Zahlung von Ausgleichsbeträgen, und zwar unter Hinweis auf einen Beschluß der RReg. vom 28.9.20 und entsprechende Beschlüsse der Bayer. und Pr. Reg., die den Beamten zusicherten, daß ihnen aus der Dienstleistung im Saarland keinerlei Nachteile entstehen sollten. In einer gemeinsamen Kabinettsvorlage vom 27.5.26 sprachen sich das AA, das RFMin. und das RIMin. gegen die Zahlung laufender Besoldungszuschüsse aus, da dies zu unabsehbaren Berufungen anderer Bevölkerungsgruppen des Saargebiets führen würde. Um aber „der in starker Erregung befindlichen deutschen Beamtenschaft des Saargebiets, der eine Anerkennung für ihr treues Aushalten in diesem umstrittenen Gebiet unter fremder Herrschaft nicht vorenthalten werden kann, wenigstens etwas zu bieten“, schlugen die genannten Ressorts die Gewährung von Beihilfen zur Bestreitung von Reichsmarkausgaben vor (R 43 I /242 , Bl. 53–60). Eine unterschiedliche Haltung nahmen die Ressorts in der Frage der Behandlung der sog. Neupensionäre des Saargebiets ein: Die während der Amtszeit der Saarregierung pensionierten Beamten (Neupensionäre) erhielten Frankenpensionen, die erheblich unter den Reichsmarkpensionen der Altpensionäre lagen. Das RIMin. und insbesondere das RFMin. wollten den Neupensionären ebenso wie den aktiven Beamten lediglich Beihilfen zukommen lassen (Vorlage vom 1.6.26, R 43 I /242 , Bl. 75–76), während das AA dafür eintrat, die Neupensionäre den Altpensionären gleichzustellen und ihnen den vollen Differenzbetrag zwischen Franken- und Reichsmarkpensionen zu zahlen (Vorlage vom 5.6.26, R 43 I /242 , Bl. 78–79). Die Regg. Preußens und Bayerns traten der Auffassung des AA bei (R 43 I /242 , Bl. 80–83, 85–94).

2

Ziffer 5 des Kabinettsbeschlusses vom 28.9.20 über die rechtliche Stellung der Saarbeamten lautete: „Die Reichsregierung wird den gesetzgebenden Körperschaften einen Gesetzentwurf vorlegen, wonach die im Saarbecken verbrachte Zeit auf das Ruhegehaltsdienstalter in 1½facher Höhe angerechnet wird.“ (R 43 I /242 , Bl. 60).

3

Der letzte Satz ist nach der Fassung des korrigierten Protokollauszuges in R 43 I /242 , Bl. 110 wiedergegeben.

Zum Schluß betonte Herr von Friedberg, daß es ihm angezeigt erscheine, wenn der Herr Reichskanzler nunmehr die Abordnung der Saarbeamtenschaft empfange. Es könne ja bei diesem Empfang den Saarbeamten verheimlicht werden, daß das Kabinett sich bereits endgültig entschieden habe4.

4

Siehe das Wortprotokoll über den Empfang der Saarbeamten in der Rkei am 17.6.26 (R 43 I /242 , Bl. 121–148).

Der Reichskanzler trug den Inhalt seiner Unterredung mit dem Vertreter der Bayerischen Staatsregierung Herrn Staatsrat von Wolf vor5 und teilte auch im wesentlichen den Inhalt des Schreibens des Bayerischen Ministeriums der Finanzen vom 8. Juni d. J. mit6.

5

Siehe die Aufzeichnung Offermanns über den Empfang des Staatsrats v. Wolf durch den RK am 10. 6. (R 43 I /242 , Bl. 93–94).

6

Schreiben des Bayer. FMin. an Staatsrat v. Wolf vom 8. 6. (R 43 I /242 , Bl. 85–92).

Der Reichspostminister stellte den Antrag, daß der Beihilfefonds aus Reichsmitteln (also für die Postbeamten nicht von der Reichspost) zu speisen sei. Ebenso glaube er, daß die Zuteilungen aus dem Fonds nicht starr auf den Bedarfsfall beschränkt werden dürfen, sondern auch (bei der Post) gleichmäßig auf die Beteiligten verteilt werden können.

Der Vertreter des Reichsfinanzministeriums, Geheimrat Wever, machte auf die erheblichen Bedenken des Reichsfinanzministeriums gegen die Zahlung der vollen Unterschiedsbeträge zwischen den Frankenpensionen und den deutschen Pensionen an die Neupensionäre aufmerksam, wie sie in dem Schreiben des Reichsfinanzministeriums und des Reichsministeriums des Innern vom 1. Juni 19267 […] zum Ausdruck gekommen seien. Er erklärte ferner, daß er sich gegen den Antrag der Post, die Ausgaben für Postbeamte auf allgemeine Reichsmittel zu übernehmen, wenden müsse und legte Wert auf die Feststellung, daß die Aktion zugunsten der Beamten zu keinerlei Berufungen anderer Bevölkerungsklassen des Saargebiets Anlaß geben dürfe8.

7

R 43 I /242 , Bl. 75–76.

8

Der vorstehende Absatz ist auf Antrag des RFMin. nachträglich in das Protokoll eingefügt.

Der Reichskanzler trug den Wunsch Bayerns vor, das Reich möge die für die Besoldung der Saarbeamten notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, da ja Bayern aus dem Saargebiet keinerlei Einnahmen habe.

[46] Das Kabinett lehnte diesen Antrag Bayerns ab und beschloß im übrigen, sich bezüglich der aktiven Beamten dem Standpunkt der Kabinettsvorlage anzuschließen. Bezüglich der Neupensionäre wurde der Standpunkt des Auswärtigen Amts gegen die Stimme des Vertreters des Reichsfinanzministeriums angenommen9. Dabei wurde festgestellt, daß seitens der Kommunalbeamten, Staatsarbeiter, Sozialrentner usw. Berufungen aus der Aktion für die Reichs- und unmittelbaren Landesbeamten nicht hergeleitet werden könnten10. Die Frage der Anrechnung der im Saarbecken verbrachten Dienstzeit auf das Ruhegehalts-Dienstalter in 1½facher Höhe wurde zurückgestellt, da nach Auffassung des Kabinetts diese Frage nur im Zusammenhang mit der Regelung für Oberschlesien und dem besetzten Rheinland gelöst werden kann.

9

Am 13.7.26 übersandte der RFM der Rkei die „Richtlinien über die Betreuung der in den Dienst der Regierungskommission des Saargebiets beurlaubten Reichsbeamten“ (R 43 I /242 , Bl. 172–178). Das Kabinett stimmte den Richtlinien im Umlaufverfahren zu.

10

Dieser Satz ist auf Antrag des RFMin. nachträglich in das Protokoll eingefügt.

Zu dem vom Reichskanzler weiter vorgebrachten bayerischen Wunsch auf baldige Ratifikation des Baden-Badener Abkommens gab Vortr. Legationsrat von Friedberg die Erklärung ab, daß diese Ratifikation sobald wie möglich erfolgen solle11.

11

Das Baden-Badener Abkommen zwischen der Dt. Reg. und der Regierungskommission des Saargebiets über die Rechtsverhältnisse der der Regierungskommission zur Verfügung gestellten dt. Beamten (Baden-Badener Beamtenabkommen) war am 21.12.25 unterzeichnet worden (Text in R 43 I /242 , Bl. 202–213). Die Ratifikation des Abkommens erfolgte am 14.6.26 (Dt. Reichsanzeiger Nr. 162 vom 15.7.26).

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