2.82.2 (str1p): 2. Währungsfrage

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 20). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Stresemann I und II. Band 1Gustav Stresemann und Werner Freiherr von Rheinhaben Bild 102-00171Bild 146-1972-062-11Reichsexekution gegen Sachsen. Bild 102-00189Odeonsplatz in München am 9.11.1923 Bild 119-1426

Extras:

 

Text

RTF

2. Währungsfrage10

10

Zu diesem Tagungsordnungspunkt liegt eine Parallelüberlieferung Saemischs vor (BA: NL Saemisch  158, Bl. 75).

Der Reichsminister der Finanzen11 wies daraufhin, daß die sachliche Beratung seiner Vorlage schon stattgefunden habe12; es handle sich nur noch um die zwischen ihm und dem Reichswirtschaftsminister bestehende Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Befreiung von Landabgabe und Betriebssteuer13. Er habe in seinem Ministerium keine Unterlagen dafür finden können, daß eine Zusicherung der angegebenen Art erteilt worden sei. Die beiden Abgaben stellten die einzigen Goldsteuern dar, über die er verfüge, und er könne keinesfalls darauf verzichten.

11

In der Überlieferung Saemischs lauten die Ausführungen des RFM: „Landabgabe und Betriebssteuer sind die einzigen Goldsteuern. Auf sie kann er nicht verzichtet [!]. Abgabe für W[ährungs]bank ist Entgelt gegenüber Papiermark u. wird durch Gewinn der Notenbank abgegolten werden. Ausfuhrabgabe ist abgeschafft, Kohlensteuer schwankt. Schlägt Verabschiedung der Vorlage vor. Helfferich hat keine Zusage von Hermes, Hilf. hat nur zugesichert, daß keine ungleichmäßige Belastung der Landwirtschaft resultieren sollte. Es werde aber auch Industrie, Handel belastet. Fischers Vorschlag [?] kommt vielleicht.“

12

S. dazu Ramhorst, Die Entstehung der Deutschen Rentenbank, S. 27 ff.; K. Elster, Von der Mark zur Reichsmark, S. 228 f.

13

Vgl. dazu auch Dok. Nr. 81.

Er schlage vor, die Vorlage zu verabschieden und an Reichsrat und Reichstag gelangen zu lassen14. Er habe zugesichert und werde auch dabei bleiben, daß keine ungleiche Belastung der Landwirtschaft erfolgen werde15. Er sei aber nicht in der Lage, irgend ein Währungsobjekt zu vertreten, wenn gleichzeitig durch die Aufhebung der wichtigsten Steuern die Ausgleichung des Reichshaushalts vollends in Frage gestellt würde16.

14

Die Vorlage vom 1.10.23 s. RT-Bd. 380 , Drucksache Nr. 6216.

15

S. Hilferdings Äußerungen in Dok. Nr. 9, 29, 67.

16

Vgl. Hilferding in Dok. Nr. 71, P. II , 1.

Der Reichswirtschaftsminister verlas den in Frage kommenden Teil des Briefes an Dr. Helfferich17. Es handele sich um eine politische und nicht um eine finanzielle Frage18. Die gegebene Zusage müsse gehalten werden, sonst entstehe der Vorwurf des Wortbruches, und es sei zu befürchten, daß die Landwirtschaft bei der Schaffung der neuen Währung ihre Mitwirkung versagen werde. Er schlage daher vor, um Erschütterungen innerhalb des Kabinetts zu[376] vermeiden, die Frage der Zusicherung in der Schwebe zu belassen, bis die Vorlage zum Reichsrat gelange.

17

Dieser Brief konnte in R 43 nicht ermittelt werden; vgl. dazu Anm. 5 zu Dok. Nr. 9.

18

Auf diese Frage geht die Überlieferung Saemischs nur knapp ein: „Frage ist politisch. Gegebene Zusage muß gehalten werden. Es ist eine Sonderbelastung, da das mobile Privatvermögen nicht belastet wird. Ausweg ist, jetzt nichts zu sagen, in suspenso lassen bis zur Beratung im Reichstag.“

Der Reichskanzler19 wies auf die Notwendigkeit hin, daß die Vorlage von der Regierung in ihrer jetzigen Form20 mit aller Energie vertreten werde. Die Schaffung der neuen Währung vertrage keinen Aufschub, und es seien so viel weitere Projekte angekündigt worden, daß ein Scheitern der Vorlage zu befürchten sei, wenn die Regierung in der Sache nicht ganz fest stehe.

19

Zu Stresemanns Ausführungen heißt es bei Saemisch: „Die Regierung muß zu ihrer Vorlage stehen, die beschleunigt zu erledigen ist. Verträgt die Situation diesen Aufschub?“

20

Gemeint sein dürfte die Vorlage, die der RFM als RT-Drucks. 6216  einbrachte (RT-Bd. 380 ).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wiederholte seine Anregung einer Kompromißregelung dahingehend, daß die auf die Währungsbelastung fälligen Zinsen gegen das letzte Drittel der Land- und Betriebsabgabe aufgerechnet werden sollte21.

21

Dieser Kompromißvorschlag muß sich auf § 6, Abs. 4 des GesEntw. beziehen, der lautet: „Das Kapital der Grundschuld ist mit 6 vom Hundert jährlich zu verzinsen. Die Zinsen sind vom Inkrafttreten dieses Gesetzes ab am 1. April und 1. Oktober jedes Jahres, zum ersten Male am 1. April 1924, innerhalb einer Woche nach Fälligkeit zu entrichten. Die Währungsbank bestimmt die Zahlungsstelle.“ Luthers Ausführungen gingen nach Saemisch dahin: „Luther will Mittel finden, so daß zum 1. IV. fälligen 100 Millionen Zinsen auf das letzte Drittel der Betriebs- u. Landabgabe aufgerechnet werden. Hilferdings Erklärung ist vom Entwurf eingelöst [?]. Hermes’ Erklärung muß weitergegangen sein.“

Der Reichskanzler stellte fest22, daß es für den Reichsminister der Finanzen nicht möglich sei, auf irgendwelche Steuern zu verzichten; daß aber im übrigen die politische Entscheidung der Frage Sache des Kabinetts sei. Somit könne er weiterhin feststellen, daß die Vorlage als solche in ihrer jetzigen Form vom Reichsministerium angenommen werde.

22

Hierzu lautet die Überlieferung Saemischs: „Erklärung des RFMin. daß er nicht auf Steuern verzichten könne, daß aber politisch die Entscheidung beim Kabinett liege. Vorlage muß jetzt in Reichsrat und Reichstag gehen.“

Hinsichtlich der ferneren Behandlung regte er an, daß mit Rücksicht auf die zu erwartenden Gegenvorschläge einerseits und die Notwendigkeit äußerster Beschleunigung23 andererseits der Reichsfinanzminister vor Einbringung der Vorlage mit den Fraktionsführern Fühlung nehmen solle24.

23

Die Vorlage (s. o. Anm. 20) kam am 29. 9. in den RR und am 1. 10. in den RT.

24

In diesem Zusammenhang fiel wohl die bei Saemisch überlieferte Äußerung Oesers: „Demokraten wollen gegen den Entwurf und für die Vorlage Fischer stimmen.“ Zum Verhalten der DDP vgl. W. Stephan, Aufstieg und Verfall des Linksliberalismus, S. 232 ff.; s. außerdem das Memorandum der DDP in Beusch-Brief, Währungszerfall und Währungsstabilisierung, S. 163–166 (Anlage 20).

Der Reichsminister der Finanzen stellte in Aussicht, dieses noch am gleichen Abend zu tun25.

25

In R 43 konnten hierzu keine Einzelheiten ermittelt werden.

3. In Fortsetzung der Erörterung über die Einstellung des passiven Widerstandes wies der Reichswehrminister darauf hin, daß die Besatzungsmächte voraussichtlich Verhandlungen ausweichen, den Zustand der Ungewißheit möglichst lange hinziehen und suchen würden, eine eigene Verwaltung einzuführen.

Dem gegenüber müsse man deutscherseits sich darüber klar werden, was in einem und was im anderen Falle zu tun sei.

[377] Der Reichsminister der Finanzen verlas ein an ihn gerichtetes Telegramm des Braunkohlensyndikats in Köln, in dem die sofortige Anweisung von 100 Billionen Mark im Wege des nicht wertbeständigen Kredits gefordert und angedroht werde, daß im Falle der Verweigerung das Syndikat die Kohlen auf der Regiebahn befördern und die Kohlensteuer an die Besatzungsmächte zahlen werde26.

26

Das Telegramm konnte nicht ermittelt werden. Zum Verhältnis des Braunkohlensyndikats zur Regie s. Dok. Nr. 225.

Auch die Herren Stinnes, Vögler und Haßlacher hätten ihn bei einer Rücksprache am Vortage darauf hingewiesen, daß sie, um die Betriebe sofort wieder in Gang zu bringen, gezwungen sein würden, ähnlich zu verfahren27.

27

Über die Gespräche und Forderungen konnten in den Beständen R 43, R 2 und NL Silverberg  keine Unterlagen ermittelt werden. Zu vorfühlenden Verhandlungen der Montan-Industrie mit frz. Besatzungsbehörden s. P. Wentzcke, Ruhrkampf II, S. 191 ff.

Der Reichskanzler stellte fest, daß die Zahlung der verlangten Summen nicht in Frage kommen könne, daß es aber auch nicht möglich sei, für die Reichsregierung heute zu bestimmen, wann Verhandlungen mit den Besatzungsmächten stattfinden könnten, in denen die aufgeworfenen Fragen Regelung finden könnten. In diesem Sinne müsse dem Braunkohlensyndikat geantwortet werden28.

28

Eine Antwort konnte nicht ermittelt werden. Zur Aufnahme der offiziellen Verhandlung der Ruhrindustriellen mit der MICUM s. Dok. Nr. 111.

Im übrigen stellte der Reichskanzler fest, daß Einigkeit darüber herrsche, eine Persönlichkeit als Regierungskommissar für die Verhandlungen mit den Besatzungsmächten zu bestimmen, daß jedoch die Auswahl dieser Persönlichkeiten noch unbestimmt sei.

Der Reichswirtschaftsminister betonte, daß unter allen Umständen auch ein Vertreter der Wirtschaft bestimmt werden müsse. Die Wirtschaftsbetriebe seien ohne Klärung der Frage des Abtransports und der Kohlensteuer weder in der Lage Kredite zu bekommen, noch Kohlen zu verkaufen.

Der Reichsverkehrsminister regte an, bei der Auswahl des Kommissars und der evtl. Zusammensetzung einer Delegation auch mit der Preußischen Regierung, wie in früheren Fällen, Fühlung zu nehmen.

Der Reichskanzler bat, dem Minister für die besetzten Gebiete mit möglichster Beschleunigung hinsichtlich der Person des Kommissars und des sonst in der Sache zu Veranlassenden Vorschläge zu unterbreiten29.

29

S. Anm. 9 zu Dok. Nr. 83.

Extras (Fußzeile):