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3. Erhöhung der Postgebühren.
Der Reichspostminister führte aus, daß er in der Sitzung des Verwaltungsrats der Reichspost vom 8. April zum ersten Male seine Absicht ankündigen wolle, eine Gebührenerhöhung in ungefährer Höhe von 50% vorzunehmen. Die Vorlage über die Gebührenerhöhung wolle er im Juni dem Reichskabinett unterbreiten. In Kraft treten solle die Erhöhung vom 1. Oktober d. Js. ab. Die Erhöhung sei unbedingt nötig, um das tatsächlich vorhandene Defizit der Post zu decken. Er glaube, daß der Widerstand der Wirtschaft nicht allzu groß sein werde3. Vor der Ankündigung der beabsichtigten Erhöhung im Verwaltungsrat wolle er möglichst noch mit den Parteien über die Angelegenheit sprechen. Die[679] beabsichtigte Erhöhung sei im übrigen im Vergleich zum Auslande absolut berechtigt, da die Tarife im Auslande im Durchschnitt 50% höher seien als in Deutschland.
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Gegen die geplante 50%ige Erhöhung der Postgebühren (mit Ausnahme der Fernsprechgebühren) erhob der Zentralverband des Dt. Großhandels in einer Eingabe an den RK vom 26.4.27 „mit größter Entschiedenheit Einspruch“. Schon die inzwischen durchgeführte Neuregelung der Fernsprechgebühren hätte der Wirtschaft eine nicht unerhebliche finanzielle Mehrbelastung gebracht. „Durch die beabsichtigte weitere und wesentliche Erhöhung der Postgebühren droht den intensiven Bemühungen der Wirtschaft, unter allen Umständen zu einer Senkung der Gestehungskosten zu gelangen, erhebliche Gefahr.“ Durch die vorgesehene Steigerung der Gebühren für Briefe, Drucksachen, Pakete, Geldsendungen und Telegramme würde insbesondere der Großhandel schwer getroffen (R 43 I/2003, Bl. 158–160). In einem Antwortenwurf, der dem StSRkei am 10. 5. übermittelt wurde, erklärte RPM Schätzel, daß die zwangsläufig gestiegenen Betriebsausgaben der RP nur durch die in Aussicht genommene Gebührenerhöhung gedeckt werden könnten. „Daß hierbei nur das unbedingt Notwendige in Rechnung gestellt wird, erscheint durch die Mitwirkung des Verwaltungsrats der Deutschen Reichspost, in dem auch die Wirtschaft eine angemessene Vertretung findet, gewährleistet. Bei der Beurteilung der ganzen Frage müssen sich die Wirtschaftsvertretungen gegenwärtig halten, daß die durch die Gebührenerhöhung aufkommenden Mehreinnahmen größtenteils wieder der Wirtschaft zufließen, und daß, wenn die Erhöhung unterbleiben sollte, eine tief eingreifende Verminderung der auf Grund des Beschaffungsprogramms an die privatwirtschaftlichen Unternehmungen erteilten Lieferungsaufträge schon in nächster Zeit eintreten müßte.“ (R 43 I/2003, Bl. 165–166).
Der Reichsverkehrsminister stellte Vergleiche mit der Tarifpolitik der Reichsbahn an, die er als verfehlt bezeichnete. Die Reichsbahn müsse vor allen Dingen ihre Sondertarife revidieren, ehe sie eine allgemeine Tariferhöhung vornehmen dürfe. Der (zusammen mit dem Reichsminister des Auswärtigen) inzwischen erschienene Reichswirtschaftsminister äußerte Bedenken wegen einer Erhöhung der Telegrammgebühren. Er bat, die Frage zu prüfen, ob nicht von einer Erhöhung der Telegrammgebühren Abstand genommen werden könne.
Das Reichskabinett erklärte sich grundsätzlich mit der Absicht des Reichspostministers einverstanden, in der Sitzung des Verwaltungsrats der Reichspost am 8. April die beabsichtigte Gebührenerhöhung um 50% anzukündigen und nach Möglichkeit zuvor mit den Parteien über diese Angelegenheit zu sprechen4.