1.162 (str2p): Nr. 275 Der Reichskanzler an die Sechserkommission des Bergbaulichen Vereins. 21. November 1923

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[1155] Nr. 275
Der Reichskanzler an die Sechserkommission des Bergbaulichen Vereins. 21. November 1923

R 43 I /453 , Bl. 270–272 Durchschrift1

1

Das Schreiben ist abgedruckt bei H. Spethmann 12 Jahre Ruhrbergbau III, S. 383 f. – Dazu vermerkte Grävell am 21.11.23: „Das anliegende Schreiben ist vom Reichsministerium für Wiederaufbau (Staatssekretär Müller, Geh.Rat. Ruppel, GehRat Cunze) unter Mitwirkung des Auswärtigen Amts (Minister Ritter) entworfen; dem Entwurf hat der Reichsfinanzminister zugestimmt. Er entspricht den in der Chefbesprechung vom heutigen Tage beschlossenen Richtlinien. Das Konzept mit Unterschriften befindet sich beim Reichsministerium für Wiederaufbau. Die Reinschrift ist vom Herrn Reichskanzler am 21. 11. abends vollzogen und Herrn Stinnes, als Beauftragten der Sechserkommission übergeben“ (R 43 I /453 , Bl. 269).

[Betrifft: Vereinbarung mit der Micum.]

Sie haben mir mitgeteilt2, daß die Mission de Contrôle des Usines et des Mines (Micum) in der Frage der Gutschrift auf Reparationskonto3 folgende Fassung annehmen würde:

2

Vgl. Anm. 11 zu Dok. Nr. 271.

3

Es handelt sich um den umstrittenen Artikel 17 des Abkommens.

„Der Wert der Kohlen, des Kokses und der Nebenprodukte, die seit dem 11. Januar 1923 beschlagnahmt oder geliefert worden sind, und die künftig beschlagnahmt oder auf Grund des vorliegenden Vertrages geliefert werden, wird Deutschland abzüglich der Transportkosten bis zur Grenze der Bestimmungsländer auf Reparationskonto gutgeschrieben. Das Gleiche gilt für alle anderen Produkte, die für Reparationszwecke beschlagnahmt oder geliefert worden sind oder künftig beschlagnahmt oder geliefert werden.

Die Abgaben, die bereits erhoben sind oder künftig erhoben werden, werden der Pfänderkasse überwiesen. Die Reparationskommission ist berufen, sich über die Verteilung der so vereinnahmten Beträge zu erklären. Ohne der von der Reparationskommission in dieser Beziehung zu treffenden Entscheidung vorzugreifen, werden die französische und die belgische Regierung die Beträge, die für die Abdeckung der für die Ruhroperation notwendigen Ausgaben erforderlich sind, aus den Beständen der Pfänderkasse fortlaufend weiter entnehmen.“

Danach besteht hinsichtlich der Gutschrift für die Kohlenlieferungen frei Grenze oder Seehafen zwischen den Beteiligten keine Meinungsverschiedenheit mehr. Dagegen hat die Micum zwar die endgültige Entscheidung über die Verwendung der Zahlungen in die Pfänderkasse der Reparationskommission vorbehalten, nimmt aber für die französische und die belgische Regierung das Recht in Anspruch, daraus vorläufig die Kosten der Ruhrbesetzung zu decken.

[1156] Die Reichsregierung wünscht, jeden Anschein zu vermeiden, als ob durch die Annahme des zweiten Absatzes seitens der Sechserkommission die Rechtmäßigkeit des gegenwärtigen Zustandes anerkannt würde4. Sie nimmt bei der klaren Rechtslage an, daß die Reparationskommission über die Verwendung der in die Pfänderkasse eingezahlten Beträge dahin entscheiden wird, daß dem Reich entsprechende Gutschriften auf Reparationskonto gegeben werden. Wenn die Entscheidung anders lauten oder wenn sie sich über Gebühr verzögern sollte, wird die Reichsregierung das den Kohlenzechen gegenüber gegebene Schuldanerkenntnis insoweit als beendigt erklären.

4

Nach einer telefon. Meldung Dr. Freundts an Grävell vom 20.11.23 war die Micum bereit gewesen, nur den ersten Teil des Artikels im Vertrag zu bringen. Die belg. Regierung hatte ihr Einverständnis erklärt. Demgegenüber hatte Poincaré verlangt, daß alle Lieferungen an die Pfänderkasse gehen müßten, da aus ihnen die Ruhrbesetzung zu decken sei. Erst der Überschuß könne angerechnet werden. „An diesem selben Paragraphen sind auch die Verhandlungen gescheitert, die Generaldirektor Silverberg für die Braunkohlenindustrie heute geführt hat. – Es sei nun wichtig zu wissen, ob die Regierung die ganze Frage offenlassen wolle, um mit der ganzen Angelegenheit vor die Reparationskommission zu treten. Anfrage, ob Unterzeichnung ohne diese Paragraphen stattfinden solle“ (Vermerk vom 21.11.23; R 43 I /453 , Bl. 268).

Zunächst wird die Steueranrechnung auf den Gegenwert der auf Reparationskonto gutgeschriebenen Kohlenlieferungen erfolgen.

Die Reichsregierung erwartet auf Grund des Berichts der Sechserkommission, daß in Zukunft kein weiterer Eingriff der Besatzungsbehörden in die Eigentums- und Besitzverhältnisse der Werke, der Zechen und aller Transportmittel und -einrichtungen zu Lande und zu Wasser erfolgen wird. Dementsprechende Bestimmungen werden Sie Ihrerseits in das Abkommen aufnehmen5.

5

S. zum Fortgang Dok. Nr. 278, P. 1.

gez. Dr. Stresemann

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