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1. Maßnahmen aus Anlaß des Marksturzes.
Reichswirtschaftsminister Schmidt berichtet eingehend über die geplanten Maßnahmen1.
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In seinem Schreiben vom 8.8.1922 an den StSRkei hatte der RWiM gebeten, über Maßnahmen aus Anlaß des Marksturzes, auch nach Vortrag des RFMin., im Kabinett zu beraten: „Ich beabsichtige, als solche Maßnahmen vorzutragen: Erhöhung gewisser Zollsätze zwecks Verringerung des Devisenbedarfs in der Einfuhr (Vorlage hierüber folgt als Anlage mit der Bitte um Verteilung an die Ressorts); – Maßnahmen zur Einschränkung der Spekulation in Devisen (Anlage hierüber folgt nach stattgehabter Chefbesprechung im Laufe dieser Woche); – Erhöhung der Ausfuhrabgaben (wird nur mündlich vorgetragen werden); – Erörterung der Schaffung einer inländischen Goldanleihe oder Goldschatzanweisung.“ (Schreiben und erstgenannte Anlage in R 43 I/2433, Bl. 347-349). Die Angelegenheit wird gemäß einer Abschlußverfügung Hemmers vom 30.9.22 als überholt nicht weiterverfolgt.
Staatssekretär Zapf schlägt vor, diese Maßnahmen erst dann zu treffen, wenn ein Einvernehmen mit den Interessenten zustande gekommen sei. Vorher müsse auch der Reichsrat und der Reichstagsausschuß gehört werden. Er stelle den Antrag, daß insbesondere vor Erhöhung des Tabakzolls die Arbeitnehmer und Arbeitgeber gehört würden und ebenso bei dem Kaffeezoll.
Staatssekretär von Simson spricht sich aus außenpolitischen Gründen gegen eine Erhöhung des Kaffeezolles aus. Vielleicht könne man für alle Gegenstände Zollerhebungen vornehmen und dann für gewisse Sachen, besonders auf den Kaffee, Ausnahmen festsetzen.
Staatssekretär Dr. Hirsch wendet sich in längeren Ausführungen gegen die Vorschläge der Staatssekretäre Zapf und von Simson. Der Reichstag tage zur Zeit nicht, und wenn man bis zum Oktober mit den Erhöhungen warten wolle, sei es zu spät. Insbesondere halte er eine Erhöhung des Tabakzolls für unbedingt geboten. Die Interessenten zu hören, könne man sich sparen, da diese zweifellos gegen jede Erhöhung des Zolls stimmen würden.
Der Reichskanzler regt an, evtl. Sachverständige zu hören darüber, ob durch die geplanten Maßnahmen, insbesondere die Zollerhöhung, die deutsche Valuta gehoben werden könne.
Nach längerer Debatte wurde beschlossen, die Abstimmung bis zum Bekanntwerden der Londoner Beschlüsse zurückzustellen.
Zu den weiteren vom Reichswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich zur Einschränkung der Spekulation in Devisen sowie zur Erhöhung[1015] der Ausfuhrabgaben, wurde beschlossen, auch hier erst endgültig Stellung zu nehmen nach Bekanntwerden des Londoner Resultats.