Text
[Politische Lage.]
[A:] | [B:] | |
Kanzler: Ermächtigungsgesetz nötig2! Eid Beamte an [?] Regie3! Wir: Ausgeschlossen. So erklären. Poincaré wird dann sagen, dies Widerrufen des passiven Widerstandes! Steigerung der Produktion, Bergleute, andere Arbeiter, Beamte4! Regelung der Preisbildung, gegen monopolartige Übermacht [?] der Kartelle5! [437] Küstrin6! Bayern! Völkischer Beobachter7! Bitte äußern zum Ermächtigungsgesetz! | Der Herr Reichskanzler eröffnet die Sitzung und gibt ein kurzes Bild über die außen- und innenpolitische Situation. Er betont die Notwendigkeit, ein Ermächtigungsgesetz zu schaffen, um der Reichsregierung größere Bewegungsfreiheit in den kommenden schweren Zeiten zu geben8. | |
Müller: Frankreich wird nicht entgegenkommen. Auch wir gegen Eid. Küstrin nicht äußern. Bayern: Neue Verordnungen toll! Hier kommt scharfe Kritik9! | Müller-Franken: Er fasse die außenpolitische Situation ebenso auf wie der Reichskanzler. Frankreich würde nicht entgegenkommen. Auch seine Partei halte es für unmöglich, daß die deutschen Beamten den fremden Mächten einen Eid leisten10. In der bayerischen Frage werde eine scharfe Kritik seiner Partei einsetzen11. | |
Ermächtigungsgesetz: Gewisse Vollmacht nötig! Währung, hier Zeit verloren! Schnell hier durchgreifen12! Entwurf wird Erregung schaffen! Arbeitszeit, Arbeitslosenversicherung pp.! Bergbau Produktion steigern! Braunkohle lagert aber stark13! Jetzt Arbeitszeit nicht in Debatte! Auf Akkord umstellen! Ausgaben von Reich, Ländern pp. scheiden! | Zum Ermächtigungsgesetz: Erweiterte Vollmachten für die Regierung seien nötig, besonders auch wegen der Währungsfrage, mit der viel Zeit verlorengegangen sei14. Der geplante Entwurf des Ermächtigungsgesetzes würde jedoch Erregung schaffen wegen der Frage der Arbeitszeit und der Arbeitslosenversicherung. Gegen die Steigerung der Bergbauproduktion würde eingewandt werden, daß die Halden mit Braunkohle überlagert seien15. Die Arbeitszeit empfehle er jetzt nicht in die Debatte zu stellen. | |
Scholz10a: Lage anders als vor wenigen Tagen! Andere Lage. Wir mit materiellen Erklärungen Kanzlers einverstanden. – Außenpolitisch gekommen, wie wir stets dachten! Bruch mit Frankreich nicht mehr zu vermeiden. Alles geschehen bis zur Demütigung! Weitergehen ausgeschlossen16! | Scholz10a: Die Lage sei anders als vor wenigen Tagen. Mit den materiellen[438] Erklärungen des Reichskanzlers sei er einverstanden. Außenpolitisch sei die Lage so geworden, wie seine Partei es stets gedacht hätte. Der Bruch mit Frankreich sei nicht mehr zu vermeiden, es sei alles bis zur Demütigung geschehen, was geschehen konnte. Ein Weitergehen sei ausgeschlossen17. | |
Bayern: Rechtlich zweifelhaft mit 2 Verordnungen18! Entscheidend, daß Ordnung herrscht! Ziel! Bürokratische und rechtliche Bedenken schweigen! Reich bayerische Verordnungen nicht aufheben, wir entschieden dagegen! | Zur bayerischen Frage: Die Rechtslage bezüglich der beiden Verordnungen sei zweifelhaft19. Entscheidend sei das Ziel, nämlich, daß Ordnung herrsche. Demgegenüber müßten bürokratische und rechtliche Bedenken schweigen. Seine Partei sei entschieden gegen das Verlangen, die bayerische Verordnung aufzuheben. | |
Wirtschaft: So unmöglich. Alle Produkte 1½facher Auslandspreis! Auch hier mit Kanzler einig, einschneidende Verbesserung! Arbeitszeitfrage unter gar keinen Umständen haltmachen! Wir sehr entschieden verlangen, hier das Nötige tun20! Wenn Bergleute, dann andere natürlich auch! | Zur Wirtschaft: Die jetzige Lage sei unmöglich, alle Produkte kosteten das 1½fache der Auslandspreise. Hier müßten einschneidende Vorkehrungen getroffen werden. Vor der Arbeitszeitfrage könne dabei unter gar keinen Umständen Halt gemacht werden. Dies würde die Deutsche Volkspartei sehr entschieden verlangen21. Bei den Bergleuten könne man nicht stehen bleiben, auch andere Kategorien müßten folgen. | |
[439] Kohle: Verbilligungen! Ermäßigung oder Aufhebung Kohlensteuer22! | Die Kohlen müssen verbilligt werden durch beträchtliche Ermäßigung oder Aufhebung der Kohlensteuer23. | |
Große Koalition: auch Deutsch-Nationale gehören dazu! Ich persönlich, aber Partei wird wohl fordern: Alle Versuche machen, um Deutsch-Nationale zum Eintritt in Koalition zu bringen! Ruhe abhängig von Ernährung24! Dies fast [?] oder nur zu regeln, wenn Deutsch-Nationale mitarbeiten! Wir brauchen sie für Ernährung des Volkes25! | Zur Frage der Koalition sei er der Ansicht, daß auch die Deutschnationale Volkspartei dazu gehöre. Seine Partei werde voraussichtlich seiner Ansicht beitreten, daß alle Versuche gemacht werden müßten, um die Deutschnationalen zum Eintritt in die Koalition zu bringen. Die Ruhe im Lande sei von der Ernährung abhängig26. Die Ernährungsfrage könne aber nur geregelt werden, wenn die Deutschnationalen mitarbeiteten27. | |
Ermächtigungsgesetz: Wir stimmen zu. Aber: In augenblicklicher Zusammensetzung Kabinett sagen wir nein! Änderungen in einigen Ressorts nötig, conditio sine qua non28! | Dem Ermächtigungsgesetz stimmte die Partei zu. Sie sei jedoch nicht bereit, diese Ermächtigung dem Kabinett in seiner jetzigen Zusammensetzung zu geben. Änderungen in einigen Ressorts seien nötig, das sei conditio sine qua non29. | |
Petersen: Mit Scholz, desgleichen klug und Pflicht, alle Bereiten zur Mitarbeit aufzurufen (Verfassungstreue!) | Petersen: Mit dem Abg. Scholz sei er der Ansicht, daß es ein Erfordernis der Klugheit und Pflicht sei, alle zur Mitarbeit aufzurufen, die dazu in verfassungstreuer Weise bereit wären. | |
[440] Ermächtigungsgesetz: Ausnahmemaßnahmen jetzt nötig, wir begrüßen es, Entlastung der Parteien! Von Arbeitszeitänderung nicht zurückschrecken! Bayern: Erst mit Fraktion sprechen! | Zum Ermächtigungsgesetz: Ausnahmemaßnahmen seien jetzt nötig, er begrüße die dadurch eintretende Entlastung der Parteien. Vor Änderung der Arbeitszeit dürfe man nicht zurückschrecken. Bezüglich Bayerns müsse er noch mit seiner Fraktion sprechen. | |
Marx: Eid der Beamten, Souveränität nicht aufgeben! Schwere Maßnahmen Frankreichs werden kommen30! | Marx: Die Eidesfrage berühre die Souveränität des Reiches, daher könne man hier nicht nachgeben. Klar sei, daß dann schwerwiegende Maßnahmen Frankreichs folgen würden31. | |
Bayern: Beide Verordnungen zu rechtfertigen! Bayern hatte Anlaß, vorzugehen! Nebeneinander ist Gefahrenquelle! Klugheit und vorsichtige Zurückhaltung nötig! Aufhebung Bayern stimmen wir nicht zu! Länder in 1. Linie müssen über Aufhebung behelligt [?]. Zuversicht aussprechen, daß sie aufgehoben, wenn überflüssig. Ausführungen ohne Konflikt. | Zur bayerischen Frage: Beide Verordnungen seien zu rechtfertigen, Bayern hätte zu seinem Vorgehen begründeten Anlaß gehabt. Das Nebeneinanderbestehen beider Verordnungen sei eine Gefahrenquelle, daher seien Klugheit und vorsichtige Zurückhaltung nötig. Dem Verlangen nach Aufhebung der bayerischen Verordnung stimme seine Partei nicht zu. Seine Partei sei bereit, im Reichstag die Zuversicht auszusprechen, daß sie aufgehoben würde, wenn dies erforderlich sei und daß die Ausführung ohne Konflikte erfolgen würde. | |
Ermächtigungsgesetz: Jetzt Programm Kanzler hören! Grundsätzlich ja! Kabinett muß Selbständigkeit jetzt haben. Diktatur und Direktorium ich dagegen gewendet! Parlament in Gefahr abzuwirtschaften, Parteistreit, keine politische Arbeit! Gewerkschaften erschreckende Abneigung gegen Parlament! Wirtschaftliche, finanzielle, soziale Frage: ja! | Zum Ermächtigungsgesetz: Grundsätzlich sei die Partei mit den Ausführungen des Reichskanzlers einverstanden. Das Kabinett müsse jetzt eine stärkere Selbständigkeit haben. Das Parlament sei in Gefahr abzuwirtschaften, weil es sich in Parteistreitigkeiten bewege und keine politische Arbeit leiste. Selbst die Gewerkschaften hätten eine erschreckende Abneigung gegen das Parlament. | |
[441] Arbeitszeit: verlangen dringend, wie Brauns32, nicht wie Kanzler! Bedeutende Besitzopfer sind gebracht! Können Wirtschaft nicht auspowern! Sie muß blühend sein, nicht Henne schlachten! Beamte auch Arbeitszeit mehr33! | Zur Arbeitszeit verlangte das Zentrum die Stellungnahme, wie sie der Arbeitsminister einnehme34, nicht die des Kanzlers. Auch die Beamten müßten sich mit einer längeren Arbeitszeit abfinden35. | |
Koalition: (Scholz) Ich: z. Z. alles tun, was Reich stärkt. Große [?] Zusammenfassung, Ausschaltung des Parteienstreit. Geßler, ja36! Wenn unmöglich, bescheiden wir uns bei jetziger. Jetzige Zustände nicht verwirren durch Vergrößerung37. | Zur Koalition: Auch er stehe auf dem Standpunkt, man müsse alles tun, um das Reich zu stärken. Daher sei eine große Zusammenfassung unter Ausschaltung der Parteistreitigkeiten dringend erwünscht. Erweise sich dies als unmöglich, so würde sich seine Partei bei der jetzigen Koalition bescheiden38. | |
Kanzler: Regierung muß Möglichkeit haben Erhöhung d. Arbeitszeit! Frage aber nicht Parlament reinbringen! Nicht Prinzip des 8 Stundentags aufwerfen! Endgültige Regelung jetzt ausschalten sonst Prinzipienstreit! Und praktisch nichts geändert. Reichskanzlei hat schon mehr als 12stündigen! | Reichskanzler Er möchte die Frage des Prinzips des Achtstundentags nicht aufwerfen. Es handle sich jetzt nur um die praktischen Fragen hierzu. [Ende der maschinenschriftlichen Fassung.] |
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Vgl. Dok. Nr. 97, P. d; zur Haltung der Parteien G. Arns, Die Krise des Weimarer Parlamentarismus im Frühherbst 1923; R. Morsey, Die deutsche Zentrumspartei, S. 520 ff.
- 3
S. Anm. 7 zu Dok. Nr. 97.
- 4
Vgl. die Diskussion in und die Anlage zu Dok. Nr. 97.
- 5
S. Dok. Nr. 203, P. 2.
- 6
- 7
- 8
Vgl. Dok. Nr. 97, P. d; zur Haltung der Parteien G. Arns, Die Krise des Weimarer Parlamentarismus im Frühherbst 1923; R. Morsey, Die deutsche Zentrumspartei, S. 520 ff.
- 9
Der Generalstaatskommissar hatte Veranstaltungen der politischen Parteien und die sozialistischen Schutzverbände verboten. Patriotische Veranstaltungen der Kampfverbände und deren Organisationen waren weiterhin zugelassen (DAZ, Nr. 453 v. 2.10.23); s. dazu die Rede Breitscheids vor dem RT am 8.10.23 (RT-Bd. 361, insbesondere S. 11953 f.).
- 10
S. Anm. 7 zu Dok. Nr. 97.
- 11
Der Generalstaatskommissar hatte Veranstaltungen der politischen Parteien und die sozialistischen Schutzverbände verboten. Patriotische Veranstaltungen der Kampfverbände und deren Organisationen waren weiterhin zugelassen (DAZ, Nr. 453 v. 2.10.23); s. dazu die Rede Breitscheids vor dem RT am 8.10.23 (RT-Bd. 361, insbesondere S. 11953 f.).
- 12
Zur währungspolit. Situation s. Dok. Nr. 82, P. 2.
- 13
- 14
Zur währungspolit. Situation s. Dok. Nr. 82, P. 2.
- 15
- 10a
Über die Stimmung der DVP, deren RT-Fraktionsvorsitzender Scholz war, orientiert ein Bericht, den die Reichsgeschäftsstelle der Partei den Generalsekretären zwischen dem 3. und 6.10.23 zusandte. Daraus geht hervor, daß in den letzten Septembertagen eine Kampagne gegen das Kabinett begonnen hatte. „Wie auf ein gegebenes Stichwort hörte man von allen möglichen Leuten, daß ja die SPD ohne Einfluß auf die Massen sei, nur noch einen Stab von Führern und Sekretären darstelle, daß es also zwecklos sei, auf diese ehemalige Größe in der Politik noch besonders Rücksicht zu nehmen.“ Dann sei die Produktionsfrage in den Vordergrund gestellt worden. „In den Fraktionen (nicht nur bei der DVP) wurde jetzt mit Hochdruck die Unmöglichkeit eines erfolgreichen Zusammenarbeitens mit der SPD hervorgehoben. Noch fehlten aber die tatsächlichen Beweise dafür, daß die Sozialdemokraten sich wirklich der Notwendigkeit eines verstärkten Produktionsprogramms entziehen wollten.“ Stresemann habe im Gegensatz zur Fraktion nicht auf einen baldigen Bruch mit der SPD gedrängt. „Sehr wichtig ist, daß man in den letzten vierzehn Tagen die Gewißheit hatte, daß ein Putsch von links von der Reichswehr niedergeschlagen würde. Um so sicherer traten deshalb diejenigen auf, denen jede Rücksicht auf die Sozialdemokraten unbehaglich ist“ (Pol. Arch.: NL Stresemann 87).
- 16
S. hierzu Scholz Ausführungen in Dok. Nr. 80.
- 10a
Über die Stimmung der DVP, deren RT-Fraktionsvorsitzender Scholz war, orientiert ein Bericht, den die Reichsgeschäftsstelle der Partei den Generalsekretären zwischen dem 3. und 6.10.23 zusandte. Daraus geht hervor, daß in den letzten Septembertagen eine Kampagne gegen das Kabinett begonnen hatte. „Wie auf ein gegebenes Stichwort hörte man von allen möglichen Leuten, daß ja die SPD ohne Einfluß auf die Massen sei, nur noch einen Stab von Führern und Sekretären darstelle, daß es also zwecklos sei, auf diese ehemalige Größe in der Politik noch besonders Rücksicht zu nehmen.“ Dann sei die Produktionsfrage in den Vordergrund gestellt worden. „In den Fraktionen (nicht nur bei der DVP) wurde jetzt mit Hochdruck die Unmöglichkeit eines erfolgreichen Zusammenarbeitens mit der SPD hervorgehoben. Noch fehlten aber die tatsächlichen Beweise dafür, daß die Sozialdemokraten sich wirklich der Notwendigkeit eines verstärkten Produktionsprogramms entziehen wollten.“ Stresemann habe im Gegensatz zur Fraktion nicht auf einen baldigen Bruch mit der SPD gedrängt. „Sehr wichtig ist, daß man in den letzten vierzehn Tagen die Gewißheit hatte, daß ein Putsch von links von der Reichswehr niedergeschlagen würde. Um so sicherer traten deshalb diejenigen auf, denen jede Rücksicht auf die Sozialdemokraten unbehaglich ist“ (Pol. Arch.: NL Stresemann 87).
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S. hierzu Scholz Ausführungen in Dok. Nr. 80.
- 18
Vgl. dazu die Kabinettsberatung in Dok. Nr. 94.
- 19
Vgl. dazu die Kabinettsberatung in Dok. Nr. 94.
- 20
Zu den Forderungen der DVP wird in dem Rundschreiben, das den Generalsekretären der Partei von der Reichsgeschäftsstelle zwischen dem 3. und 6.10.23 übermittelt wurde, u. a. ausgeführt: „Zahlreiche Artikel in der Hugenbergschen Presse variierten immer aufs neue diesen Gedanken [= erstes Zitat in Anm. 10a]. Die Absicht war, gerade durch diese Blätter auf Kreise unserer Partei zu wirken. Auch die christlichen Gewerkschaften wurden an denselben Karren gespannt und eine Stellungnahme des deutschnationalen Abgeordneten Behrens – die aber nur seine eigene und die seines Verbandes war – als die Meinung aller christlichen Gewerkschaften ausposaunt. Die Losung war also: Regierung ohne Sozialdemokratie. – Nachdem dieses Spiel so eine Woche gegangen war, hat man wohl erkannt, daß schon andere Gründe ins Feld geführt werden müßten. Abgeordneter Maretzky führte im 50%igen „Tag“ aus, daß eine wirkliche Produktionspolitik getrieben werden müsse, wenn Deutschland zu retten sei. Das ginge nicht, solange die Sozialdemokraten im Kabinett seien, da diese nur die Hemmschuhe für eine rettende Politik darstellten. Es wäre klüger gewesen, wenn man diese Gesichtspunkte an den Beginn und nicht an den Schluß des Feldzuges in der Öffentlichkeit gestellt hätte. Nunmehr wurde versucht, den Fehler durch doppelte Intensität wieder gut zu machen. In den Fraktionen (nicht nur bei der DVP) wurde jetzt mit Hochdruck die Unmöglichkeit eines erfolgreichen Zusammenarbeitens mit der SPD hervorgehoben. Noch fehlten aber die tatsächlichen Beweise dafür, daß die Sozialdemokraten sich wirklich der Notwendigkeit eines verstärkten Produktionsprogramms entziehen wollten“ (Pol. Arch.: NL Stresemann 87).
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Zu den Forderungen der DVP wird in dem Rundschreiben, das den Generalsekretären der Partei von der Reichsgeschäftsstelle zwischen dem 3. und 6.10.23 übermittelt wurde, u. a. ausgeführt: „Zahlreiche Artikel in der Hugenbergschen Presse variierten immer aufs neue diesen Gedanken [= erstes Zitat in Anm. 10a]. Die Absicht war, gerade durch diese Blätter auf Kreise unserer Partei zu wirken. Auch die christlichen Gewerkschaften wurden an denselben Karren gespannt und eine Stellungnahme des deutschnationalen Abgeordneten Behrens – die aber nur seine eigene und die seines Verbandes war – als die Meinung aller christlichen Gewerkschaften ausposaunt. Die Losung war also: Regierung ohne Sozialdemokratie. – Nachdem dieses Spiel so eine Woche gegangen war, hat man wohl erkannt, daß schon andere Gründe ins Feld geführt werden müßten. Abgeordneter Maretzky führte im 50%igen „Tag“ aus, daß eine wirkliche Produktionspolitik getrieben werden müsse, wenn Deutschland zu retten sei. Das ginge nicht, solange die Sozialdemokraten im Kabinett seien, da diese nur die Hemmschuhe für eine rettende Politik darstellten. Es wäre klüger gewesen, wenn man diese Gesichtspunkte an den Beginn und nicht an den Schluß des Feldzuges in der Öffentlichkeit gestellt hätte. Nunmehr wurde versucht, den Fehler durch doppelte Intensität wieder gut zu machen. In den Fraktionen (nicht nur bei der DVP) wurde jetzt mit Hochdruck die Unmöglichkeit eines erfolgreichen Zusammenarbeitens mit der SPD hervorgehoben. Noch fehlten aber die tatsächlichen Beweise dafür, daß die Sozialdemokraten sich wirklich der Notwendigkeit eines verstärkten Produktionsprogramms entziehen wollten“ (Pol. Arch.: NL Stresemann 87). aus, daß eine wirkliche Produktionspolitik getrieben werden müsse, wenn Deutschland zu retten sei. Das ginge nicht, solange die Sozialdemokraten im Kabinett seien, da diese nur die Hemmschuhe für eine rettende Politik darstellten. Es wäre klüger gewesen, wenn man diese Gesichtspunkte an den Beginn und nicht an den Schluß des Feldzuges in der Öffentlichkeit gestellt hätte. Nunmehr wurde versucht, den Fehler durch doppelte Intensität wieder gut zu machen. In den Fraktionen (nicht nur bei der DVP) wurde jetzt mit Hochdruck die Unmöglichkeit eines erfolgreichen Zusammenarbeitens mit der SPD hervorgehoben. Noch fehlten aber die tatsächlichen Beweise dafür, daß die Sozialdemokraten sich wirklich der Notwendigkeit eines verstärkten Produktionsprogramms entziehen wollten“ (Pol. Arch.: NL Stresemann 87).
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Vgl. hierzu Dok. Nr. 128, P. 3.
- 23
Vgl. hierzu Dok. Nr. 128, P. 3.
- 24
Vgl. hierzu P. 10 in Dok. Nr. 136.
- 25
Vgl. hierzu die Angebote der Rechtsgruppen in ernährungspolitischer Hinsicht an General von Seeckt in Anhang Nr. 1.
- 26
Vgl. hierzu P. 10 in Dok. Nr. 136.
- 27
Vgl. hierzu die Angebote der Rechtsgruppen in ernährungspolitischer Hinsicht an General von Seeckt in Anhang Nr. 1.
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Über die „Kabinettskrisis in den ersten Oktober Tagen 1923“ heißt es in einer Aufzeichnung über die Fraktionssitzungen des Zentrums vom 2.–6.10.23 zu Beginn: „Veranlaßt wurde die Krisis durch den Vorstoß der Deutschen Volkspartei, welche eine Erweiterung nach rechts wünschte und außerdem personelle Veränderungen, weiterhin auch die Frage des Achtstundentags gelöst sehen wollte“ (BA: NL ten Hompel 15). In dem Rundschreiben an die Generalsekretäre der DVP (s. o. Anm. 13) wurde ausgeführt: „Zugegeben muß leider werden, daß Dr. Stresemann in den Ministern von Raumer und Hilferding nicht diejenigen kraftvollen Mitarbeiter hatte, die in dieser kritischen Zeit zu raschen Lösungen kommen konnten. Hier dem Reichskanzler aber persönliche Vorwürfe zu machen, der selbst eine Riesenlast von Arbeit zu tragen hatte, ist zum mindesten ungerecht. Er hat selbst wohl nach einiger Zeit erkannt, daß diese Minister nicht zu halten waren, durfte aber auch diese Sache nicht übers Knie brechen.“
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Über die „Kabinettskrisis in den ersten Oktober Tagen 1923“ heißt es in einer Aufzeichnung über die Fraktionssitzungen des Zentrums vom 2.–6.10.23 zu Beginn: „Veranlaßt wurde die Krisis durch den Vorstoß der Deutschen Volkspartei, welche eine Erweiterung nach rechts wünschte und außerdem personelle Veränderungen, weiterhin auch die Frage des Achtstundentags gelöst sehen wollte“ (BA: NL ten Hompel 15). In dem Rundschreiben an die Generalsekretäre der DVP (s. o. Anm. 13) wurde ausgeführt: „Zugegeben muß leider werden, daß Dr. Stresemann in den Ministern von Raumer und Hilferding nicht diejenigen kraftvollen Mitarbeiter hatte, die in dieser kritischen Zeit zu raschen Lösungen kommen konnten. Hier dem Reichskanzler aber persönliche Vorwürfe zu machen, der selbst eine Riesenlast von Arbeit zu tragen hatte, ist zum mindesten ungerecht. Er hat selbst wohl nach einiger Zeit erkannt, daß diese Minister nicht zu halten waren, durfte aber auch diese Sache nicht übers Knie brechen.“
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S. Anm. 11 zu Dok. Nr. 97.
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S. Anm. 11 zu Dok. Nr. 97.
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S. Anlage zu Dok. Nr. 97.
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Am Rand mit Rotstift: „Brauns: Schutz der Arbeitswilligen (Deutsch-Nationale wollen das in Kanzlerrede)“.
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S. Anlage zu Dok. Nr. 97.
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Am Rand mit Rotstift: „Brauns: Schutz der Arbeitswilligen (Deutsch-Nationale wollen das in Kanzlerrede)“.
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Zur Kritik an Geßler s. Dok. Nr. 53; Vgl. aber auch Anhang Nr. 1.
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Die unterschiedliche Haltung der Zentrumsminister zum Kabinett geht aus dem Bericht über die Fraktionssitzung am 2.10.23 hervor: „In der Fraktionssitzung vom 2. Oktober berichteten Minister Brauns und Dr. Höfle über die Lage. Der eine hob die Gesichtspunkte für eine bürgerliche Regierung hervor, der andere die Gesichtspunkte, welche für die Beibehaltung der bisherigen Mitgliedschaft der Sozialdemokraten sprachen“ (BA: NL ten Hompel 15). Im Rundschreiben an die DVP-Generalsekretäre (s. o. Anm. 13) wurde abschließend festgestellt: „Angenommen, der jetzige Augenblick wäre wirklich geeignet gewesen, die Sozialdemokraten vor die große Frage zu stellen, ob sie eine produktive Wirtschaftspolitik mittreiben wollen oder nicht. Im Zentrum sind die Kräfte, die wirtschaftlich denselben Standpunkt vertreten wie wir, außerordentlich stark und rührig. Auch im Gewerkschaftslager – vergl. Stegerwald – hat die Opposition des Zentrums ihre Stütze. Wenn dem so ist, warum überließ man den scharfen Vorstoß gegen das Kabinett und gegen die Koalition nicht dem Zentrum?“
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Die unterschiedliche Haltung der Zentrumsminister zum Kabinett geht aus dem Bericht über die Fraktionssitzung am 2.10.23 hervor: „In der Fraktionssitzung vom 2. Oktober berichteten Minister Brauns und Dr. Höfle über die Lage. Der eine hob die Gesichtspunkte für eine bürgerliche Regierung hervor, der andere die Gesichtspunkte, welche für die Beibehaltung der bisherigen Mitgliedschaft der Sozialdemokraten sprachen“ (BA: NL ten Hompel 15). Im Rundschreiben an die DVP-Generalsekretäre (s. o. Anm. 13) wurde abschließend festgestellt: „Angenommen, der jetzige Augenblick wäre wirklich geeignet gewesen, die Sozialdemokraten vor die große Frage zu stellen, ob sie eine produktive Wirtschaftspolitik mittreiben wollen oder nicht. Im Zentrum sind die Kräfte, die wirtschaftlich denselben Standpunkt vertreten wie wir, außerordentlich stark und rührig. Auch im Gewerkschaftslager – vergl. Stegerwald – hat die Opposition des Zentrums ihre Stütze. Wenn dem so ist, warum überließ man den scharfen Vorstoß gegen das Kabinett und gegen die Koalition nicht dem Zentrum?“
Leicht: Befriedigt über ruhige Behandlung Bayernfrage einschließlich Sozialdemokraten. Fühle Sozialdemokraten nach, daß beschwert [?] durch Maßnahme Kahr! Dank an Müller!
Rechtliche Frage: wie Kanzler, Scholz, Marx!
Nebeneinander: Konfliktgefahr müssen wir in Kauf nehmen. Aber Konflikt möglichst vermeiden!
[442] Reichstagsbeschluß gegen Bayern Belastungsprobe, die Bayern nicht bestehen [?] könnte! Bitte also dies beachten!
Außenpolitik: Wir stehen vor neuem Krieg, wenn auch nicht mit Waffen!
Wie bei Weltkrieg müssen in Verhandlungen und vorhandene Schwierigkeiten geschlossen gehen!
Parteiinteresse hier schwer belastet! Aber Vaterland muß Partei in edelstem Sinn vorgehen. Retten was noch kann.
Ermächtigungsgesetz: Vergleiche Bedenken Sozialdemokraten39.
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Vgl. hierzu Leichts Rede vor dem RT am 8.10.23 (RT-Bd. 361, S. 11996 f.).
Wir in finanzieller Seite Bedenken! Steuergesetze sind in Ausführung ungesund, gewaltige Verwirrung in Handhabung. Steuermoral40!
Daher [?] Blankovollmachten hier Bedenken bei uns!
Ich setze mich dafür ein!
Hilferding: Finanzielle Lage: Ständig steigende Fehlbeträge! Stützungsaktion kein Hinwerfen [?] des Geldes, weil Ausgaben dann sinken!
August 1090 Billionen Fehlbetrag.
Ruhrausgaben dauern noch an. Wird bis Ende Oktober dauern (die Fehlbeträge). Betroffene Länder bankrott, wir müssen es decken! Ebenso Kommunen! – Steigendes Defizit Eisenbahn! Güterverkehr eingeschränkt! 1000 Billionen täglich. Abführung [?] Eisenbahn!
Währung: Hätten wir es in jener [?] Zeit gemacht, so wäre sie heute nicht mehr beständig.
Jetzt [?] Ausgaben erledigen!
Diese Angriffe alle falsch!
Steuern: Ausführung: Anweisung, Stellung zu berücksichtigen, besonders kleine und mittlere Gruppen [?]!
Landabgabe in vielen Ländern glatt!
Bei Betriebsabgabe: Umbau geprüft!
Müller: Parteiinteresse bei uns nicht! Darin Vorwürfe gekriegt [?]! Bayerische Verordnung nicht in allen Teilen verfassungsrechtlich berechtigt. Aber in pleno dies [?]!
Erweiterung der Koalition: Gedanke uns ganz neu. Ganz ausgeschlossen, daß Partei zustimmt!
Reichstag: Keine moralische Eroberung gemacht. Liegt aber zum Teil an Zeitungen, Sensation!
In letzter Zeit Reichstag wenig herangezogen41!
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Der RT hatte vom 16. 8. bis 26.9.23 nicht getagt und sich am 27./28.9.23 vornehmlich mit der VO vom 26. 9. beschäftigt. Es könnte aber auch gemeint sein, daß sich die RReg. in letzter Zeit wenig mit den Koalitionsfraktionen im RT in Verbindung gesetzt habe.
Arbeitszeit: Arbeiterschaft wird jetzt nicht begreifen, da jetzt z. B. nur 8 Stunden die Woche gearbeitet!
Ausgeschlossen, daß wir Ermächtigungsgesetz zustimmen im Plenum, wie Scholz Ausführung (und seine Interpretation [?]).
Änderung im Kabinett: conditio sine qua non: wir müssen wissen, was Scholz meint.
[443] Ouvertüre Krise ist dies!
Dann fraglich, ob Kanzler heute sprechen kann!
Andere Ruhr [?]besprechung vorher nötig!
Guérard: Ich wie Marx. – Besetztes Gebiet: Besprechung mit eingeladenen Mitgliedern des besetzten Gebiets machen (Kanzler)42. Möglichst bald dies!
Raumer: Mehrarbeit im Bergbau: Jetzt nicht begreiflich machen? Nur bei Hausbrand zutreffend, daß Halden voll liegen, weil zu teuer! Besagt fürs Problem nichts! Größere Produktion nötig, dies sicher!
Scholz: Wenn Sozialdemokraten einig mit uns, daß Produktion gesteigert, dann sind wir einig! Aber dann fixierte Vereinbarung nötig! Formal egal, materiell aber aufs aller entschiedenste [?]!
Bedauere, daß Müller –Franken größere Koalition ablehnt!
Gegensätze der Parteien nicht mehr vorhanden! Volk versteht nicht, wenn eine Partei sagt, mit der und der kann ich nicht arbeiten!
Ablehnung ohne Grundlage zu kennen falsch! – Fraktion wird sich entschieden auf diesen Standpunkt stellen, daß wenigstens Versuch gemacht wird.
Müller richtig: Heute Erklärung wohl nicht möglich!
Verhandlungen nötig! Fraktionen müssen vor Vertrag Stellung nehmen! Kann nicht jetzt Personalvorschläge machen! Erst Fraktion sprechen!
Kanzler: Vor Entscheidung, die Bestand Kabinett berührt! Tagelange Krise unmöglich! Daher: In 24 Stunden muß es beglichen [?] sein!
Konferenz London!
Kanzlerrede heute, eventuell [?] nachts43! Nicht erst Presse tagelang wirken lassen!
- 43
Der Terminkalender weist aus, daß für 15 Uhr eine Sitzung im RT notiert war, d. h. daß dann wahrscheinlich der RK hatte sprechen wollen (BA: NL von Stockhausen 15).
Geht Kabinett, morgen neues! Oder heute dies umwandeln!
Koch: Wie Kanzler. Er soll heute sprechen! Abwarten ob Reichstag Regierung stürzt!
Umformung sehr schwierig! Geht nicht in 26 Stunden! Dann fällt es!
Breitscheid: Kanzler recht, keine lange Krise, sehr schnell! – Ausgeschlossen, daß er heute spricht, bevor Parteien klar sind! Bis heute Abend Klarheit möglich, bis 5 Uhr nicht! Wir werden in 4 Stunden fertig!
Zu Scholz: Parteien müssen wissen, welche Personalien Scholz meint. Heute!
Kanzler: Keine schleichende Krisis! Sei es rein bürgerliche Kabinettsbildung, sei es Personalien, sei es Eintritt deutschnationaler Persönlichkeiten!
Rasch! Morgen fertig sein!
Marx: Bedauere, daß von Krisis gesprochen!
Jetzt nicht mehr zu hindern! Also restlos klären.
Petersen: Wie Kanzler und Marx! Historischer Punkt! Alles uneinigende zurücktreten! Sachlich [?] nicht Möglichkeit eines anderen Kabinetts!
Fuchs: Unruhe im besetzten Gebiet ungeheur! Wenn hier Uneinigkeit schlimme Folgen dort!
[444] Müller: Entscheidung in Bayernfrage! Bis 7 Partei!
Kanzler: Fraktionen mir bis 7 mitteilen, welche Auffassungen (Ermächtigung, Arbeitszeit, Änderung des Kabinetts).
5 [Uhr]-Sitzung gegebenenfalls [?] absetzen!
Koch: Der Weg unhaltbar! Erst Kanzlererklärung, dann Fraktion Stellung nehmen!
Müller: Finanz- und währungspolitisch ja, sonst nein! Formulierung Volkspartei über Arbeitszeit unmöglich!
Kanzler: Erklärungen kaum vereinbar! Besonders 1. Bayern! Völliger Dissensus der Parteien! Unbehoben [?].
2. Arbeitszeit und 3. beschränkte Ermächtigung!
Sehe keine Möglichkeit des Ausgleichs. Bitte Parteien sich zu äußern.
Scholz: Gegensätze außerordentlich schwer zu überwinden.
Arbeitszeit: Form könnte besprochen werden.
Klären, ob Kanzler vor Reichstag tritt.
Kanzler: unmöglich!
Brauns: Formulierung der Volkspartei geht weit (Arbeitszeit).
Koch: Regierung muß vor das Plenum treten!
Petersen: wie Koch!
Kanzler: Koch nein. Ich kann nicht mit innerlich zerbrochenem Kabinett vor Reichstag treten!
Kabinett muß jetzt beraten!
Dinge können nicht schleppen; heute Abend Entscheidung44.