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5. Republikschutzgesetz.
Der Reichskanzler berichtete über das Ergebnis der Parteiführerbesprechung24.
Der Reichsminister des Innern führte aus, daß der Entwurf25 als Initiativantrag der Regierungsparteien an den Reichstag gehen solle. Das Gesetz26 solle um 2 Jahre verlängert werden; anstelle des Staatsgerichtshofs soll das Reichsverwaltungsgericht und bis zu dessen Errichtung ein Senat des Reichsgerichts treten. Die Regierungsparteien sollten 2 Entschließungen einbringen:
1. | Die Bestimmungen des Republikschutzgesetzes sollten unter Fortfall überholter Bestimmungen in das Reichsstrafgesetzbuch eingearbeitet werden. |
2. | Es solle geprüft werden, ob für die Aufrechterhaltung des Kaiser-Paragraphen27 noch ein Bedürfnis vorliege und ob und unter welchen Voraussetzungen auf ihn verzichtet werden könne. |
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Gemeint ist § 23 des Republikschutzgesetzes.
Der Reichskanzler hielt den Vorschlag für eine brauchbare Unterlage für weitere Verhandlungen, nur die Entschließung zu 2 sei bedenklich; es sei unlogisch, die Verlängerung auf zwei Jahre und gleichzeitig die Prüfung des Wegfalls einer wichtigen Bestimmung des Gesetzes zu beschließen. Erhebliche Angriffe gegen die Regierung wegen dieser Entschließung seien zu befürchten, andererseits würde sie das Zustandekommen des Gesetzes erleichtern.
Der Reichsminister der Finanzen sprach sich für die Mitwirkung des Laienelements bei den Entscheidungen des Reichsverwaltungsgerichts und des Senats des Reichsgerichts aus. Der Entschließung zu 2 könne er nicht zustimmen. Die innenpolitischen und außenpolitischen Folgen seien äußerst bedenklich.
[740] Der Vizekanzler führte aus, daß der Kaiser-Paragraph in seiner geltenden Fassung überholt sei. Er bezöge sich auf alle Fürstenhäuser, während seine Voraussetzungen nur beim Kaiser zuträfen. Der Reichstag habe beschlossen, die Vorschrift zu beseitigen28. Für die D.N.V.P., die bisher das Republikschutzgesetz als gegen die Rechte gerichtet scharf bekämpft habe, sei die Zustimmung eine außerordentlich schwere Belastung. Durch die Resolution müsse ein Gegengewicht geschaffen werden. Tatsächlich seien keine Bedenken am Platze. Der Kaiser werde keinesfalls in den nächsten 2 Jahren nach Deutschland kommen. Veranlassung zur Nachprüfung der Bestimmung sei gegeben, auch weil der Streit zwischen Preußen und dem Hohenzollernhause geschlichtet sei29. Sachlich stimme er mit der Auffassung der anderen Kabinettsmitglieder überein.
Der Reichsarbeitsminister fürchtete, daß die Entschließung zu 2 schwer durchzubringen sein werde. Es bestehe keine sachliche Notwendigkeit für sie; sie sei vielmehr eine Prestigefrage.
Der Reichswehrminister wies auf die außenpolitischen Folgen der Entschließung hin. Bei der ungünstigen außenpolitischen Lage und dem Streben Frankreichs, sich den Folgen der Locarnopolitik zu entziehen, würde die Entschließung, ähnlich wie der Stahlhelmtag30, als Vorwand benutzt werden, um Deutschland aggressive Tendenzen zu unterstellen. Der äußersten Rechten würde auch die Entschließung nicht genügen.
Der Reichskanzler stellte auf Grund einer Anregung des Staatssekretärs in der Reichskanzlei zur Erwägung, ob die Entschließung zu 2 nicht mit der Entschließung zu 1 derart verschmolzen werden könne, daß der Kaiser-Paragraph nicht in die Erscheinung träte.
Auf Vorschlag des Reichskanzlers wurde beschlossen, über den Entwurf des Republikschutzgesetzes am 12. Mai mit den Parteiführern erneut zu verhandeln31.