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Zollfriedenskonferenz.
Staatssekretär Dr. Trendelenburg berichtete unter Zugrundelegung des anliegenden Berichts der Deutschen Delegation vom 8. März 1930 über den gegenwärtigen Stand der Arbeiten auf der Zollfriedenskonferenz in Genf2.
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In dem hier nicht abgedruckten Bericht war auf einen Entwurf des frz. Handelsministers Flandin eingegangen worden, nach dem Handelsverträge bis zum 1.4.31 unkündbar sein sollten und Beschränkungen für Zollerhöhungen ungebundener Artikel vorgesehen waren. Ausgenommen von der Beschränkung der Zollerhöhung sollten – nach diesem Bericht – Erzeugnisse sein, die von den einzelnen Ländern angemeldet werden mußten, Frankreich sah hierfür landwirtschaftliche Produkte vor. Der Vertreter des REMin. hatte daraufhin gleiche Vorbehalte angemeldet. „Es ist nicht zu verkennen, daß es für uns innenpolitisch sehr unbequem sein kann, wenn die Franzosen so weitgehende Ausnahmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse machen sollten, wir aber keine. Man muß aber berücksichtigen, daß Vorbehalte, die Deutschland auf landwirtschaftlichem Gebiete macht, für die Agrarexportländer eine ganz andere Bedeutung haben, als die Vorbehalte, die das im Verhältnis zu Deutschland wenig Agrarerzeugnisse einführende Frankreich macht.“ An den deutschen Vorbehalten könne das Abkommen scheitern (Trendelenburg an Posse, 8. 3.; R 43 I/2428, Bl. 85-88, hier: Bl. 85-88).
Auf Grund der Aussprache beschloß das Kabinett, der Deutschen Delegation für die Zollfriedenskonferenz folgende Instruktion zu erteilen:
1. Meldet Getreide und Getreideerzeugnisse sowie alle anderen Erzeugnisse der loi de cadenas als deutsche Ausnahmen zu eigenem Recht an.
Wenn Franzosen auf Vorbehalte für einzelne Erzeugnisse verzichten, bitte erneut hierher zu berichten.
2. Eier sind nicht als Ausnahme anzumelden.
[1566] 3. Für Zucker ist keine Ausnahme anzumelden. Es ist aber loyalerweise jetzt schon darauf hinzuweisen, daß wir im Hinblick auf Weltzuckermarkt vielleicht zu weiterer Erhöhung Zuckerzolls gezwungen sein werden.
4. Entscheidung über finnischen Vertrag liegt noch nicht vor, und es ist nicht sicher, ob bis zur dortigen etwaigen Unterzeichnung eine Entscheidung vorliegen wird. Sie müssen daher bei Formulierung dortigen Abkommens anmelden, daß Deutschland sich nicht auf alten Finnenvertrag festlegen kann3.
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Über diesen Punkt der Instruktion teilte MinDir. Ritter mit: „Posse machte gegenüber dem Punkt 4 sofort geltend, daß dies unmöglich sei. Es sei in einem Unterausschuß heute der Beschluß angenommen worden, daß bereits gezeichnete, am 12.3.30 aber noch nicht in Kraft getretene Handelsverträge als bereits in Kraft befindlich gelten sollen. Wenn die deutsche Delegation diesem Beschluß gegenüber den ganzen finnischen Vertrag ausnehmen soll, so befürchte Posse, daß dies die Konferenz sprengt. Ich habe ihm gegenüber darauf hingewiesen, daß im sachlichen Ziel der heutige Beschluß des Unterausschusses doch das Gleiche trifft, was auch wir wollen, nämlich daß wir unter keinen Umständen an den Butterzoll des alten finnischen Vertrages gebunden sind. Der Wortlaut des oben mitgeteilten Beschlusses decke uns deshalb nicht 100prozentig, weil der neue Finnenvertrag entweder vom RT abgelehnt werden oder aus irgendeinem anderen Grunde nicht in Kraft treten könne, z. B. weil die Finnische Regierung sich nachträglich weigere zu ratifizieren. Dann wären wir an den Butterzoll des alten Finnenvertrages gebunden. Durch welche Formulierung das in Genf verhütet wird, müßte ich der Delegation überlassen. Nur müsse auf jeden Fall sichergestellt werden, daß wir an den Butterzoll des alten Finnenvertrags nicht gebunden sind“ (12. 3.; R 43 I/2428, Bl. 94 f., hier: Bl. 94 f.).
Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hatte dagegen, daß Eier nicht als Ausnahme anzumelden sind, Bedenken geäußert. Die Beschlußfassung des Kabinetts erfolgte in diesem Punkte gegen die Stimme des Reichsernährungsministers.