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6. Ausdehnung der Osthilfemaßnahmen auf die östlichen Gebiete Bayerns.
Der Reichskommissar für die Osthilfe erläuterte seine Kabinettsvorlage […] wegen Ausdehnung von Osthilfemaßnahmen auf das östliche Gebiet Bayerns16. Er wies darauf hin, daß es sich im § 1 seines Entwurfs um die Ausdehnung des Entschuldungsverfahrens auf die betreffenden Gebiete handele17, im § 2 hauptsächlich um die Ausdehnung der Entschuldungsverordnung vom 6. Februar 1932, durch die die Entschuldung im Wege von Rentenbankabfindungsscheinen ermöglicht werde18.
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Der VoEntw. mit Schreiben des ROsthilfeKom. vom 3.3.32 befindet sich in R 43 I/1812, Bl. 200–203. Nach Änderungsvorschlägen des RJMin. hatte RM Schlange am 4.3.32 einen abgeänderten Entw. vorgelegt (R 43 I/1812, Bl. 223–224).
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Vgl. das OsthilfeGes. vom 31.3.31, §§ 14–29 und § 31 (RGBl. 1931 I, S. 117, hier S. 119–122).
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Außerdem habe er Wert darauf gelegt, auch die im § 2 vorgesehenen Bestimmungen der Sicherungsverordnung vom 17. Nov. 193119 gleichzeitig auf das neue Gebiet auszudehnen, um bei dem Entschuldungsverfahren eine stärkere Akkordmöglichkeit zu gewinnen.
Der Betrag, der für die Entschuldung in den bayerischen Gebieten ausgegeben werden könne, sei begrenzt auf 3 Millionen und in dieser Höhe im letzten Sommer Bayern bereits zugesagt20. Den Vorschlägen des Verordnungsentwurfs habe Bayern zugestimmt21.
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Der Bayer.MinPräs. Held hatte in einer Denkschrift vom 12.3.31 an den RK die Notwendigkeit von Hilfsmaßnahmen des Reichs für die bayer. Ostgrenzbezirke erläutert und um eine Summe von 3. Mio. RM gebeten (R 43 I/2226, Bl. 60–95). Mit Schreiben des StSRkei vom 3.6.31 waren Bayern 3 Mio. RM zugesagt worden (Durchschrift in R 43 I/2226, Bl. 121–123).
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Vgl. hierzu den Vermerk von RegR Krebs vom 10.3.32, R 43 I/1812, Bl. 225–226.
Der Reichsminister der Finanzen erklärte, er habe die Vorlage erst vor der Sitzung erhalten und davon noch nicht genauer Kenntnis nehmen können. Da er der Angelegenheit eine besondere Bedeutung beilege, könner er der Vorlage unmöglich schon jetzt zustimmen22.
Der Reichskommissar für die Osthilfe bezeichnete die Vorlage als dringlich, weil Bayern auf Beschleunigung Wert lege. Er habe die Verordnung auch am 5. März bereits vorgelegt.
[2387] Staatssekretär Dr. Pünder teilte mit, daß verschiedene Ressorts gegen die Verhandlung der Vorlage zunächst Bedenken vorgebracht und die Vorlage als noch nicht kabinettsreif bezeichnet hätten23.
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Vgl. hierzu den entsprechenden Vermerk von MinR Feßler vom 8.3.32, R 43 I/1812, Bl. 204. Dagegen hatte RegR Krebs in seinem Vermerk vom 10.3.32 die Zustimmung des RJMin. und RIMin. zu RM Schlanges Vorlage notiert (R 43 I/1812, Bl. 225–226).
Der Reichspostminister wies auf die Notlage des bayerischen Ostgrenzgebiets hin und bat, für dieses etwas zu tun und den Betrag von drei Millionen möglichst zur Verfügung zu stellen. Auf die Form komme es dabei weniger an24.
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Auch der Bayer.Ges. v. Preger hatte in seinem Schreiben an RM Schlange um schnelle Hilfe gebeten; zur Beschleunigung könne unter Verzicht auf den § 2 des Entw. (Übernahme der SicherungsVo. vom 17.11.31) eine DurchführungsVo anstelle einer NotVo. erlassen werden (Abschrift in R 43 I/1812, Bl. 249–250). Diesen Vorschlag Pregers unterstützte MinDir. v. Hagenow in einer Ressortbesprechung am 18.3.32, während MinR Reichard vom Osthilfekommissariat diese Lösung als unzureichend zurückwies (Vermerk von RegR Krebs vom 18.3.32, R 43 I/1812, Bl. 251–252).
Der Reichskommissar für die Osthilfe erklärte zur Beschleunigung der Angelegenheit auch damit einverstanden zu sein, wenn Bayern die Durchführung der Verteilung selbst übernehme. Er wolle nicht unbedingt in das Verfahren hineinreden.
Der Reichskanzler erklärte, daß im Hinblick auf den zweiten Wahlgang für die Wahl des Reichspräsidenten eine Beschleunigung der Angelegenheit nicht erforderlich oder ratsam sei. Die Erfahrung habe gelehrt, daß die bisherigen Osthilfemaßnahmen in den bedachten Gebieten eine verschärfte Agitation der Regierungsopposition ausgelöst habe und daß die Hilfsmaßnahmen nicht etwa der Regierung durch eine besondere Unterstützung gedankt worden seien. Bisher sei das Gegenteil geschehen. Zudem würde auch in den an die bedachten Gebiete angrenzenden nicht bedachten Gebieten in verschärftem Maße gehetzt.
Es wurde beschlossen, die Beratung der Angelegenheit nach dem 10. April fortzusetzen25.